Ein Beispiel aus dem richtigen Leben - lang!
Hallo.
Zur Ausgangssituation : Kassel war vor dem Krieg Provinzhauptstadt und als solche Sitz vieler Behörden. Kassel wurde zu ca. 85% zerstört (was die Bomber nicht geschafft hatten, erledigten die Stadtplaner gründlichst bis zur Mitte der 50er Jahre). Ergo befindet sich in der Kasseler Innenstadt, mit Ausnahme einiger Schloss- und Parkanlagen, so gut wie nichts mehr an alter Bausubstanz. Alles 50er Jahre, hübsch hässlich und so mazda.
Nun muss aber eine solche Stadt ein Amt für Denkmalpflege haben; nicht etwa, um sich um die verbliebenen Rokokoschlösschen u.dgl. zu kümmern (dafür haben wir die „Hessische Verwaltung der Schlösser und Gärten“ oder so ähnlich). Es steht also der wackere Denkmalpflegebehördenleiter vor der undankbaren Aufgabe, entweder bis zum Erhalt seiner Pension Büroklammern rund zu biegen - oder aber schützenswerte Bausubstanz zu definieren. Er macht letzteres, indem er im Hauruckverfahren (Anfang der 50er : riesige Wohnungsnot!) hochgezogene Mietskasernen, aber auch Ein- und Zweifamilienhäuser per Order de Mufti zu Denkmälern umdefiniert. Konsequenterweise beschränkt sich die Erhaltung dieser ach so wertvollen (Trümmerschutt!) Substanz nicht auf die Fassade, sondern auch die Innenraumgestaltung. Warum sollen auch nicht Wohnräume von 5 m Höhe, in denen sich August Normalalmosenempfänger totheizt, der Nachwelt im Originalzustand erhalten bleiben???
Nun gut, alle diese Maßnahmen müssen natürlich mit entsprechendem Personalaufwand abgestimmt und zerwaltet werden. Da aber offenbar jede/r/s Beamt/e/in/um mit der Qualifikation zum Denkmalschützer auch einen unstillbaren Drang zum Außendienst entwickelt, müssen die löblichen Aktivitäten auf weitere Gebäudearten ausgedehnt werden. Nun muss man wissen, dass große Teile Kassels seit den späten Sechzigern zu Industriebrache wurden. Diese Gemäuer im schönsten Ziegelsteinbarock dürfen nun, falls sich tatsächlich ein armer Irrer findet, der in dieser Stadt investieren will, keinstenfalls abgerissen oder gar vernünftig renoviert werden - der Investor hat sich in den seit 30 Jahren fröhlich vor sich hinrottenden Gelassen einzurichten, Denkmalschutzberatungsgebühren abzudrücken und ansonsten die Schnauze zu halten. Dass in einer solchen hehren Halle kein Gabelstapler ohne Gefahr für Leib, Leben und Feinstaubquote verkehren kann, ist zwar ungünstig, aber na gut. Mäh honn’s je, spricht der Kasseläner. Ja, in der Tat - so Stücker 15% offizielle und mehr als 20% wirkliche Arbeitslose, die honn mäh.
Nun ist irgendjemand, der offensichtlich die Struktur der Bürokratie noch nicht ganz erfasst hat, auf die Idee gekommen, dass Denkmalschutz zwar schön und gut, aber hier an einigen Stellen wohl doch etwas übertrieben ist. Was passiert also? Es wird nach dem alten Motto „wenn man nicht mehr weiter weiß, macht man einen Arbeitskreis“ eine Gruppe gebildet, die nun tagtäglich in den Sesseln hockt, gar heftiglich drückt und gelegentlich mal pupst. Zum Beispiel müssen ja die Mitglieder dieses elitären Zirkels Schreibkräfte, Assistenten, Popoabwischer und andere Bedienstete haben … für die man dann wieder eine Frauenbeauftragte, zwei Personalräte (Geschlechterquote!), einen SB- Vertrauenseumel, einen Ombudsmann, einen Sicherheitsbeauftragten, mindestens drei Koordinatoren, einen externen Berater für Gender Mainstreaming und einen dafür, zu erklären, wie man das ausspricht, sowie einen dem Gender Mainstreaming zugeodneten Schrägstrichdisponenten, eine Abteilung für externe Kommunikation usw. haben muss …
Nettoabbaubilanz negativ, und zwar - mit viel Beschränkung auf das behördliche Existenzminimum (schlanke Verwaltung, s.o.!) - im zweistelligen Bereich.
So funktioniert Bürokratie - sie erschafft sich immer wieder selbst.
Gruß kw