Hallo Heinrich,
Nun habe ich vor wenigen Tagen von einer so genannten „Option
Ost“ gehört, die es angeblich in der Obersten Heeresleitung
gegeben hat, aber zugunsten des Schlieffen-Plans verworfen
wurde. Diese „Option Ost“ nahm wesentlich stärkeren Bezug auf
die politischen Gegebenheiten entsprechender
politischer Bindung an das Deutsche Reich…
Die Pläne, vom älteren Moltke und dem Grafen Waldersee gingen von der schwierigen Lage Deutschlands zwischen Frankreich einerseits (nach Niederlage 1870/71 war Frankreich ein unversöhnlicher Feind) und Rußlands andererseits, das seit langem mit Frankreich befreundet war, aus. Die Überlegung hieraus: schlimmstenfalls folgt bei Kriegsausbruch ein Zweifrontenkrieg.
Ein Erfolg gegen Frankreich hielten die beiden Generalstäbler für unwahrscheinlich, da Frankreich von einer starken Festungskette geschützt war. Sie gelangten deshalb zu dem Ergebnis, das deutsche Heer im Westen - den Rhein als Barriere gegen eine französische Offensive nutzend - nur defensiv einzusetzen und die Hauptkräfte im Osten aufmarschieren zu lassen mit dem begrentzen! Ziel, bald nach dem Überschreiten der russischen Grenze eine Verteidigungslinie aufzubauen. Die Russen nach einem Sieg in Polen bis ins Landesinnere zu verfolgen, schrieb Moltke 1879, liege nicht im deutschen Interesse.
Dieser Plan scheiterte angeblich nicht an einer
Nichtdurchführbarkeit, sondern am Widerstand des Kaiserhauses
und des ihm ergebenen Hochadels, weil die Folge eine Stärkung
des Parlamentes wäre (evtl. mit Umwandlung des Reiches hin zu
einer parlamentarischen Monarchie). Denn diese „Option Ost“
würde den konservativsten Staat, Russland, beseitigen, während
die parlamentarischen Staaten wie Frankreich und
Großbritannien (und die USA in der Ferne) ungeschoren bestehen
blieben.
Die Situation als Moltke der jüngere sich mit dem Ost-Plan, den er schnell verworfen hatte, und dem Schlieffen-Plan beschäftigte hatte sich stark verändert.
Erstens sicherte Österreich-Ungarn zu Russisch-Polen anzugreifen. Das hieß defacto das Russland auch in einen Zweifrontenkrieg verwickelt wäre, nämlich an einer polnischen Südfront mit einer starken österreichischen Präsenz und einer polnischen Westfront mit einer schwächeren vorübergehenden deutschen Präsenz. Die Annahme der Langsamkeit einer Mobilmachung Russland rechtfertigte die Überlegung Moltkes, daß eine offensive österreich-russische Front und eine defensive deutsch-russische Front, vorübergehend ausreichen würde im Westen starke Truppenpräsenz zu gewährleisten.
Das Interessante an dieser „Option Ost“ ist die Tatsache, dass
die Ereignisse von 1914 sie tatsächlich möglich gemacht
hätten. Das parlamentarische Frankreich hätte sich schwer
getan mit einer Kriegserklärung gegen das Deutsche Reich, und
die Verletzung der belgischen Neutralität hätte durch
Frankreich und nicht Deutschland erfolgen müssen - was
Großbritannien in höchste Erklärungsnot gebracht hätte.
Außerdem wären die USA gegenüber Deutschland wesentliche
positiver ausgerichtet, da das totalitäre Russland beseitigt
wurde.
Die Lage war durchaus schon 1912-13 bedrohlich denn Großbritannien band sich in langsamen Schritten immer mehr an Frankreich. Die Bedrohung aus dem Westen war für Moltke d.J. viel akuter und bedrohlicher als die mögliche Front im Osten. Es kam für Ihn darauf an, rasch zuzuschlagen, bevor die Anlandung des britischen Expeditionsheeres sich voll entwickelt hatte.
Deine Argumentation bezweifle ich stark. Würde Deutschland Russland zuerst angreifen und gesetzt der Fall, Frankreich erklärt vorerst nicht den Krieg, sehen sich dennoch Frankreich und Großbritannien einer massiven Gefahr seiner Grenzen ausgesetzt. Frankreich tut alles daran, seine Grenzen zu stärken und mobilisiert die Truppen. Großbritannien um das gleichgewicht auf dem Kontinent besorgt entsendet ein Expeditionsheer nach Frankreich um einer möglichen Invasion Deutschlands nach Frankreich zu begegnen. Belgien das zwar neutral ist, aber sich dieser Neutralität nicht sicher sein kann, wird eher Frankreich seine Grenzen öffnen, denn Deutschland. Somit besteht für Deutschland ein Zeitproblem. Deutschland muss seinerseits die Westgrenzen sichern. Während den Kämpfen im Osten, wird es immer unwahrscheinlicher einen Kampf im Westen zu gewinnen, da sich dort immer mehr französische und britische Truppen konzentrieren. Das Ungleichgewicht gerät immer größer, da die deutschen Kräfte an der Westfront schwach sind. Die Gefahr eines Präventivangriffes Frankreichs steigt somit proportional mit der zunahme der Stärke der allierten Truppen.
Dies hat wenig mit der Staatsform der jeweilig beteiligten Länder zu tun.
Gruß Mirko