§307 Inhaltskontrolle & Konsequenzen

Hallöchen,

folgende Situation:

Ein AN hat einen Vertrag, der folgende Paragraphen, aber auch eine Salvatorische Klausel enthält:

§3 Tätigkeitsbereich
Der AN arbeitet als Software-Entwickler, Tester, Analyst oder ähnlichen Funktionen im Unternehmen oder für die Kunden des Unternehmens.

§4 Arbeitssitz
Arbeitssitz ist eine der Filialen des Unternehmens. Der AG kann den AN auch im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an Kunden vermitteln. In diesem Fall wird Arbeitssitz der Standort des Kunden.

§5 Gehalt
Für die Tätigkeit werden AN €3500 brutto pro Monat, zahlbar am Monatsletzten, gewährt.
Mit diesem Gehalt sind Überstunden abgegolten.

§6 Arbeitszeit
Die Wochenarbeitszeit wird auf 40 Stunden festgelegt.
Sofern es der Betrieb erfordert, hat der Mitarbeiter Überstunden zu leisten.
Freiwillige Überstunden werden nicht als Arbeitszeit angerechnet.
Wird der Mitarbeiter im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung bei einem Kunden eingesetzt, hat er die Arbeitszeit den Wünschen des Kunden anzupassen.

§7 Dienstreisen
Dienstreisezeit zählt nicht als Arbeitszeit.
Für angeordnete Dienstreisen werden die Fahrtkosten vom AG erstattet.

§8 Urlaub
Der AN erhält nach Ablauf der Probezeit Anspruch auf 20 Urlaubstage pro Kalenderjahr.

_____

So, jetzt die Frage:
Da ja hier in Bezug auf die Inhaltskontrolle so ziemlich alles Grütze ist, unter welchen Bedingungen arbeitet AN dann tatsächlich?

Ich vermute, AN könnte sich auf einen Tätigkeitsschwerpunkt festlegen, Überstundenausgleich einfordern und hat auch mindestens 25 Urlaubstage pro Jahr.
Aber wie sieht es bei den anderen Punkten aus?

Es ist ja nicht mal der Paragraph mit dem Gehalt gültig, da er einen Abschnitt enthält, der definitiv gegen geltendes Recht verstößt ist.

Gruß und Danke,
Michael

wenn § 5 S.1 unwirksam wäre (was er nicht ist, blue pencil test, nur S.2 ist im zweifel unwirksam), dann wäre der AN so zu vergüten, wie es üblich ist.
§§ 3,4 sind wirksam.
§ 6 (vor allem S.1) ist grds. ebenfalls wirksam.
§§ 7, 8 sind unwirksam, es gilt das burlg bzw die reise ist zu vergüten, wenn sie in die arbeitszeit fällt.

wo ist das problem ?

§§ 3,4 sind wirksam.

Bei §3 ist es schon ein bisschen was Anderes, ob man als Analyst oder als „etwas Ähnliches“ arbeitet, solange „Ähnlich“ im Ermessen des Arbeitgebers liegt. So wäre auch ein Projektleiter mit Personalverantwortung etwas „Ähnliches“, wobei die Vergütungsklasse dieser Position normalerweise leicht anders aussieht.
Aber wie auch immer. Dann darf man sicher auch im Kaufvertrag einen Porsche „oder Ähnliches“ verkaufen und dann einen Mazda übergeben… ist ja so was „Ähnliches“?

Bei §4 sehe ich das als klassische „Überraschungsklausel“: Wie ist es rechtswirksam, wenn der AG sich das Recht vorbehält, dem AN zu sagen „Wir möchten uns nicht festlegen, wo Dein Arbeitssitz ist, aber Du hast selbst dafür zu sorgen, dass wo immer wir morgen wollen, dass Du bist, selbst hinkommst (denn die Fahrt zum Arbeitssitz ist Privatvergnügen)“ Wie soll der AN denn so überhaupt irgend etwas planen?

§ 6 (vor allem S.1) ist grds. ebenfalls wirksam.

Was heißt das, wenn Kunde meint „Och, wir hätten Dich gerne für 10 Stunden an 6 Tagen die Woche“ dann hat der Mitarbeiter plötzlich keine 40-Stunden-Woche mehr, sondern eine 60-Stunden-Woche: und das ist keine intransparente Überraschungsklausel?
Ich bin kein Jurist, aber sehe den Paragraphen zumindest schon mal im Widerspruch zum AÜG, was regelt, dass Leiharbeiter die gleichen Arbeitsbedingungen haben müssen wie die Festangestellten des Entleihers. Hat ein Kunde darüberhinaus gehende „Bedürfnisse“ (insbesondere Überschreitung der 48-Stunden-Grenze und Urlaubssperren), sind diese in Konflikt zu externen Gesetzen, also kann die Klausel gar nicht rechtens sein?

§§ 7, 8 sind unwirksam, es gilt das burlg bzw die reise ist zu
vergüten, wenn sie in die arbeitszeit fällt.

Das wird insbesondere in der Kombination mit dem nicht festgeschriebenem, vom AG jederzeit flexibel wählbaren Arbeitsort zum Problem.
Nämlich, wenn AG sich entscheidet, AN so einzusetzen, dass dessen Arbeitsort mehrere Stunden vom Wohnort entfernt ist … denn die Reisezeit zum Arbeitsort ist schließlich „Freizeit“.

wo ist das problem ?

Ist ja weniger ein Problem als eine Lose-Fragen-Sammlung.

Wie genau sieht der Arbeitsvertrag aus, wenn die ganzen zentralen Klauseln eigentlich ungültig sind?
Lassen wir jetzt mal die Finesse raus, ob die vorgenannten Klauseln tatsächlich gültig sind oder nicht, aber nehmen wir einfach mal an, dass aufgrund von ungültigen Formulierungen so ziemlich nichts gültig ist - von der Aufgabenbeschreibung über die Arbeitszeit, das Gehalt, den Arbeitssitz - halt alles.

Worauf kann AN sich berufen?

Auf einen branchenüblichen Durchschnittslohn für die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit?
Oder darauf, dass er keine über die vertraglich (nicht gültig) zugesicherte Tätigkeit ausführen muss?

Wie ist die Arbeitszeit zu sehen, wenn es im Arbeitsvertrag keine gültige Regelung gibt?
ArbZG (= 48h/Woche nicht überschreiten) oder branchenüblicher Durchschnitt?
Greift das AÜG und die Arbeitszeitregelung entspricht der des Entleihers für seine internen Mitarbeiter?
Was, wenn der keine internen Kräfte in vergleichbarer Position hat?

Wie werden Überstunden behandelt, wenn die Überstundenregelungen nicht gültig sind? Im Ermessen des AG oder des AN?

Gruß,
Michael

Und noch mal explizit Danke an die ganzen Wissenden, die mir hier geduldig meine ganzen Fragen beantworten.

§§ 3,4 sind wirksam.

Bei §3 ist es schon ein bisschen was Anderes, ob man als
Analyst oder als „etwas Ähnliches“ arbeitet, solange „Ähnlich“
im Ermessen des Arbeitgebers liegt. So wäre auch ein
Projektleiter mit Personalverantwortung etwas „Ähnliches“,
wobei die Vergütungsklasse dieser Position normalerweise
leicht anders aussieht.
Aber wie auch immer. Dann darf man sicher auch im Kaufvertrag
einen Porsche „oder Ähnliches“ verkaufen und dann einen Mazda
übergeben… ist ja so was „Ähnliches“?

eine grobe umschreibung der tätigkeit genügt völlig, ist in der praxis auch regelmäßig gegeben, denn dadurch kann der AG sein direktionsrecht, § 106 gewo, ausüben…

Bei §4 sehe ich das als klassische „Überraschungsklausel“: Wie
ist es rechtswirksam, wenn der AG sich das Recht vorbehält,
dem AN zu sagen „Wir möchten uns nicht festlegen, wo Dein
Arbeitssitz ist, aber Du hast selbst dafür zu sorgen, dass wo
immer wir morgen wollen, dass Du bist, selbst hinkommst (denn
die Fahrt zum Arbeitssitz ist Privatvergnügen)“ Wie soll der
AN denn so überhaupt irgend etwas planen?

nein, daran ist nichts überraschend.

§ 6 (vor allem S.1) ist grds. ebenfalls wirksam.

Was heißt das, wenn Kunde meint „Och, wir hätten Dich gerne
für 10 Stunden an 6 Tagen die Woche“ dann hat der Mitarbeiter
plötzlich keine 40-Stunden-Woche mehr, sondern eine
60-Stunden-Woche: und das ist keine intransparente
Überraschungsklausel?

aber 40 stunden sind doch vereinbart ?! für eine 60 stunden-woche bedarf es der änderungskündigung(vereinbarung…

Ich bin kein Jurist, aber sehe den Paragraphen zumindest schon
mal im Widerspruch zum AÜG, was regelt, dass Leiharbeiter die
gleichen Arbeitsbedingungen haben müssen wie die
Festangestellten des Entleihers. Hat ein Kunde darüberhinaus
gehende „Bedürfnisse“ (insbesondere Überschreitung der
48-Stunden-Grenze und Urlaubssperren), sind diese in Konflikt
zu externen Gesetzen, also kann die Klausel gar nicht rechtens
sein?

das gilt nur, wenn die klausel im widerspruch zu nicht disponiblen gesetzen steht.
ich persönlich lege diese klausel jedenfalls als rein deklaratorisch aus; sie ist nichtssagend, so dass im endeffekt die gesetzlichen anforderungen anwendbar bleiben. man muss sie nicht als unwirksam ansehen…

§§ 7, 8 sind unwirksam, es gilt das burlg bzw die reise ist zu
vergüten, wenn sie in die arbeitszeit fällt.

Das wird insbesondere in der Kombination mit dem nicht
festgeschriebenem, vom AG jederzeit flexibel wählbaren
Arbeitsort zum Problem.
Nämlich, wenn AG sich entscheidet, AN so einzusetzen, dass
dessen Arbeitsort mehrere Stunden vom Wohnort entfernt ist …
denn die Reisezeit zum Arbeitsort ist schließlich „Freizeit“.

wo ist das problem ?

Ist ja weniger ein Problem als eine Lose-Fragen-Sammlung.

Wie genau sieht der Arbeitsvertrag aus, wenn die ganzen
zentralen Klauseln eigentlich ungültig sind?

sind klauseln unwirksam, dann tritt an die stelle die gesetzliche regelung, § 306 bgb. fehlt eine gesetzliche regelung, gilt das hypothethisch vereinbarte (das übliche).
der AG verhält sich widersprüchlich (242 bgb), wenn er sich z.b. auf die üblich vergütung wegen unwirksamkeit der klausel beruft (z.b. 4000€/mtl), im vertrag aber 6000€/mtl ausgemacht wurden.

Worauf kann AN sich berufen?

Auf einen branchenüblichen Durchschnittslohn für die
tatsächlich ausgeübte Tätigkeit?

ja.

Oder darauf, dass er keine über die vertraglich (nicht gültig)
zugesicherte Tätigkeit ausführen muss?

ja.

Wie ist die Arbeitszeit zu sehen, wenn es im Arbeitsvertrag
keine gültige Regelung gibt?
ArbZG (= 48h/Woche nicht überschreiten) oder branchenüblicher
Durchschnitt?

es ist im interesse beider parteien, dass sie eine erneute vereinbarung treffen…

Greift das AÜG und die Arbeitszeitregelung entspricht der des
Entleihers für seine internen Mitarbeiter?
Was, wenn der keine internen Kräfte in vergleichbarer Position
hat?

die frage nach aüg, arbeitszeit hat nichts mehr mit dem verrag zu tun, sondern regelt sich nach den gesetzlichen vorschriften…

Wie werden Überstunden behandelt, wenn die
Überstundenregelungen nicht gültig sind?

werden grds. vergütet…