Abi in China

Hallo,

wenn ich dies hier lese [1], kommt bei mir die Frage auf, ob das Abi dort einfach nur so schwer ist oder die Vorbildung so schlecht - womöglich durch das Zentralabi.

[1] http://www.tagesschau.de/ausland/china360.html

Patrick

Deutschland, ich weine um deine Bildung.

Hallo Patrick,

erstmal würde ich mir überlegen wie viel Glauben ich einem Artikel schenke, vor allem dessen Daten, wenn in diesem nicht einmal ein wichtiges, themenspezifisches Wort richtig transkribiert wird.
(Gaokau = Gaokao, von Gao „hoch“ (entweder hohe Bildung oder abgeleitet von „wichtig“) und kao „Prüfung, prüfen).

China war schon immer ein Land der Bildung – für die, die es sich leisten konnten.
Bildung wurde immer sehr hoch eingeschätzt (naja, nehmen wir mal Mao aus und gehen weiter in der Geschichte zurück).

Doch momentan sind wir fast wieder bei einer Beamtenprüfung, was das ist, google bitte nach, das würde hier etwas zu ausschweifend.

Früher war es vor allem Literatur und Geschichte, doch 1905 wurde das Schulsystem umgestellt und an den Westen angepasst, mit Naturwissenschaften etc.
Das Lehrsystem blieb aber anspruchsvoll und streng.

Die Lernmethoden sind auch anders, es wird viel, sehr viel auswendig gelernt. Oft ist möglichst die Antwort erwünscht, die auch im Lehrbuch steht. Des Weiteren endlose Wiederholung von Fakten, eine Methode die sich aus dem Schrifterwerb abgeleitet hat (wo zum Lernen ein Schriftzeichen so lange wiederholt wird, bis man es kann…).

Für einen Westler mag es sich ja toll anhören, dass die Eltern ihr mühsam erspartes in ein Hotelzimmer für den Prüfling investieren, doch die Schüler wissen nur zu genau wie wichtig dieses Geld für die Eltern ist! Das die Eltern alles in sie hineinstecken um eine Zukunft zu haben und ihnen eine Zukunft zu geben. Sie wissen, das da die Altersvorsorge schon mal drauf geht in der Hoffnung, Altersvorsorge und ein erfolgreiches Kind zu haben. Sie müssen also erfolgreich sein, sonst war alles umsonst!

Auch die Ein-Kind-Politik ist nicht ganz unschuldig. (Han-)Chinesen haben oft nur noch ein Kind und in dieses wird alle Hoffnung gesteckt. Man möchte die bestmöglichste Karriere, durch die bestmöglichste Bildung und einem entsprechend bestmöglichsten Abschluss.
Auf den Schülern lastet ein gewaltiger Druck!
Die Eltern haben nur dieses eine Kind… und es gibt keine richtige Rentenversorgung in China. Eltern werden von ihren Nachkommen versorgt und die brauchen dann auch das entsprechende Kleingeld!
Nur der Abschluss dieser Prüfung sichert eine entsprechende Karriere.

Wir haben also zwei Faktoren:
a) Eine sehr anspruchsvolle Prüfung, die wegen dem (uns fremden) strengen Lehrsystem von den Schülern alles abverlangt.
b) Ein immenser Druck aufgrund von gesellschaftlichen und vor allem elterlichen Erwartungen.

Du kannst davon ausgehen, dass die Vorbildung sehr gut ist.
Merke, wir reden hier von Stadtchinesen, Landchinesen haben oft überhaupt nicht die Möglichkeit, die entsprechende Vorbildung zu bezahlen geschweige denn, diese zentralisierte Prüfung zu absolvieren. Auch wenn sich manchmal einige durchkämpfen. Darum sprach ich von einer Ähnlichkeit mit der Beamtenprüfung.

Das ganze schlägt sich auch im religiösen Leben nieder, das zeigt, wie wichtig diese Prüfung ist.
Auch wenn die Chinesen als recht abergläubisch bekannt sind: Da die Regierung in Opposition zu Religionen steht und diese eigentlich nur als Maskottchen (Konfuzius) oder Propagandamittel (Buddhismus) einsetzt, war der religiöse, kultische Konfuzianismus lange tot.
Seit 1988 werden wieder Tempel restauriert und seit einiger Zeit beginnen doch tatsächlich wieder Chinesen damit, in diesen konfuzianischen Tempeln zu beten, Wunschzettel aufzuhängen und Golden Bricks zu streicheln!
Der religiöse Konfuzianismus* verehrt neben dem Gelehrten schlechthin – Konfuzius- auch andere Gelehrte Chinas und Bildung im Allgemeinen, u.a. wurden Schüler dadurch geehrt, bis in ein bestimmtes Stockwerk einer Tempelpagode aufsteigen zu dürfen (die besten nach ganz oben) und dort ihren Namen einzuritzen; dieser religiöse Konfuzianismus blüht wieder!
… allerdings fast ausschließlich zur Prüfungszeit.

Das sagt, denke ich, alles.

lg
Kate

* Der religiöse Konfuzianismus ist vom Konfuzianismus an sich zu unterscheiden, Konfuzius lehnte den Götterglauben und ein Leben nach dem Tod ab, der religiöse Konfuzianismus hat götterähnliche Gelehrtenfiguren und bis Mitte des 16. Jahrhunderts sogar entsprechende „Götzenbilder“, die später vom Neokonfuzianismus abgelehnt wurden. Er ist hoch ethisch, erzählt aber auch von Konfuziuserscheinungen und betet bei ihm, oder anderen Gelehrten (heutzutage mit Tafeln dargestellt) um Glück in Prüfungen und Weisheit.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]