30 Jähriger Krieg.Warum gabs keinen Sieger?

Hi zusammen,

aktuell beschäftige ich mich mit dem 30 Jährigen Krieg

Warum haben es die Katholiken nicht geschafft in einem so grossen Zeitraum die protestantische Konkurrenz wegzutilgen? Im Gegensatz zu den Kreuzzügen wo der Papst mit einem Dekret zehntausende Ritter tausende Kilometer in den Krieg geschickt hat war doch Europa eher Heimspiel.

Danke für eure Mühe

Asi

Hallo,

das ist eine sehr komplexe Frage.
Ich bleibe mal kurz und oberflächlich.

Warum haben es die Katholiken nicht geschafft in einem so
grossen Zeitraum die protestantische Konkurrenz wegzutilgen?

Weil andere Mächte von aussen gewaltige Kräfte investierten um
dies zu verhindern und es dadurch zu einem Machtgleichgewicht
und letztlich zu einer Erschöpfung aller kam.

Im Gegensatz zu den Kreuzzügen wo der Papst mit einem Dekret
zehntausende Ritter tausende Kilometer in den Krieg geschickt
hat war doch Europa eher Heimspiel.

Der Vergleich hat so seine Tücken …

Zur Zeit der Kreuzzüge waren alle Protestanten noch brave
Katholiken und machten mit bei den Kreuzzügen.

An den Kreuzzügen waren wesentlich mehr Staaten beteiligt:
England, Frankreich und Deutschand. Der 30jährige Krieg
dagegen war eine innerdeutsche Sache unter Einmischung
anderer.

Es waren selten mehr als tausend Ritter (plus Kriegsknechte)
im heiligen Land im Krieg. Die Kreuzzüge widerum waren kurze
Expeditionen.

Verkehrstechnisch ist das heilige Land von Italien aus leichter
zu erreichen als Böhmen.

Von der ursprünglichen (Streit-)Macht des Papstes hatten die
Pest und die Bauernkriege einiges vernichtet.

Für die Kreuzzüge hatte es weltliche (Land, eigene neue Staaten)
und geistliche Belohnungen gegeben … beides lockte SO im 30jä.
Krieg nicht mehr. Für einen Sündenablass liess sich da keiner
mehr den Schädel einhauen.

Der Übergang vom Lehnsheer zum bezahlten Landsknecht fand
zwischen beiden Kriegen statt.

Die wirtschaftliche Basis der Kreuzzüge war eine Bevölkerungs-
expolsion in Westeuropa in Folge der ‚Benediktinischen Reformen‘
gewesen … tausende ‚nachgeborener‘ Adeligen suchten Land und
Beschäftigung. der 30jährige Krieg fand bei stagnierender
Bevölkerung (Pest!) statt.

Wenn man die Kreuzzüge als Bezug nimmt war der 30jährige Krieg
ein Bürgerkrieg, bei dem sich 1/3 raushielt und der Rest nicht
mit ausreichender Übermacht auf der katholischen Seite stand.

Und zuallem: Der Papst war mittlerweile zur Witzfigur verkommen
(Stichwort Borgiapapste).

Viele Grüße

Jake

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Das sollte alle deine Fragen beantworten :smile:

LG
-Mike-

Warum haben es die Katholiken nicht geschafft in einem so
grossen Zeitraum die protestantische Konkurrenz wegzutilgen?
Im Gegensatz zu den Kreuzzügen wo der Papst mit einem Dekret
zehntausende Ritter tausende Kilometer in den Krieg geschickt
hat war doch Europa eher Heimspiel.

Hallo,

Du gehst von der irrigen Annahme aus, dass der Dreißigjährige Krieg in erster Linie ein innerdeutscher Religionskrieg war. Das war er mitnichten, denn die militärischen und wirtschaftlichen Ressourcen der deutschen Staaten und Stätchen hätten bei weitem nicht ausgereicht, sich selbst dreißig Jahre lang in die Fresse zu hauen, und noch dazu für ein Prinzip, das schon in der Renaissance erheblich an Strahlkraft verloren hatte.

Sicher waren religiöse Zwistigkeiten im Reich der unmittelbare Auslöser und auch der willkommene Kriegsgrund, wenn man sich aber die kriegführenden Parteien ansieht, und zwar von den beteiligten Mächten bis hinunter zum einzelnen Landsknecht, dann wird man feststellen, dass keineswegs nur Protestanten für die protestantische Sache kämpften und keineswegs nur Katholiken für die katholische Sache.

In Wirklichkeit ging es nämlich darum, dass im Laufe der vorangegangenen hundert Jahre in Mitteleuropa das durch Schisma und überseeische Machtpolitik Habsburgs in Mitteleuropa entstandene Machtvakuum wieder zu füllen. Und da gab es vor allem zwei Großmächte, die glaubten, sich eine dicke Scheibe für sich abschneiden zu können, was sie dann auch beide getan haben und unsofern durchaus Sieger dieses Krieges sind: Das katholische Frankreich und das protestantische Schweden, und zwar wohlgmerkt als Verbündete gegen Habsburg. Das alles zwar um den Preis eines von diesen Mächten mehrfach künstlich verlängerten und am Ende dreißig Jahre währenden Völkermords, verübt von einer in ganz Europa zusammengekaufen Soldateska an 12 Millionen toter deutscher Zivilisten, aber was scherte das die Grandeur der Sieger? 1648 war Deutschland in einem Zustand, verglichen mit dem die „Stunde Null“ 1945 nur als paradiesisch bezeichnet werden kann.

Der deutsche Militarismus und seine Folgen (damit eigentlich die ganze neuere deutsche Geschichte bis 1945) sind nur zu verstehen, wenn man lernt, welches nationale Trauma die Erfahrung angerichtet hat, im dreißigjährigen Krieg und eigentlich bis einschließlich Napoleon nicht zu geordnetem Widerstand gegen fremde Marodeure fähig gewesen zu sein.

Gruß
smalbop

Wie schon geschildert wurde, ist es ein Fehler, den 30 jährigen Krieg als Religionskrieg von Protestanten gegen Katholiken verstehen zu wollen. Weder auf Staatsebene noch auf Personalerebene hilft das weiter. Wie schon beschrieben wurde, war das mächtigste Militärbündnis Frankreich+Schweden, also eine katholische und protestantische Macht vereint. Genauso machte es einem Protestanten X nicht viel aus, für den katholischen Herrscher Y zu kämpfen, wenn dieser den Sold pünktlich und reichlich fließen ließ.

Stattdessen war der Krieg eine Sammlung unzähliger kleiner Konflikte, die sich immer enger miteinander verwoben und am Ende zu einem solch unentwirrbaren Knoten wurden, dass der Westpfälische Friede praktisch alle Konflikte und Streitereien Europas auf einmal lösen musste.

Beispielsweise musste Spanien zuvor die Unabhängigkeit der Niederlande hinnehmen, wodurch die spanischen Niederlande (das heutige Belgien, so ungefähr) abgeschnitten waren. Spanien war also daran interessiert, von den Besitztümern in Norditalien eine Art Landbrücke nach Belgien zu schlagen. Das hätte jedoch Frankreich von einer direkten deutschen Grenze beraubt und zudem dafür gesorgt, nun von allen Seiten von Habsburgischen Landen umgeben zu sein. Dadurch wurde jede kleine Gebietsveränderung in Burgund/Elsass direkt zu einer Frage von weltpolitischer Bedeutung.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Spanische_Straße)

Solche Beispiele lassen sich zu Hauf finden. Der Erbfolgestreit in Kleve ist eigentlich vollkommen uninteressant, da er sich aber mit anderen, dynastischen Fragen verband, wurde er beinah zu dem Pulverfass, was Europa dann letztendlich in Prag entzündet hat.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Jülich-Klevischer_Erbfo…)

Etc, pp…

Die Frage, warum der Krieg so lange gedauert hat und es keinen Sieger gab, lässt sich also eigentlich ganz einfach beantworten. Weil der Krieg so komplex und vielschichtig war, dass eine Partei ihn gar nicht hätte gewinnen können. Am besten kommt noch Frankreich weg, und die sind ja auf dem ersten Blick eigentlich gar kein Akteur im innerdeutschen Protestanten-gegen-Katholiken Konflikt…

Es ging zwar in erster Linie um die Durchsetzung der Religion, doch war das wohl eher das Kostüm. Es ging um Macht und Hoheitsgebiete. Es ist schon eine Weile her, dass ich das alles studiert habe, aber soviel weiss ich noch, man kann diesen Krieg durchaus als Weltkrieg bezeichnen. Nun hat der Krieg so lange gedauert, weil

  • Er hatte viele Unterbrechungen
  • Die Machtverhältnisse habe of gewechselt (Einige Teilnehmer haben die Lager gewechselt
  • auf allen Seiten gab es riesige Resourcen
  • das Schlachtfeld war in erster Linie Deutschland, der NAchsachub kam aber von außerhalb
  • Menschewnreserven und Kriegsproduktion wurden nicht genügend angegriffen

Sicherlich gibt es noch mehr Gründe

HEIMSPIEL in Europa: Wer? Schweden, HAbsburger, Franzsoen, Katholiken, Protestanten …Alles klar - Jede Partei hatte Heimvorteil. Und nebenbei ist es nicht angebracht Kreuzzüge mit diesem Krieg zu vergleichen.
Gruß Micha

Der deutsche Militarismus und seine Folgen (damit eigentlich
die ganze neuere deutsche Geschichte bis 1945) sind nur zu
verstehen, wenn man lernt, welches nationale Trauma die
Erfahrung angerichtet hat, im dreißigjährigen Krieg und
eigentlich bis einschließlich Napoleon nicht zu geordnetem
Widerstand gegen fremde Marodeure fähig gewesen zu sein.

Der deutsche Militarismus - den es eigentlich gar nicht gibt. Es gab ihn auch in der Neuzeit nicht. Wird aber immer gerne behauptet.

Frankreich ud Österreich sowie Schweden verdienten an ihrem Krieg, und die Deutschen kriegten die Kriegsschuld. Das war das Ergenbis des Friedens von Osnabrück und Münster. Und von 1914, nur so nebenbei.

Hätte jemand die Habsburger alle ausgerottet, wäre die Geschichte friedlicher verlaufen.

Hi Priamos,

Der deutsche Militarismus - den es eigentlich gar nicht gibt. Es gab ihn auch in der Neuzeit nicht. Wird aber immer gerne behauptet.

„Militarismus“: die Tatsache, dass eine ganze Gesellschaft sich an militärischen Bräuchen orientiert, militärische Ehrenvorstellungen pflegt, bereits Kinder am liebsten uniformiert sieht usw., ohne dass sie deshalb notwendig kriegslüstern (bellizistisch) sein müsste;

Mag ja sein, daß Nutzen und Kriegsschuld nicht in Deutschland lagen, aber der Wilhelminismus und das dritte Reich waren die ultimativen „Prototypen“ für militaristische Gesellschaften.

Es hat schon seinen Sinn, daß weltweit die Pickelhaube ein Symbol dafür ist.

Hätte jemand die Habsburger alle ausgerottet, wäre die Geschichte friedlicher verlaufen.

…oder irgendwelche anderen Irren hätten zum Besseren ODER Schlechteren ihren Platz eingenommen…

Gruß
Nick H