19. Jahrhundert - Prostituierte Haare abschneiden

Ich habe heute den Film zu dem Musical „Les Miserables“ gesehen. Im Film werden Fantine die Haare abgeschnitten, bevor sie beginnt, als Prostituierte ihr Geld zu verdienen.Nun möchte ich gern wissen, warum im 19. Jahrhundert den Frauen die Haare abgeschnitten wurden, wenn sie sich dafür entschieden haben, als Prostituierte zu arbeiten?Außerdem werden ihr Zähne gezogen. Sie bekommt für beide Sachen, Zähne und Haare, Geld. Warum wurde aus Zähnen und Haaren ein Geschäft in dieser Zeit gemacht? Warum waren diese „Körperteile“ wichtig zum Verkauf?Vielen Dank für eure Hilfe.

Ich weiß es nicht, aber  ich denke mir, dass sie unwiderrruflich als Prostituierte gekennzeichnet wurde dadurch.

Servus,

das mit den Haaren ist nicht so ganz unwiderruflich, die wachsen nach; und fehlende Zähne waren noch weit ins XX. Jahrhundert hinein so häufig, dass das keine besondere Kennzeichnung sein kann.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Hallo Luise, 

Ich muss zugeben, dass ich den Film nicht gesehen habe, doch erkläre ich mir die von dir angesprochenen Handlungen durch Hygiene und Anziehung: Im 18.Jahrhundert sah die Welt anders aus, als wir sie heute kennen, die Straßen verdienten diesen Namen nicht, Abfälle lagen überall herum und Krankheiten breiteten sich aus. Eine der größten Plagen jedoch waren die Läuse, die man z.B. durch das Pudern der berühmten Perücken zu vertreiben suchte. Daher würde ich vermuten, dass man einer Dirne die Haare schnitt, um damit die „Kunden“ vor solchem Ungeziefer zu schützen. Die Zähne zog er vermutlich, da sie verfault waren und so nicht gerade anziehend wirkten. 

Liebe Grüße, 

Adrian

Hier noch ein kleiner Nachtrag: Zähne wurden im 18. Jahrhundert vor allem zur Herstellung von Zahnprothesen bei reicheren Bürgern gebraucht!

Hallo,

meines Wissens wurden Prostituierten zu keiner Zeit die Haare abgeschnitten oder die Schneidezähne gezogen. Es wäre auch eher kontraproduktiv, weil: wer geht schon zu einer glatzköpfigen & zahnlosen Dirne…

Als Brandmarkung (von Zeiten der Hexenverfolgung einmal abgesehen) kam das - teilweise öffentlich praktizierte - Abrasieren der Haare erst während des 2. Weltkrieges auf und zwar als Strafe für Kollaborateurinnen.

Was Fantine angeht…
Nachdem sie wegen eines unehelichen Kindes die Arbeit in der Fabrik verloren hat und das Geld ausging, verkaufte sie das Letzte, was sie hatte - also ihre Zähne und ihre Haare -, damit Cosette (ihre Tochter) nicht bei den „Pflegeeltern“ rausfliegt. Die Erst danach - sie hatte absolut nichts mehr - fing sie an, sich als Prostituierte zu verdingen.

Es hatte nichts mit Zwang zu tun - Fantine sah einfach keine andere Möglichkeit.

Grüße
EP

Hi,

kleine Korrektur. Die meißten Frauen haben sich nicht bewusst für die Prostitution entschieden, es war i.d.R. (die Ausnahmen hat) eine wirtschaftliche Zwangslage oder schlichte Not. Zwar mag es Einzelfälle gegeben haben in denen die Töchter von Courtisanen (also die Creme de la Creme der Adels-Unterhalterinnen) in der Kunst der Verfühung und der Unterhaltung unterwiesen wurden, und den Job dann bewußt wählten. Aber sind wir mal ehrlich - die Tochter einer Hure hätte sich schlecht eine andere o. bessere Zukunft aufbauen können da sie sowieso ehrlos war und aus dieser Schande nie heraus kam.

Thema Haare und Zähne. Gerade die Haare waren wichtig für Prostituierte. Denn brave Frauen trugen Hauben oder strenge Flechtfrisuren. Offene Haare galten als Locksignal. Ebenso gute und helle Zähne. Courtisanen und solche Huren die etwas auf sich hielten pflegten ihren Körper.

Das Kopfscheren und Zähneziehen ist in der Story von der du sprichst der verzweifelte Versuch einer Frau die nichts mehr hat, aus den letzten Ressourcen ihres Körpers noch Geld zu machen. So verzweifelt ist sie, dass sie sich die Zähne ziehen lässt!

Das Haareabschneiden und Kopfrasieren von Frauen ist mir als Strafe für Kollaboteurinnen bekannt. Es wurde auch bei Frauen die geköpft werden sollten gemacht, damit der Henker besser treffen kann und sauberer zuschlagen. Haareabschneiden hatte vor allem auch den Zweck dem Menschen einen Teil seiner Individualität und Persönlichkeit zu nehmen. Damit gehört es bei allen Demütigungen die Menschen an Menschen vornehmen immer auch dazu.

Gruß
Helena

Hallo EP,

vorweg - ich kenne den Film (und bislang auch das Buch) nicht und kann dazu nichts sagen. Deine Erläuterung ist durchaus plausibel.

Trotzdem möchte ich hier:

meines Wissens wurden Prostituierten zu keiner Zeit die Haare
abgeschnitten

widersprechen. Es war zeitweise (wenn auch nicht überall in Europa) durchaus üblich, dass sich Prostituierte die Haare abschnitten. Das hatte z.T. den praktischen Grund, dass es das Tragen von Perücken erleichterte - anders als ‚ehrbare‘ Frauen trugen Prostituierte häufig die (falschen) Haare in der Öffentlichkeit unbedeckt (auch als Signal der Käuflichkeit), konnten sich in der Regel jedoch keine Kammerjungfer für das Frisieren leisten. Da waren Perücken einfach praktisch und ggf. die Haarfarbe einfach dem Geschmack des Kunden anzupassen.

Es gab aber auch einen anderen Grund - man vermied damit das zwangsweise (und ggf. brutal ausgeführte) Haarabschneiden. Vor allem die ehrbaren Frauen fanden es gar nicht komisch, wenn eine Prostituierte sich als ehrbare Frau ‚tarnte‘. Lange Haare (auch wenn sie bedeckt getragen wurden) waren ein Zeichen der Ehrbarkeit. Die abgeschnittenen Haare hingegen waren Zeichen der Ehrlosigkeit. Das geht auf den ersten Korintherbrief des Paulus zurück:

Jedes Weib aber, welches betet und weissagt mit unverhülltem Haupt, schändet ihr Haupt; es ist ein und dasselbe, wie wenn sie geschoren wäre! Denn wenn sich ein Weib nicht verhüllen will, so lasse sie sich das Haar abschneiden! Nun es aber einem Weibe übel ansteht, sich das Haar abschneiden oder abscheren zu lassen, so soll sie sich verhüllen.
[…]
Oder lehrt euch nicht schon die Natur, daß es für einen Mann eine Unehre ist, langes Haar zu tragen? Dagegen gereicht es einem Weibe zur Ehre, wenn sie langes Haar trägt; denn das Haar ist ihr statt eines Schleiers gegeben.

(1Kor 11.5-6, 14 - 15)

Hier liegt auch der Grund dafür, dass französische Frauen, die mit deutschen Besatzern fraternisiert hatten, nach der Befreiung durch die Straßen gehetzt wurden und der Mob ihnen zwangsweise die Haare abschnitt - sie wurden damit öffentlich als Huren gekennzeichnet.

Bei Hugo (ich schreibe dies mit Vorbehalt, da ich wie oben geschrieben den Roman nicht kenne) ist das Haareabschneiden mE durchaus schon als Verlust der bürgerlichen Ehre und Würde als Frau aufzufassen, es ist praktisch schon der ‚Einstieg‘ in die Prostitution, wenn auch noch kein unumkehrbarer.

Freundliche Grüße,
Ralf
(mag keinen Kurzhaarschnitt bei Frauen)

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Hallo Helena,

Das Kopfscheren und Zähneziehen ist in der Story von der du
sprichst der verzweifelte Versuch einer Frau die nichts mehr
hat, aus den letzten Ressourcen ihres Körpers noch Geld zu
machen. So verzweifelt ist sie, dass sie sich die Zähne ziehen
lässt!

Weißt Du auch, wer damals für gebrauchte Haare und Zähne bezahlte?
Und was wurde damit gemacht?

Danke und Gruß

Hallo,
Wenn Du den Film mit Liam Neeson und Uma Thurman meinst:
Fantine verkauft Ihre Haare, an einen Perückenmacher…
Hat also nichts mit der zur Schau stellung loser Frauen zu tun, wie es z.B. im Frankreich des 18.Jhr üblich war. 
Aus Zähnen wurden Prothesen (Gebisse) gemacht.

Bzgl. des Films kann ich EP zustimmen. Wenn man sich die Handlung des Buches anschaut, wird klar, dass sich Fantine die Haare abschneiden und Zähne entfernen lässt, um die monatlichen Raten der Thénardiers begleichen zu können. Aus dem selben Grund prostituiert sie sich auch. Das Geld geht an ihre Tochter.

Was die generelle Frage nach dem Haare abschneiden von Prostituierten im 19. Jahrhundert angeht, kann ich nicht viel sagen. Hierfür gibt es aber zig Bücher und Online-Ressourcen. Google gibt’s übrigens auch.

VG

Weißt Du auch, wer damals für gebrauchte Haare und Zähne
bezahlte?

Wer es sich leisten konnte und folgendes haben wollte:

Und was wurde damit gemacht?

Perücken und Zahnprotesen

Perücken habe ich ja vermutet, aber das die gebrauchten Zähne als Prothesen benutzt wurden… da wär ich nie drauf gekommen.

Danke Dir

Hallo,

Perücken habe ich ja vermutet, aber das die gebrauchten Zähne
als Prothesen benutzt wurden… da wär ich nie drauf gekommen.

Zahnersatz aus echten Zähnen gab es schon bei den alten Ägyptern - allerdings nur zum Gebrauch im Jenseits, d.h. er wurde Mumien eingesetzt.

Im 18. / 19. Jahrhundert war der Bedarf an Echtzähnen besonders groß - so sammelten Leichenfledderer z.B. in den napoleonischen Kriegen auf den Schlachtfeldern Zähne ein, um sie an ‚Zahnkünstler‘ zu verkaufen. Im englischen Sprachraum setzte sich nicht ganz zufällig für Gebisse mit Echtzähnen die Bezeichnung ‚Waterloo teeth‘ durch - besagte Schlacht hatte mit ihren 53.000 Toten für Tonnen von Material gesorgt. In weniger ergiebigen Zeiten wurden auch schon mal illegal Gräber geöffnet und gefleddert.

Freundliche Grüße,
Ralf

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hi!

Freundliche Grüße,
Ralf
(mag keinen Kurzhaarschnitt bei Frauen)

Danke für den Hinweis, nur liest sich das im Kontext deines (sehr interessanten) Beitrages nicht gerade schmeichelhaft oO

lg
Kate

Hi Kate,

(mag keinen Kurzhaarschnitt bei Frauen)

Danke für den Hinweis, nur liest sich das im Kontext deines
(sehr interessanten) Beitrages nicht gerade schmeichelhaft oO

nun ja - ich versuche Frauen, die sich die Haare kurz schneiden lassen, weil das „so praktisch ist“ und so flott / witzig usw. … [hier passendes Adjektiv einsetzen] aussieht manchmal klar zu machen, dass das Schlampenfrisuren sind. Scheint die aber nicht weiter zu stören …

Freundliche Grüße,
Ralf
(der durchaus Frauen trotz Kurzhaarschnitt mag)
(die meisten jedenfalls …)

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MOD: Räusper
Wertes Auditorium
Die Bewertung moderner Kurzhaarschnitte bei Frauen bitte ich in den geeigneten Brettern vorzunehmen. Das bedeutet:
Hier nicht!

Danke
Mike
[MOD]