1914 'Option Ost'

Hi!

Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wird aus deutscher Sicht immer der Schlieffen-Plan verknüpft:

  • Sieben Armees offensiv im Westen
  • Eine Armee defensiv in Osten
  • schneller Vorstoß im Westen unter Verletzung der Neutralität Belgiens und Luxemburgs, um in einer gigantischen Kesselschlacht die französischen Truppen zu vernichten

Was darauf geworden ist, kann man in den Geschichtsbüchern nachlesen.

Nun habe ich vor wenigen Tagen von einer so genannten „Option Ost“ gehört, die es angeblich in der Obersten Heeresleitung gegeben hat, aber zugunsten des Schlieffen-Plans verworfen wurde. Diese „Option Ost“ nahm wesentlich stärkeren Bezug auf die politischen Gegebenheiten als der Schlieffen-Plan und soll etwa so ausgesehen haben:

  • drei Armeen defensiv im Westen
  • fünf Armeen offensiv im Osten
  • keine Kriegserklärung an Frankreich oder Großbritannien
  • schneller Vorstoßt im Osten, um Russland zu besiegen
  • als Folge des Sieges im Osten staatliche Selbstständigkeit für Polen, das Baltikum und Finnland mit entsprechender politischer Bindung an das Deutsche Reich

Dieser Plan scheiterte angeblich nicht an einer Nichtdurchführbarkeit, sondern am Widerstand des Kaiserhauses und des ihm ergebenen Hochadels, weil die Folge eine Stärkung des Parlamentes wäre (evtl. mit Umwandlung des Reiches hin zu einer parlamentarischen Monarchie). Denn diese „Option Ost“ würde den konservativsten Staat, Russland, beseitigen, während die parlamentarischen Staaten wie Frankreich und Großbritannien (und die USA in der Ferne) ungeschoren bestehen blieben.

Das Interessante an dieser „Option Ost“ ist die Tatsache, dass die Ereignisse von 1914 sie tatsächlich möglich gemacht hätten. Das parlamentarische Frankreich hätte sich schwer getan mit einer Kriegserklärung gegen das Deutsche Reich, und die Verletzung der belgischen Neutralität hätte durch Frankreich und nicht Deutschland erfolgen müssen - was Großbritannien in höchste Erklärungsnot gebracht hätte. Außerdem wären die USA gegenüber Deutschland wesentliche positiver ausgerichtet, da das totalitäre Russland beseitigt wurde.

Hat jemand von dieser „Option Ost“ für 1914 gehört?

Grüße
Heinrich

Hallo Heinrich,

Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wird aus deutscher Sicht
immer der Schlieffen-Plan verknüpft:
Nun habe ich vor wenigen Tagen von einer so genannten „Option
Ost“ gehört, die es angeblich in der Obersten Heeresleitung
gegeben hat, aber zugunsten des Schlieffen-Plans verworfen
wurde. Diese „Option Ost“ nahm wesentlich stärkeren Bezug auf
die politischen Gegebenheiten als der Schlieffen-Plan und soll
etwa so ausgesehen haben:

  • drei Armeen defensiv im Westen
  • fünf Armeen offensiv im Osten
  • keine Kriegserklärung an Frankreich oder Großbritannien
  • schneller Vorstoßt im Osten, um Russland zu besiegen
  • als Folge des Sieges im Osten staatliche Selbstständigkeit
    für Polen, das Baltikum und Finnland mit entsprechender
    politischer Bindung an das Deutsche Reich

Hat jemand von dieser „Option Ost“ für 1914 gehört?

Vielleicht ist damit der Plan des älteren Moltke (Helmuth Karl Bernhard von Moltke) gemeint, zuerst im Osten aggresiv anzugreifen und im Westen defensiv zu bleiben, auch als „Grosser Ostaufmarch“ bezeichnet.
http://www.geschichtsforum.de/f58/grosser-ostaufmars…
http://212.227.62.226/geschichtsforum/f62/grosser-au…
Dieser Plan wurde dann zugunsten des Schlieffen-Plans verworfen, ironischerweise auch von Moltke dem jüngeren (Helmuth Johannes Ludwig von Moltke), dem Neffen von Moltke dem älteren.
Näheres dazu findest Du auch in dem Buch von Annika Mombauer: Helmuth von Moltke and the origins of the First World War.Cambridge: Cambridge Univ.Press 2001, ISBN 0-521-79101-4 Buch anschauen dort auf den Seiten 100 -105.

Viele Grüsse
Klaus Bernstein

Hallo Heinrich,

Nun habe ich vor wenigen Tagen von einer so genannten „Option
Ost“ gehört, die es angeblich in der Obersten Heeresleitung
gegeben hat, aber zugunsten des Schlieffen-Plans verworfen
wurde. Diese „Option Ost“ nahm wesentlich stärkeren Bezug auf
die politischen Gegebenheiten entsprechender
politischer Bindung an das Deutsche Reich…

Die Pläne, vom älteren Moltke und dem Grafen Waldersee gingen von der schwierigen Lage Deutschlands zwischen Frankreich einerseits (nach Niederlage 1870/71 war Frankreich ein unversöhnlicher Feind) und Rußlands andererseits, das seit langem mit Frankreich befreundet war, aus. Die Überlegung hieraus: schlimmstenfalls folgt bei Kriegsausbruch ein Zweifrontenkrieg.
Ein Erfolg gegen Frankreich hielten die beiden Generalstäbler für unwahrscheinlich, da Frankreich von einer starken Festungskette geschützt war. Sie gelangten deshalb zu dem Ergebnis, das deutsche Heer im Westen - den Rhein als Barriere gegen eine französische Offensive nutzend - nur defensiv einzusetzen und die Hauptkräfte im Osten aufmarschieren zu lassen mit dem begrentzen! Ziel, bald nach dem Überschreiten der russischen Grenze eine Verteidigungslinie aufzubauen. Die Russen nach einem Sieg in Polen bis ins Landesinnere zu verfolgen, schrieb Moltke 1879, liege nicht im deutschen Interesse.

Dieser Plan scheiterte angeblich nicht an einer
Nichtdurchführbarkeit, sondern am Widerstand des Kaiserhauses
und des ihm ergebenen Hochadels, weil die Folge eine Stärkung
des Parlamentes wäre (evtl. mit Umwandlung des Reiches hin zu
einer parlamentarischen Monarchie). Denn diese „Option Ost“
würde den konservativsten Staat, Russland, beseitigen, während
die parlamentarischen Staaten wie Frankreich und
Großbritannien (und die USA in der Ferne) ungeschoren bestehen
blieben.

Die Situation als Moltke der jüngere sich mit dem Ost-Plan, den er schnell verworfen hatte, und dem Schlieffen-Plan beschäftigte hatte sich stark verändert.
Erstens sicherte Österreich-Ungarn zu Russisch-Polen anzugreifen. Das hieß defacto das Russland auch in einen Zweifrontenkrieg verwickelt wäre, nämlich an einer polnischen Südfront mit einer starken österreichischen Präsenz und einer polnischen Westfront mit einer schwächeren vorübergehenden deutschen Präsenz. Die Annahme der Langsamkeit einer Mobilmachung Russland rechtfertigte die Überlegung Moltkes, daß eine offensive österreich-russische Front und eine defensive deutsch-russische Front, vorübergehend ausreichen würde im Westen starke Truppenpräsenz zu gewährleisten.

Das Interessante an dieser „Option Ost“ ist die Tatsache, dass
die Ereignisse von 1914 sie tatsächlich möglich gemacht
hätten. Das parlamentarische Frankreich hätte sich schwer
getan mit einer Kriegserklärung gegen das Deutsche Reich, und
die Verletzung der belgischen Neutralität hätte durch
Frankreich und nicht Deutschland erfolgen müssen - was
Großbritannien in höchste Erklärungsnot gebracht hätte.
Außerdem wären die USA gegenüber Deutschland wesentliche
positiver ausgerichtet, da das totalitäre Russland beseitigt
wurde.

Die Lage war durchaus schon 1912-13 bedrohlich denn Großbritannien band sich in langsamen Schritten immer mehr an Frankreich. Die Bedrohung aus dem Westen war für Moltke d.J. viel akuter und bedrohlicher als die mögliche Front im Osten. Es kam für Ihn darauf an, rasch zuzuschlagen, bevor die Anlandung des britischen Expeditionsheeres sich voll entwickelt hatte.

Deine Argumentation bezweifle ich stark. Würde Deutschland Russland zuerst angreifen und gesetzt der Fall, Frankreich erklärt vorerst nicht den Krieg, sehen sich dennoch Frankreich und Großbritannien einer massiven Gefahr seiner Grenzen ausgesetzt. Frankreich tut alles daran, seine Grenzen zu stärken und mobilisiert die Truppen. Großbritannien um das gleichgewicht auf dem Kontinent besorgt entsendet ein Expeditionsheer nach Frankreich um einer möglichen Invasion Deutschlands nach Frankreich zu begegnen. Belgien das zwar neutral ist, aber sich dieser Neutralität nicht sicher sein kann, wird eher Frankreich seine Grenzen öffnen, denn Deutschland. Somit besteht für Deutschland ein Zeitproblem. Deutschland muss seinerseits die Westgrenzen sichern. Während den Kämpfen im Osten, wird es immer unwahrscheinlicher einen Kampf im Westen zu gewinnen, da sich dort immer mehr französische und britische Truppen konzentrieren. Das Ungleichgewicht gerät immer größer, da die deutschen Kräfte an der Westfront schwach sind. Die Gefahr eines Präventivangriffes Frankreichs steigt somit proportional mit der zunahme der Stärke der allierten Truppen.

Dies hat wenig mit der Staatsform der jeweilig beteiligten Länder zu tun.

Gruß Mirko

Hallo

Grau ist alle Theorie.

Die deutsche Heeresplanung wurde vom Generalstab durchgeführt und vom Kaiser abgesegnet, Das Parlament hatte damit absolut nichts zu schaffen. Abgesehen davon hätte im Falle eines Sieges das Ganze auch absolut keine Auswirkungen auf die Regierungsform in Deutschland gehabt - im Gegenteil. Das Kaiserhaus wäre daraus höchstens gestärkt hervorgegangen. Und eine russische Revolution lag eh nicht im deutschen Interesse - auch bei einer russischen Niederlage stand eine Entmachtung des Zaren nicht zur Debatte.

Aber viel wichtiger ist etwas anderes - und das wird meist vergessen. Frankreich war verpflichtet, zugunsten Rußlands in den Krieg enzutreten. Das ergab sich einfach aus den vertraglichen Gegebenheiten. Und mit Frankreich mußte auch England in den Krieg eintreten. Die gabze velgiscge Geschichte spielte da absolut keine Rolle - die Entente war zur gegenseitigen militärischen Unterstützung einmfach verpflichtet. Deutschland mußte also die Masse seiner kräfte im westen einsetzen - eine andere Option stnad gar nicht. Ansonsten hätte die Gefahr bestanden, daß bei einem französischen Vormarsch das Rheinland verlorengeht und dessen Industrie und Rohstoffe waren einfach zu wichtig.
Dagegen war die Gefahr im Osten geringer - ein zeitweiliger Vorstoß Rußlands nach Ostpreußen hatte kaum wirtschaftliche Auswirkungen auf das Reich. Zudem waren die Russen ja auch schon mit den Österreichern beschäftigt, während im Westen Deutschland alleine an der Front stand.
Eine Unabhängigkeit Polens - wie hätte die denn aussehen sollen? Deutschland hätte freiwillig nicht auf eine Landverbindung nach Ostpreußen verzichtet und ein polnischer Staat ohne Zugang zur Ostsee wäre von Beginn an eine Lachnummer geworden. Und nach Finnland hat eh keiner gekräht. Das war ja früher mal schwedisch, ehe es russisch wurde - ob Finnalnd da nun russisch oder sontwas war, das hat außer den Finnen selber keine Sau interessiert in Europa.

Genau genommen hatte Deutschland im Osten gar keine Interessen. In Rußland war nichts zu holen - außer kalte Füße. Deutschland ging es einfach darum, die Konkurrenten Frankreich und England kleiunzuhalten bzw. auszuschalten - das war alles. Aber da die Österreicher nun mal den blöden Krieg um Serbien führen wollten und da Rußland da automatisch mit dran hing, ging es halt nicht anders.

Gernot Geyer

Unter Moltke dem Älteren sah der Generalstab vor, sowohl im Westen wie auch im Osten defensiv zu bleiben.
Unter Waldersee sah man zumindest eine Offensive im Osten vor.
von Schlieffen entwarf zum ersten Mal Pläne für eine westliche Offensive! Erst später, unter Moltke dem Jüngeren, wurden 1913 die letzen Pläne für Ostoperationen einkassiert. In einem gut geführten Staat wäre so was bestraft worden.

Die dt. Politik sah die Serbien-Österreich-Krise als einen Glücksfall an. Dies war eine der wenigen Möglichkeiten, die dünne Nahtstelle zwischen Russland und England bzw. England Frankreich zu trennen, und zwar im Osten. Dies setzte aber vorraus, das England defensiv gehalten würde. Und dies wäre ja auch der Fall gewesen. Laut dt. Politik sollte Österreich Serbien angreifen, Russland dann Österreich, Dt. hilft Österreich, und falls Frankreich in den Krieg zieht, dann hätte man im Westen defensiv bleiben müssen. Die dt. Befestigungen im Elsass-Lothringen waren sehr stark, die Franzosen hätten sich nur die Köpfe blutig eingschlagen. Außerdem wäre Frankreich als ein Aggressor angesehen worden, amerikansiche Kredite wären FR eher nicht zugute gekommen. England wäre so neutral geblieben, keine Seeblockade, kein Hunger usw.

Und militärisch wäre Russland schnell gefallen. Aber die dt. Mitilärs machten der Politik einen dicken Strich durch die Rechnung, im Nachhin betrachtet leider, leider!