§ 164 Vorbehalt der Nachprüfung

Hallo liebe Experten,

im Archiv ist folgender Beitrag zu finden: /t/bescheid-noch-offen-fuer-einspruch/7077207

Dort geht sinngemäß hervor, daß nach dem Bescheid über die Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung die ursprüngliche Steuerfestsetzung uneingeschränkt anfechtbar sei, AEAO zu 347 Nr. 3 Satz 2.

Nach Auseinandersetzung mit dem Sinn und Zusammenhang der Vorschrift bin ich der Meinung, daß der zitierte Satz (mit der ganzen Nr. 3) wie in folgendem Beispiel zu verstehen ist:

  • Bescheid über ESt 2012 wird mit VdN bekanntgegeben
  • Steuerpflichtiger beantragt Aufhebung des VdN
  • Finanzamt stimmt zu und gibt neuen Bescheid über ESt 2012 bekannt
  • neuer Bescheid über ESt 2012 ist per Einspruch / uneingeschränkt anfechtbar, natürlich innerhalb der Rechtsbehelfsfrist zu diesem Bescheid

Den Satz allein herausgelöst auf den zitierten Sachverhalt anzuwenden, um nach Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung den ursprünglichen Steuerbescheid anfechten zu können, ist u. E. falsch.

Für Meinungen danke ich im voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Ronald

Hallo,

die Aufhebung hat lediglich zur Folge, daß die Steuerfestsetzung nunmehr vorbehaltlos und damit als endgültige Steuerfestsetzung wirkt (vgl. auch Urteil des BFH - vom 4. August 1983 IV R 216/82). Ebensowenig wie die Finanzbehörde aber gehalten ist darzulegen und zu begründen, weshalb sie einen Steuerbescheid nicht unter Vorbehalt der Nachprüfung stellt, besteht regelmäßig keine Veranlassung zu besonderen Erläuterungen, wenn sie diesen Verfahrenszustand nachträglich durch Aufhebung eines zuvor in den Bescheid genommenen Nachprüfungsvorbehalts herbeiführt. Aus § 164 Abs. 3 Satz 2 AO folgt nichts anderes. Die Aufhebung des Vorbehalts steht danach einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Diese Bestimmung trägt lediglich dem verfahrensrechtlichen Umstand Rechnung, daß der Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts (gleichermaßen wie der Aufnahme des Vorbehalts in den Steuerbescheid) keine selbständige Bedeutung zukommt und daß sie nur gemeinsam mit der Steuerfestsetzung angefochten werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1980 IV R 168-170/79). Daraus ergeben sich jedoch gegenüber § 164 Abs. 1 Satz 1 keine besonderen Anforderungen, die an die Begründung des Bescheides zu stellen sind, in dem die Aufhebung des Vorbehalts bestimmt wird. Dieser Bescheid kann auch die Einspruchsentscheidung sein (BFH-Urteile vom 12. Juni 1980 IV R 23/79).

Gruss

die Aufhebung hat lediglich zur Folge, daß die
Steuerfestsetzung nunmehr vorbehaltlos und damit als
endgültige Steuerfestsetzung wirkt (vgl. auch Urteil des BFH -
vom 4. August 1983 IV R 216/82).

Ja, im Prinzip kann ich dem zustimmen.

Ebensowenig wie die
Finanzbehörde aber gehalten ist darzulegen und zu begründen,
weshalb sie einen Steuerbescheid nicht unter Vorbehalt der
Nachprüfung stellt, besteht regelmäßig keine Veranlassung zu
besonderen Erläuterungen, wenn sie diesen Verfahrenszustand
nachträglich durch Aufhebung eines zuvor in den Bescheid
genommenen Nachprüfungsvorbehalts herbeiführt.

Ja, Begründung ist nicht notwendig.

Aus § 164 Abs. 3 Satz 2 AO folgt nichts anderes.

Die Aufhebung des Vorbehalts
steht danach einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der
Nachprüfung gleich.

Ja, klar.

Diese Bestimmung trägt lediglich dem
verfahrensrechtlichen Umstand Rechnung, daß der Aufhebung des
Nachprüfungsvorbehalts (gleichermaßen wie der Aufnahme des
Vorbehalts in den Steuerbescheid) keine selbständige Bedeutung
zukommt und daß sie nur gemeinsam mit der Steuerfestsetzung
angefochten werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1980
IV R 168-170/79).

Aha. Habe nichts dagegen.

Daraus ergeben sich jedoch gegenüber § 164
Abs. 1 Satz 1 keine besonderen Anforderungen, die an die
Begründung des Bescheides zu stellen sind, in dem die
Aufhebung des Vorbehalts bestimmt wird. Dieser Bescheid kann
auch die Einspruchsentscheidung sein (BFH-Urteile vom 12. Juni
1980 IV R 23/79).

Gut. Das war alles aber nicht das Problem.

Die Frage ist, ob man bei Aufhebung des VdN noch gegen den ursprünglichen Steuerbescheid, für welchen die Rechtsbehelfsfrist abgelaufen ist, Einspruch einlegen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Ronald

Hallo,
ja es ist möglich. So hatte ich das aber auch gemeint.
Die Bestimmung „VdN“ bzw. dessen Aufhebung ist eine unselbständige Nebenbestimmung, die isoliert betrachtet nicht angefochten werden kann. AEAO zu § 347 Nr. 3 stellt nur noch mal klar, was § 164 Abs. 3 Satz 2 AO aussagt.
Nämlich das die Aufhebung des VdN eine neue Steuerfestsetzung ( obwohl sich die festgesetzte Steuer nicht ändert) darstellt.
Der Stpfl. könnte ja auch solange der VdN wirkt, jederzeit einen Antrag auf Änderung stellen. Wenn also der VdN aufgehoben wird, kann der Stpfl mit dem Einspruch letztmalig diesen „Antrag“ stellen.

Hoffe das war jetzt verständlicher

Gruss

Korrekturrecht
Hi,

Den Satz allein herausgelöst auf den zitierten Sachverhalt
anzuwenden, um nach Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts
der Nachprüfung den ursprünglichen Steuerbescheid anfechten zu
können, ist u. E. falsch.

Das ist doch Haarspalterei.

Erst gibt es einen Bescheid mit Vorbehalt der Nachprüfung. Dann ergeht ein Bescheid ohne Nebenbestimmung (=Aufhebung Vorbehalt). Dieser Bescheid ist nach der Manteltheorie der gleiche Bescheid (inhaltlich) wie der erste, nur ohne Nebenbestimmung. Der Bescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Danach kann man gegen _diesen_ Bescheid Einspruch einlegen. Man legt nicht gegen den ersten Bescheid sondern gegen den zweiten Bescheid Einspruch ein. Gründe sind egal, sachlogisch können das auch Gründe sein, die man schon gegen den ersten Bescheid hätte vorbringen können.

Jetzt ok?

Schöne Grüße
C.

Hi,

Den Satz allein herausgelöst auf den zitierten Sachverhalt
anzuwenden, um nach Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts
der Nachprüfung den ursprünglichen Steuerbescheid anfechten zu
können, ist u. E. falsch.

Das ist doch Haarspalterei.

Nö, es ist dies gerade nicht. Vielleicht gibt es ja hier Teilnehmer, die sich auf steuerrechtliche Prüfungen vorbereiten?

Erst gibt es einen Bescheid mit Vorbehalt der Nachprüfung.
Dann ergeht ein Bescheid ohne Nebenbestimmung (=Aufhebung
Vorbehalt).

Nö. Das war im Beispiel und im archivierten Beitrag nicht gegeben.

Nochmal: Es gibt einen Bescheid aus 2010 mit VdN und später, z. B. in 2013 ergeht eine Bescheid, in welchem als Festlegung nur sinngemäß drinsteht „Der Vorbehalt der Nachprüfung im Bescheid vom … 2010 wird nach § 164 … aufgehoben“

Dieser Bescheid ist nach der Manteltheorie der
gleiche Bescheid (inhaltlich) wie der erste, nur ohne
Nebenbestimmung.

Sehe ich nicht so, zumindest, was das zitierte Problem betrifft.

Der Bescheid ist mit einer
Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Danach kann man gegen
_diesen_ Bescheid Einspruch einlegen.

Ja.

Man legt nicht gegen den
ersten Bescheid sondern gegen den zweiten Bescheid Einspruch
ein. Gründe sind egal, sachlogisch können das auch Gründe
sein, die man schon gegen den ersten Bescheid hätte vorbringen
können.

Ja, danke Cirwalda. Hast ja alles schön erklärt, damit paßt ja auch die Fundstelle des AEAO dazu. Wie auch schon von mir erläutert.

Aber dieses Problem war es ja nicht. Sondern eben die separate Aufhebung des VdN irgendwann später innerhalb der FS-Frist der Steuerfestsetzung.

Jetzt nochmal alles klarer?

Mit freundlichen Grüßen

Ronald

ja es ist möglich. So hatte ich das aber auch gemeint.
Die Bestimmung „VdN“ bzw. deren Aufhebung ist eine
unselbständige Nebenbestimmung, die isoliert betrachtet nicht
angefochten werden kann.

Und warum steht dann in solchen Bescheiden eine Rechtsbehelfsbelehrung drin? Also kann man doch Einspruch einlegen.

AEAO zu § 347 Nr. 3 stellt nur noch
mal klar, was § 164 Abs. 3 Satz 2 AO aussagt.
Nämlich daß die Aufhebung des VdN eine neue Steuerfestsetzung
(obwohl sich die festgesetzte Steuer nicht ändert) darstellt.
Der Stpfl. könnte ja auch solange der VdN wirkt, jederzeit
einen Antrag auf Änderung stellen.

Ja, aber Antrag auf Änderung ist kein Einspruch.

Wenn also der VdN
aufgehoben wird, kann der Stpfl mit dem Einspruch letztmalig
diesen „Antrag“ stellen.

Also: Einspruch gegen die Aufhebung des VdN und Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung?

Mit freundlichen Grüßen

Ronald

Hallo,

wie bereits ausgeführt, kann allein gegen die Aufhebung des VdN kein Einspruch eingelegt werden.
Das Finanzamt erlässt einen Einkommensteuerbescheid unter VdN. Der Stpfl sagt sich ‚prima‘ brauch ich keinen Einspruch einlegen, kann meine noch nicht berücksichtigten Aufwendungen auch noch nächstes Jahr beantragen.
Dann geht das Finanzamt her und hebt nach Ablauf der RB-Frist den Vorbehalt auf. So hätte man dem Stpfl. seine verfahrensrechtlichen Mittel entzogen.

Rein formal gesehen ist die Aufhebung des VdN ein ‚neuer Bescheid‘, gegen den der Stpfl. vollumfänglich Einspruch einlegen kann.

Das Finanzamt könnte statt einen Bescheid über die Aufhebung des VdN auch einen z.B. Einkommensteuerbescheid ohne VdN dem Stpfl. zu kommen lassen.

Gruss

Hi,

Vielleicht gibt es ja hier
Teilnehmer, die sich auf steuerrechtliche Prüfungen
vorbereiten?

Ist mir schon klar, dass du eine exakte Antwort suchst. Mit diesem Problem haben wir uns auch rumgeschlagen und es hat heiße Diskussionen gegeben bis wir das gelöst hatten. Lass dir versichert sein, dass ich völlig sicher bin, wie der VdN zu behandeln ist. Korrekturrecht ist meine tägliche Beschäftigung. Und es macht mir Spass, da es ein scharfes Schwert ist (gegen die Steuerberater, die das nicht so genau lernen).

Nochmal: Es gibt einen Bescheid aus 2010 mit VdN und später,
z. B. in 2013 ergeht eine Bescheid, in welchem als Festlegung
nur sinngemäß drinsteht „Der Vorbehalt der Nachprüfung im
Bescheid vom … 2010 wird nach § 164 … aufgehoben“

Dieser Bescheid ist nach der Manteltheorie der
gleiche Bescheid (inhaltlich) wie der erste, nur ohne
Nebenbestimmung.

Sehe ich nicht so, zumindest, was das zitierte Problem
betrifft.

Es ist gleichwertig und hat die gleichen Rechtsfolgen, ob das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid mit Aufhebung des Vorbehalts erlässt oder nur eine Aufhebung des Vorbehalts erlässt. Auch dabei wird auf den ursprünglichen Bescheid Bezug genommen, so dass die Besteuerungsgrundlagen wiederholt sind, ohne dass sie explizit im Bescheid aufgelistet sind.

Der Bescheid ist mit einer
Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Danach kann man gegen
_diesen_ Bescheid Einspruch einlegen.

Ja.

Die Begrenzung des „soweit die Änderung reicht“ gilt erst, wenn ein bestandskräftiger Bescheid dazwischenliegt und zwar ein materiell (nicht nur formell) bestandskräftiger Bescheid.
http://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__351.html

Der Vorbehalt der Nachprüfung bewirkt, dass keine materielle Bestandskraft eintritt, d.h. das Finanzamt kann jederzeit ändern und der Steuerpflichtige kann jederzeit die Änderung beantragen. Erst mit der Aufhebung des Vorbehalt tritt materielle Bestandsdraft ein mit Bekanntgabe. Das Finanzamt ist an den Bescheid gebunden in der Form wie es ihn bekanntgegeben hat.

Aber dieses Problem war es ja nicht. Sondern eben die separate
Aufhebung des VdN irgendwann später innerhalb der FS-Frist der
Steuerfestsetzung.

Separate Aufhebung und Bescheidwiederholung mit Aufhebung ist das Gleiche.

Einspruch gegen die Aufhebung des VdN und Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung? …

nee, insgesamt nur Einspruchsbegründung, dass man noch etwas berücksichtigt haben will. Die Begründung, der VdN war ganz nett und soll wieder gelten, wird dabei abgeschmettert. Einspruchsgründe können in vollem Umfang geltend gemacht werden, also alles, was man schon gegen den ersten Bescheid hätte vorbringen können.

Die Frage ist, ob man bei Aufhebung des VdN noch gegen den ursprünglichen Steuerbescheid, für welchen die Rechtsbehelfsfrist abgelaufen ist, Einspruch einlegen kann. …

nein, aber mit den gleichen Gründen in vollem Umfang Einspruch gegen den zweiten Bescheid.
Der erste Bescheid ist formell bestandskräftig und nicht mehr anfechtbar (=nur innerhalb Rechtsbehelfsfrist), aber ist materiell wegen VdN jederzeit änderbar. Das ist aufgrund Korrekturrecht, nicht aufgrund Einspruchsrecht.
Der zweite Bescheid ist aufgrund der Aufhebung des Vorbehalts materiell bestandskräftig und wird mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist formell bestandskräftig. Er ist innerhalb der Rechtsbehelfsfrist in vollem Umfang anfechtbar.

Sagt dir die Manteltheorie nichts?

Jetzt nochmal alles klarer?

Schöne Grüße
C.

Hi,

Vielleicht gibt es ja hier
Teilnehmer, die sich auf steuerrechtliche Prüfungen
vorbereiten?

Ist mir schon klar, dass du eine exakte Antwort suchst. Mit
diesem Problem haben wir uns auch rumgeschlagen und es hat
heiße Diskussionen gegeben bis wir das gelöst hatten. Lass dir
versichert sein, dass ich völlig sicher bin, wie der VdN zu
behandeln ist. Korrekturrecht ist meine tägliche
Beschäftigung. Und es macht mir Spass, da es ein scharfes
Schwert ist (gegen die Steuerberater, die das nicht so genau
lernen).

Ich weiß, daß die meisten Steuerberater mit der AO lieber auf Kriegsfuß stehen.

Für Deine nochmaligen Ausführungen danke ich. Eigentlich wollte ich das Thema schon für erledigt erklären, denke aber, daß ich Deinen Gedanken folgen sollte.

Es hat mich eben irritiert, daß man gegen den zitierten späteren Bescheid - wörtlich gesehen - Einspruch einlegen kann, weil ‚Einspruch abgelehnt‘ für mich als Folge hat ‚dagegen kann man ja klagen‘. Und da darf es eben nicht sein, daß man da zwei Klagefenster von je einem Monat hätte.

Aber - ich denke, daß ich mit dem Verständnis in Bezug auf die Gegensätze von Einspruchsrecht und Korrekturrecht (inkl. ‚Einspruch‘ wie im hier zitierten Fall) am besten weiterkomme.

Nochmals besten Dank.

Mit freundlichen Grüßen

Ronald

Hi,

Es hat mich eben irritiert, daß man gegen den zitierten
späteren Bescheid - wörtlich gesehen - Einspruch einlegen
kann, weil ‚Einspruch abgelehnt‘ für mich als Folge hat
‚dagegen kann man ja klagen‘. Und da darf es eben nicht sein,
daß man da zwei Klagefenster von je einem Monat hätte.

Die Möglichkeit zweimal Klage einreichen zu können, gibt es nicht, da da nur eine Einspruchsentscheidung gefertigt wird. Und nur einmal Rechtsbehelfsbelehrung. siehe § 365 Abs. 3 EStG, es wird über die Steuerfestetzung in der Gestalt des letzten Bescheids entschieden.
http://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__365.html

Aber - ich denke, daß ich mit dem Verständnis in Bezug auf die
Gegensätze von Einspruchsrecht und Korrekturrecht (inkl.
‚Einspruch‘ wie im hier zitierten Fall) am besten weiterkomme.

Das muss man scharf trennen.

Schöne Grüße
C.