Abgeschaltete Reaktoren = ungefährlich?

Die Diskussionen um den Ausstieg aus der Kernenergie und die Stresstests von AKW´s drehen sich immer um die Kern-Frage ABSCHALTEN…
Aber ist denn ein abgeschalteter Reaktor wirklich auch ungefährlicher als ein in Betrieb befindlicher?
Oder anders herum gefragt: Einfach Abschalten und wir sind das Risiko los?
Stichworte: Fukushima Abklingbecken Kühlung Kernschmelze…
Ich frage mich, ob es bei einem abgeschalteten Reaktor genauso zu einer Kernschmelze kommen kann, wenn die Kühlung ausfällt. Oder was kann passieren, wenn z.B. ein Flugzeug auf einen „abgeschalteten“ Reaktor stürzt.
Darüber wird in den Medien nie gesprochen.
Es wird mit dem Begriff „abgeschalteter“ Reaktor suggeriert, daß dieser nun völlig harmlos sei (weil ja abgeschaltet). Selbst die Bezeichnung „von Netz genommen“ erzeugt m.E. hier aufgrund der Assoziation mit Abschaltung die Illusion, nun sei alles deaktiviert und „Aus ist halt Aus“. Da passiere nun nichts mehr.
Ein Irrglaube?
Grüße
Theo

Hallo,
wie du richtig erkannt hast, ist abschalten nur der erste Schritt. Ab da wird es aber mit jedem Tag an dem nichts dazwischen kommt „ungefährlicher“.
Anschließend (also nach ein paar Jahren Abklingzeit) müssen natürlich die Brennstäbe ausgebaut und (wie und wo ist noch nicht geklärt) für sehr lange Zeit sicher gelagert werden. Irgendwann kann man dann mit dem Rückbau anfangen und es bleibt nach vielen Jahren eine Wiese übrig.
Das wurde und wird derzeit schon bei einigen längst abgeschalteten KKWs praktiziert. Gerüchteweise hat „Deutschland“ da im internationalen Vergleich sehr viel Know-How zu bieten, das andere nicht haben. Da könnten die ehemaligen Baufirmen nochmal am selben Gebäude verdienen :wink:

Cu Rene

Hallo Rene,
danke für die schnelle Antwort.
Da das offensichtlich eine jahrelange Aktion ist und wir damit auch schon Erfahrung haben, wäre es doch eine schöne A. B. M., so hab ich das noch nicht betrachtet. Und die deutschen „AKW Abbau“ Firmen können auch international mit diesem Knowhow-Vorsprung Geld verdienen.
Und der Abbau wird wohl auch von den Betreibern getragen…
Macht richtig Sinn…
Grüße
Theo

Moin,

Aber ist denn ein abgeschalteter Reaktor wirklich auch
ungefährlicher als ein in Betrieb befindlicher?

jain.
nehmen wir mal ein schönes Lagerfeuer.
Das brennt gut und irgendwann legen wir kein Holz mahr nach.
Das Feuer ist dann aber nicht schlagartig aus, sondern es brennt mehr oder weniger lange herunter und am Ende bleibt noch die Glut, die immer weniger wird.

Oder anders herum gefragt: Einfach Abschalten und wir sind das
Risiko los?

Nein.
Abschalten ist ein Schritt.
Nach dem Abschalten müssen die Brennstäbe abklingen.
Die Hauptenergie kommt zwar von der neutroneninduzierten Kernspaltung, aber die Spaltprodukte sind ihrerseits radioaktiv und strahlen sowohl (meist) Betastrahlung als auch Energie in Form von Wärme ab.
Diese Energie wird exponential weniger, läßt sich aber nicht mit den sog. Moderatoren regeln.
Wenn die Stäbe abgeklungen sind, also nur noch wenig Wärme abstrahlen, müssen sie entweder so woe sie sind endgelagert, oder aufgearbeitet werden.
Dabei kannn wieder einiges passieren, weil die Stäbe für die Aufarbeitung geöffnet werden müssen und so radioaktives Material frei werden kann.

Stichworte: Fukushima Abklingbecken Kühlung Kernschmelze…
Ich frage mich, ob es bei einem abgeschalteten Reaktor genauso
zu einer Kernschmelze kommen kann, wenn die Kühlung ausfällt.

Die Reaktoren von Fukuschima waren abgeschaltet!

Oder was kann passieren, wenn z.B. ein Flugzeug auf einen
„abgeschalteten“ Reaktor stürzt.

Es kann sehr viel radioaktives Material frei werden.

Darüber wird in den Medien nie gesprochen.

Dochdoch.

Es wird mit dem Begriff „abgeschalteter“ Reaktor suggeriert,
daß dieser nun völlig harmlos sei (weil ja abgeschaltet).

Eigentlich nicht, ich hab es anders wahrgenommen, billige mir aber etwas Kenntnis zu diesem Thema zu.

Abschalten ist m.E. aber die beste (oder am wenigsten schlechte) Option, weil mit jeder Sekunde, die die Reaktoren weiter Spaltung betreiben, die Gefahr steigt.

Gandalf

Hallo,

Aber ist denn ein abgeschalteter Reaktor wirklich auch
ungefährlicher als ein in Betrieb befindlicher?

Ja. Nach dem Abschalten (=Einfahren der Steuerstäbe) klingt die Nachzerfallswärme exponentiell ab. Innerhalb weniger Tage entsteht nur noch ein Bruchteil der Wärme, wie während des Betriebs oder kurz nach dem Abschalten. Und das Risiko einer Kernschmelze ist bei einem Unfall umso geringer, je weniger Hitze der Reaktor entwickelt, da weniger Wärme logischerweise einfacher gekühlt werden kann.

Oder anders herum gefragt: Einfach Abschalten und wir sind das
Risiko los?

Nein, das ist natürlich auch nicht so. Die Gefahr einer Kernschmelze sinkt zwar erst mal beträchtlich, aber eine Kühlung ist dennoch über Wochen und Monate nötig, auch wenn die erforderliche Kühlleistung natürlich mit der Zeit immer geringer wird.
Komplett gebannt ist das Risiko einer Kernschmelze erst dann, wenn die Kernbrennstäbe soweit abgeklungen sind, dass ihre Hitze nicht mehr zur Schmelze führen kann. Dazu müssen die Brennelemente aber einige Jahre in Abklingbecken gelagert werden. Aber wie gesagt, je länger die Lagerung dort ist, desto weniger Hitze wird entwickelt, desto weniger kritisch ist die Kühlung.

Insofern kann man schon sagen, dass abgeschaltete Reaktoren ungefährlicher sind, aber das Risiko geht nicht sofort auf null, sondern sinkt im Verlauf der Zeit immer weiter ab.

vg,
d.

danke für diese Aufklärung!
VG Theo

Hallo,

gute Erklärung. Der Schlussfolgerung kann ich nicht ganz folgen:

Insofern kann man schon sagen, dass abgeschaltete Reaktoren
ungefährlicher sind, aber das Risiko geht nicht sofort auf
null, sondern sinkt im Verlauf der Zeit immer weiter ab.

Inwiefern sinkt das Risiko denn im Verlauf der Zeit? Ich denke, es ist genau so, wie du es dargestellt hast: Entweder benötigen die Brennstäbe noch Kühlung oder nicht (weil sie schon ausreichend weit abgeklungen sind).

Daraus folgt logischerweise, dass das Risiko lange Zeit gleichbleibend hoch ist und dann innerhalb recht kurzer Zeit auf Null sinkt.

Gruß

Anwar

Hallo,

Inwiefern sinkt das Risiko denn im Verlauf der Zeit? Ich
denke, es ist genau so, wie du es dargestellt hast: Entweder
benötigen die Brennstäbe noch Kühlung oder nicht (weil sie
schon ausreichend weit abgeklungen sind).

Auch die Castoren brauchen noch Kühlung. Die ist aber, bei richtiger Aufstellung etwa in den Zwischenlagern, passiv möglich (eine Heizung braucht man da drin auch im tiefsten Winter jedenfalls nicht, ein Castor könnte leicht einen Wohnblock beheizen - Details kann man sich aus den Links bei Wikipedia zusammensuchen). Was passiert, wenn jemand (etwa ein starkes Erdbeben) im Zwischenlager für Unordnung sorgt, hat hoffentlich jemand vor er Genehmigung geprüft…

Cu Rene

Hallo,

Inwiefern sinkt das Risiko denn im Verlauf der Zeit? Ich
denke, es ist genau so, wie du es dargestellt hast: Entweder
benötigen die Brennstäbe noch Kühlung oder nicht (weil sie
schon ausreichend weit abgeklungen sind).

Wenn die Brennstäbe frisch sind und nicht gekühlt werden, kommt es in kürzester Zeit zur Kernschmelze. Wenn die Brennstäbe schon etwas länger abgeklungen sind, ist die Wärmeentwicklung viel geringer, dementsprechend dauert es bedeutend länger bis es zur Schmelze kommen würde. Man hat einfach viel länger Zeit, z.B. die Kühlung wieder in Gang zu kriegen.

Daraus folgt logischerweise, dass das Risiko lange Zeit
gleichbleibend hoch ist und dann innerhalb recht kurzer Zeit
auf Null sinkt.

Nö. Es macht ja wohl einen kleinen Unterschied ob ich beim Ausfall der Kühlung z.B. nur ein paar Stunden Zeit habe eine Schmelze zu verhindern oder ein paar Tage oder gar Wochen. Die Möglichkeiten eine Schmelze zu verhindern steigern sich somit mit dem Abfallen der Nachzerfallswärme. Das Risiko kann daher nicht über einen längeren Zeitraum gleich hoch bleiben.

vg,
d.

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Macht richtig Sinn…

und wie - dazu kommt ja noch, dass für solche Arbeiten hauptsächlich ältere bis sehr alte Arbeitnehmer eingesetzt werden, weil die sterben bevor sie Krebs kriegen können. Das löst noch ein paar zusätzliche Probleme, z.B. der Sozialversicherungen.

Gruss Reinhard

Oder anders herum gefragt: Einfach Abschalten und wir sind das
Risiko los?

Hallo,

zur zeitlichen Einordnung: in Tchernobyl rechnet man mit einem endgültigen Abbau der Reaktorruine frühestens etwa 2100. Bei einem geordneten Abschalten wie hoffentlich demnächst bei uns (wenn nicht ein neuer Putsch der Energieversorger dazwischenkommt), muss man für den völligen Rückbau mit 30 bis 50 Jahren rechnen. Es gibt also nach dem Abschalten noch mehr als genug zu tun, das wird wohl alle jemals mit Atomstrom erzielten Gewinne auffressen - natürlich zu Lasten der Steuerzahler.

Gruss Reinhard

Hallo Anwar,

Daraus folgt logischerweise, dass das Risiko lange Zeit
gleichbleibend hoch ist und dann innerhalb recht kurzer Zeit
auf Null sinkt.

Ein Druckwasserreaktor steht im Betrieb so unter 150bar und das Wasser hat um die 300°C. Bei einem plötzlichen Druckabfall kann das Wasse schlagartig vedampfen.
Schon ohne Radioaktivität ist eine solche Anlage ein Gefahrenpotential.

Abgeschaltet ist dann der Reaktor drucklos, was auch regelmässig, alle paar Jahre, gemacht werden muss um die Brennstäbe wechseln zu können.

Die thermische Leistung welche vom Kern abgeführt werden muss sinkt auch innerhalb von Tagen um einen Faktor 1000, es macht schon einen Unterschied ob man 500-1’000 MW kühlen muss oder nur ein paar 100kW.

MfG Peter(TOO)