9/11 - 1973 - Chile

Hallo zusammen,

ich habe erst neulich erfahren, dass es am 11. September 1973 in Chile einen Putsch gab, mit Hilfe der USA.

Ich habe jetzt nur aus dem Wiki erfahren, das das Land an sich sehr gespalten war, zw. rechts und links.

Nun haben die „Linken“ demokratisch gewonnen gehabt, aber die Leute fanden die Politik nicht in Ordnung.
Dann wählten sie nochmal.Da bekamen die Linken sogar noch mehr Stimmen. Zwar keine Mehrheit, aber die vereinigte Opposition konnte den Präsidenten auch nicht abwählen.

Gut, ich kenne mich jetzt nicht mit dem damaligen Wahlsystem aus, ob das „demokratisch“ gewählt wurde oder nicht.

Gab es jetzt nur die Proteste wegen der Agrarreform oder linken Politik?
Den Mord an dem Christdemokraten will ich eig. mal ausklammern.
War das Volk gegen seine Regierung, die sie selbst gewählt hat?
Warum ist die ganze Sache zum Schluss eskaliert im Land selbst?
Wenn das Volk nun demokratisch die Regierung gewählt hat, warum hat dann die USA („Land der Freiheit, Demokratie etc.“) sich da eingemischt?

Das hört sich in meinen Ohren wie Weimarer Zeiten an.

mfg,

Hanzo

Hallo!

Wenn das Volk nun demokratisch die Regierung gewählt hat,
warum hat dann die USA („Land der Freiheit, Demokratie etc.“)
sich da eingemischt?

Der Kalte Krieg. Die Domino-Theorie Eisenhowers. Die „Realpolitiker“ Nixon und Kissinger. Blödheit und Größenwahn.

Ich weiß nicht, ob das der Artikel ist, den du gelesen hast, aber die Vorgeschichte ist hier eigentlich ganz gut beschrieben: http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Chiles#Die_P… (mit dem Absatz davor)

Gruß
Peter

Hallo,

ein recht sachliche Kurzübersicht bekommt man, wenn man die Namen der damals Haubtbeteiligten PINOCHET und ALLENDE googelt.

Ich kann dazu eine persönliche Geschichte beitragen:

1973 arbeitete ich bei Arbeitsamt ( das mich arbeitssuchend nach der Bundeswehr gleich bei sich einstellte )

Kurz nach dem Putsch durch Pinochet kam ein Schwung Chilenen nach Deutschland als Flüchtlinge, die meldeten sich als arbeitssuchend, und Einige wurden ebenfalls vom Arbeitsamt übernommen.
Du darfst dabei nicht übersehen, dass es in Chile eine Menge deutschnamiger und deutschsprachiger Familien gab/gibt - es gab also keine der heute üblichen Intergrationsprobleme durch Kultur oder Sprache.

Kurzum: Mein neuer Kollege war in Chile Orchestermusiker - er war sogar Dirigent. Sein neuer Arbeitsplatz in Deutschland war die Poststelle des Arbeitsamtes, aber er jammerte nicht.

Wir redeten oft über seine Heimat, denn ich wollte wissen, was da los war.

Die absolute Mehrheit der Bevölkerung war für Allende und ebenso die meisten Intellektuellen. Die Leute waren sehr stolz, aus eigener Kraft mit demokratischen Mitteln einen sozialistischen Staatschef an die Macht gebracht zu haben - man war euphorisch, dass dies nun auf ganz Südamerika überschwappen würde.
Gegen Allende war das Großkapital … - logisch, denn er wollte umverteilen.

Und dann gab es noch eine Menge internationaler Konzerne - hauptsächlich in der Exploration von Bodenschätzen - die ebenfalls eine Umverteilung = Enteignung zu befürchten hatten.

Tja, und so kam es dann, dass der Herr Pinochet den Sozi wegputschte.
Laut Aussage meines Kollegen war es nie und nimmer Pinochet und seine Getreuen allein, die das bewerkstelligen konnten, und der Meinung schloss ich mich dann auch an…

Eine Konterrevolition war kaum denkbar, weil viele Intellektuelle das Land damals verlassen hatten, und die einfachen Leute hatten genug damit zu tun, ihre Teller voll zu bekommen - ein mächtiger Polizeiapparat stillte dann auch die letzten Gelüste nach anderen Systmen…

Gruss
Hummel

Hallo,
ich habe noch paar andere evtl. interessante Aspekte dazu.

ich habe erst neulich erfahren, dass es am 11. September 1973
in Chile einen Putsch gab, mit Hilfe der USA.

Ja, in den sozialistischen Staaten wurde dies auch ideologisch
und propagandistisch bis zum Erbrechen ausgeschlachtet.

Aber auch die Regierung Allende wurde durch den Ostblock
für sich enorm vereinnahmt. Solidarität mit Chile war ein
ganz großes Schagwort für alle Schüler.
Der Name „Luis Corvalán“ war jedem Jungpionier oder FDJ-ler
bekannt, weil dieser bis zum Erbrechen propagiert wurde.

Ich habe jetzt nur aus dem Wiki erfahren, das das Land an sich
sehr gespalten war, zw. rechts und links.

Wo in Südamerika war und ist das nicht so?
Vor allem das Vorbild Kuba strahlte da immer noch sehr.

Gut, ich kenne mich jetzt nicht mit dem damaligen Wahlsystem
aus, ob das „demokratisch“ gewählt wurde oder nicht.

Das war ganz sicher ein Sieg der großen Mehrheit des Volkes,
nur hatte diese im Verständnis der traditionell herrschenden
Schichten keine Legitimation.

War das Volk gegen seine Regierung, die sie selbst gewählt
hat?

Nein, aber vor allem die mächtigen Großgrundbesitzer wollten
das ganz sicher nicht haben. Und die USA schon gar nicht.

Wenn das Volk nun demokratisch die Regierung gewählt hat,
warum hat dann die USA („Land der Freiheit, Demokratie etc.“)
sich da eingemischt?

Der Witz ist gut!
Da ging es nicht um Freiheit und Demokratie, sondern um Macht,
Einfluss und viel Geld.
Und vor allem ging es darum, dass auf keinen Fall die
Kommunisten das Sagen haben durften.

Die Schreck mit der Pleite in Kuba steckte noch zu vielen
Amerikanern und vor allem deren Polikern so tief in den
Knochen, dass die aber auch alles unternehmen mußten, dass
nicht ein 2. Kuba in Südamerika Wirklichkeit werden konnte.

Das hört sich in meinen Ohren wie Weimarer Zeiten an.

??? Ein sehr hinkender Vergleich.

In Folge des Putsches herrschte in Chile übler Terror, der
viele Chilenen dazu zwar das Land zu verlassen.

Viele Chilenen kamen zB. auch in die DDR und wurde dort
offiziell von der SED willkommen geheißen.
Das ist ein Grund, dass Erich Honecker in Chile ein hohes
Prestige hatte und verehrt wurde und Margot heute noch
dort lebt.
Gruß Uwi

Hallo

Wenn das Volk nun demokratisch die Regierung gewählt hat,
warum hat dann die USA („Land der Freiheit, Demokratie etc.“)
sich da eingemischt?

Du bist wirklich ulkig. Wer behauptet denn das?

Dass der sich als Land der Freiheit bezeichnende Staat den blutigsten Krieg seiner Geschichte als Bürgerkrieg austragen musste, um auch nur die Sklaverei abzuschaffen, möge man sich ebenso in Erinnerung rufen wie den Umstand, dass der Staat, der sich als das Land der Demokratie bezeichnet, seinen eingeborenen Bewohnern erst 1948 die vollen Bürgerrechte gewährte, und das auch nur auf dem Papier. (Von der Rückerstattung des mittels Lebensraumkriegen in Verbindung mit vielhundertfachem Völkermord geraubten Kontinents war nicht die Rede.) Währenddessen hatte man sich dort trotzdem bemüßigt gefühlt, zwei Weltkriege zu führen, angeblich nicht, um seine durch Waffenkäufe hoch verschuldeten englischen und französischen Debitoren vor dem Kollaps zu bewahren, sondern um Freiheit und Demokratie zu exportieren. (Vermutlich wurde dann zu viel davon exportiert, so dass zu Hause nichts übrig blieb.)

Gruß
smalbop

Hi,

Wenn das Volk nun demokratisch die Regierung gewählt hat,
warum hat dann die USA („Land der Freiheit, Demokratie etc.“)
sich da eingemischt?

Du bist wirklich ulkig. Wer behauptet denn das?

Ich glaube man nennt es „westliche Werte“…ich weiss auch nicht ob es schon ein Neuspech-Wort für den Ausdruck gibt. Die Anführungszeichen sind mit Absicht so gesetzt.

Trotzdem beantwortet mir das nicht die Frage… :wink:

mfg,

Hanzo

Denk mal wie andere da beteiligt waren. Er war Allendes Leibwächter und hat den Putsch überlebt.

http://www.mksr-magdeburg.de/luismoreno.html

Hi,

Wenn das Volk nun demokratisch die Regierung gewählt hat,
warum hat dann die USA („Land der Freiheit, Demokratie etc.“)
sich da eingemischt?

Der Kalte Krieg. Die Domino-Theorie Eisenhowers. Die
„Realpolitiker“ Nixon und Kissinger. Blödheit und Größenwahn.

Was hier noch fehlt ist die Monroe-Doktrin der USA, nach der seit 1823 alles, was sich in Amerika (und damit meinen sie Nord- und Südamerika!) abspielt, als innere Angelegenheit der USA betrachtet wird…

Schöne Grüße
Burkhard

Hi,

In Folge des Putsches herrschte in Chile übler Terror

damals war die Junta von General Pinochet der Inbegriff für Foltern, Ermorden und Verschwinden lassen.
Der Plakatkünstler Klaus Staeck hatte damals ein Plakat gemacht mit dem Zitat von Pinochet: „Die Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden.“ Zu sehen hier: http://www.edition-staeck.de/index.html?d_PL024_PL_S…
Übrigens war CSU-Chef Franz Josef Strauß ein guter Freund des Diktators (wie auch vieler anderer Diktatoren).

Nach dem Putsch wurden viele Linke, Gewerkschafter und Intellektuelle ins Stadio von Santiago gesperrt. Der deutsche CDU-Politiker Bruno Heck (ehemals Generalsekretär der Partei) fand nichts dabei, der Sache noch etwas Positives abzugewinnen und sagte damals: „Das Leben im Stadion ist bei sonnigem Wetter recht angenehm.“
Auch das wurde von Klaus Staeck zu einem Plakat verarbeitet: http://www.edition-staeck.de/index.html?d_Pk90025_Pk…

Der Putsch in Chile war maßgeblich für die bundesdeutsche Solidaritätsbewegung mit Ländern Südamerikas.

Schöne Grüße
Burkhard

2 Like

Vielleicht trägt das ein wenig zur Klärung Deiner Fragen bei :
http://www.youtube.com/watch?v=DXzaKP0pCkU
http://www.youtube.com/watch?v=AhPnxxc6qIo&feature=r…
http://www.youtube.com/watch?v=T3eP0lmGpTA&feature=r…
http://www.youtube.com/watch?v=6O_5D8UZQME&feature=r…

Gruß
nicolai

Literaturempfehlung
Hallo Hanzo,

Hallo,

wenn dich die Entwicklung der politischen und sozialen Verhältnisse in Chile bis zur Militärdiktatur interessiert, Du aber keine trockenen Analysen der Geschichte des Landes lesen willst, dann empfehle ich Dir den Roman Das Geisterhaus (La casa de los espíritus) von Isabel Allende; das war ihr äußerst erfolgreiches Romandebut.
Es ist zwar kein historischer Roman, aber die politische und soziale Entwicklung des Landes lässt sich sehr gut herauslesen.

Die Familiensaga veranschaulicht die gesellschaftlichen Verhältnisse in Chile und die politischen Ereignisse: Sieg der Volksfront 1969, Militärputsch gegen den sozialistischen Staatspräsidenten Salvador Allende 1973, Militärdiktatur. Es ist eine Chronik der persönlichen und politischen Gewalt sowie des Kampfes für mehr Gerechtigkeit und eine bessere Gesellschaft.
http://www.dieterwunderlich.de/Allende-geisterhaus.h…

Noch eine sachkundige, fundierte Rezension:
http://www.bookreporter.de/kritiken/321-das-geisterhaus
Bei wikipedia steht natürlich auch was dazu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Geisterhaus

Auch die beiden nächsten Werke von Frau Allende sind noch lesenswert und tragen einiges zum Verständnis der Situation in Chile und überhaupt von Lateinamerika bei, nämlich Von Liebe und Schatten (De amor y de sombra) und Eva Luna (Eva Luna).
Das erste Buch spielt gegen Ende der chilenischen Militärdiktatur, das zweite ist nicht an ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Zeit gebunden - aber Lateinamerika ist immer präsent.

Irgendwann versank Frau Allende dann leider im rosaroten Sumpf der Herz-Schmerz-Unterhaltungsliteratur.

Grüße
Pit

Moin,

damals war die Junta von General Pinochet der Inbegriff für
Foltern, Ermorden und Verschwinden lassen.

Ich meine, was von 30.000 Verschwundenen gehört zu haben.

Übrigens war CSU-Chef Franz Josef Strauß ein guter Freund des
Diktators (wie auch vieler anderer Diktatoren).

Nicht zu vergessen die „Eiserne Lady“ Thatcher. Als Pinochet von der spanischen Regierung gesucht und um Auslieferung nachgesucht wurde, war Pinochet in England und trank mit Thatcher Tee: „Ich weiss gar nicht, was man gegen diesen alten Herrn hat“ sagte sie. Ahnungslosigkeit und Ignoranz ist bei Politikern ja nicht selten.

Gruss
Laika

Hallo auch,

Die „Realpolitiker“ Nixon und Kissinger. Blödheit und Größenwahn.

„Blödheit und Größenwahn“? Nein, nüchternes Kalkül! Kissinger hat dazu mal gesagt: „Wenn ein Volk zu dumm ist, sich die richtige Regierung zu wählen, muss man nachhelfen“ (sinngemäß). In einem Interview vor einiger Zeit wurde er dazu befragt. Er hat total abgeblockt: „Lesen sie die Geschichtsbücher, da steht alles drin.“
Er hat ja noch andere, ähnliche Sprüche von sich gegeben, z.B. über das Öl der Araber. Bemerkenswert ist, dass der allseits geschätzte Helmut Schmidt ein sehr guter Freund von K. ist.

Gruss
Laika

Hallo!

Blödheit, Größenwahn und nüchternes Kalkül: Es ist in diesem Fall doch alles eins. Kissinger hat Weltpolitik als Schachspiel betrieben. Mit vielen, vielen Bauernopfern. Natürlich ging er (mit Nixon und der CIA) mit Kalkül an die Sache heran, aber das Vorhaben war trotzdem: blöde und größenwahnsinnig.

Eine interessante Dokumentation: http://www.youtube.com/watch?v=QjDN9qdI3Hw

Gruß
Peter