Ablauf einer Zeremonie in einem Sikh-Tempel

Hallo www-ler

Ich hätte mal ein Paar Fragen zu dem Ablauf einer Zeremonie in einem Sikh-Tempel in Yangon (Myanmar), welcher ich beigewohnt habe.
In meinem letzten Artikel fragte ich bereits nach dem Ablauf einer Zeremonie in einem Hindu-Tempel.
Zum einen wüsste ich gerne, was die einzelnen Rituale bedeuten und zum anderen, wie diese bezeichnet werden.
Sollte ich einen falschen Ausdruck verwenden, so korrigiert mich bitte. (?) bedeutet: nennt man das so?

Zum Ablauf:

Die Zeremonie (?) fand in einem ganz normalen Raum statt. Keinem nach außen hin sichtbarem Tempel. Außer dem Altar (?) befand sich nichts im Raum, was auf die religiöse Bedeutung hinwies. Links vom Altar (auf der Männerseite) befand sich ein kleines Podest mit zwei Musikern, einer Sängerin mit einer Art Quetschkasten und einem Trommler.

Bevor ich den Raum betreten durfte, bekam ich ein gelbes Kopftuch, mit welchem ich mein Haupt bedecken musste.
Jetzt schritt ich bis kurz vor den Altar, kniete mich vor diesem nieder (was ich meinen Vorgängern abgeschaut habe) und spendete 200 Baht in eine Schale.
Währenddessen wedelte die Priesterin (?) mit einigen riesigen Federn über dem Altar und verharrte regelmäßig andächtig, als ob sie betete.
Anschließend nahm ich auf der Männerseite auf dem Fußboden Platz.
Während des Ablaufs wechselten Priester und Sänger mehrmals. Zwischendurch traten Sprecher auf, welche Reden hielten. Aber nicht andächtig, eher beschwingt.
Zum Ende kam ein Mädchen herum und verteilte eine süßliche Masse, welche mich an einen rohen Kuchenteig erinnerte.

Nun ging es zu einem gemeinsamen Mittagessen. Auch hier saßen Frauen und Männer wieder getrennt. Wir aßen im Schneidersitz auf dem Fußboden an etwa 40 cm hohen Tischen.

Und wieder bin ich jedem Hinweis dankbar.

Gruß
Manfred / schatten

Eine Sikh-Zeremonie
Hi Manfred,

Ich hätte mal ein Paar Fragen zu dem Ablauf einer Zeremonie in
einem Sikh-Tempel in Yangon (Myanmar), welcher ich beigewohnt habe.

Die Zeremonie (?) fand in einem ganz normalen Raum statt. Keinem nach außen hin sichtbarem Tempel.

Die Sikh lehnen den Begriff „Tempel“ für ihre Versammlunghäuser (Gurdwara) ab. Überhaupt gibt es spezielle Gurdwara nur in Städten, in denen eine entsprechend große Gemeinde existiert (in Frankfurt gibt es eine solche z.B.).

Außer dem Altar (?) befand sich nichts im Raum, was auf die religiöse Bedeutung hinwies.

Das entspricht auch dem Konzept dieser monotheistischen(!) Religion, die sich im indischen Panjab im 15. Jhdt. etablierte. Und zwar in bewußter Abgrenzung gegen religöse und soziale Praktiken und Glaubensinhalte des Hinduismus und Islam, insbesondere gegen das Kastenwesen. Es gibt eine Verehrung eines nicht näher beschriebenen und namenlosen Schöpfergottes und ansonsten eine sehr ausgefeilte Konzeption sozialen Verhaltens, in der Gleichberechtigung aller Menschen (nicht nur Männer und Frauen) und soziale Gerechtigkeit eine wesentliche Rolle spielen.

Was du als Altar wahrgenommen hast, ist ein Tisch, auf dem das Guru Granth Sahib liegt wird: Das eigentliche formale Objekt der Verherung. Das ist kein Mensch, sondern ein Buch: Die ursprüngliche Textsammlung der ersten fünf Gurus dieser Religion. Dieses Buch ist in einer Art symbolischer Kunstsprache verfaßt, weshalb es in seiner Interpretation immer wieder Mißverständnisse (auch von Seiten der Religionswissenschaten) gab, um deren Richtigstellung die Sikh heute noch kämpfen müssen.

Eine Übersetzung des Guru Granth Sahib findet sich im Internet Sacred Text Achive.

Links vom Altar (auf der Männerseite) befand sich ein kleines Podest mit zwei Musikern, einer Sängerin mit einer Art

Quetschkasten und einem Trommler.

Eine wenigstens kurze Erklärung der diversen Gesänge, Gebete und Zeremonien findest du hier:
http://www.sikh-religion.de/html/gurdwara-adressen.html

Bevor ich den Raum betreten durfte, bekam ich ein gelbes Kopftuch, mit welchem ich mein Haupt bedecken musste.

Das ist der sog. Patka. Ein einfaches Tuch, das bei der Versammlung alle tragen, die keinen Turban tragen. Es ist das Symbol der Zusammengehörigkeit, die von Gleichrangigkeit aller, insbesondere der immer willkommenen Gäste gezeichnet ist. Du bist damit als Gast verehrt und als einer der ihren anerkannt worden. Nornmalerweise betritt man den Versammlungsraum auch mit nackten Füßen.

Jetzt schritt ich bis kurz vor den Altar, kniete mich vor
diesem nieder (was ich meinen Vorgängern abgeschaut habe) und
spendete 200 Baht in eine Schale.

Das ist eine Geste der Ehrerbietung vor dem Guru Granth Sahib. Es ist keine Gottesverherungs-Geste. Die Spende ist nicht obligatorisch, das Geld dient allein der Versorgung des Hauses bzw. Versammlungsraumes. Es ist unter den Sikh eine Ehrensache, daß jeder sich um eigenes Einkommen bemüht.

Währenddessen wedelte die Priesterin (?) mit einigen riesigen
Federn über dem Altar und verharrte regelmäßig andächtig, als ob sie betete.

Auch „Priester(innen)“ gibt es bei den Sikh nicht. Die Rolle, besondere zeremonielle Handlungen durchzuführen, kann jeder aus der Gemeinde abwechselnd einnehmen. Die „Gebete“ sind schlicht Zitationen aus dem Guru Granth Sahib.

Anschließend nahm ich auf der Männerseite auf dem Fußboden
Platz. Während des Ablaufs wechselten Priester und Sänger mehrmals.
Zwischendurch traten Sprecher auf, welche Reden hielten. Aber
nicht andächtig, eher beschwingt.

Ja. Sprechen, d.h. zitieren von Texten, und etwas vortragen kann und darf jeder der Anwesenden.

Zum Ende kam ein Mädchen herum und verteilte eine süßliche
Masse, welche mich an einen rohen Kuchenteig erinnerte.

Das Rezept des Parschad findest du hier erklärt:
http://www.sikh-religion.de/html/praktisches.html#Pa…

Nun ging es zu einem gemeinsamen Mittagessen. Auch hier saßen
Frauen und Männer wieder getrennt. Wir aßen im Schneidersitz
auf dem Fußboden an etwa 40 cm hohen Tischen.

Das war eine Form des sog. Langar.
http://www.sikh-religion.de/html/langar.html
Eine gemeinsame Speisenverteilung. Das Deg ist eine aus Linsen hergestellte Masse. Linsengerichte waren in der Entstehungszeit dieser Religion die bevorzugten Nahrungsmittel der Armen. In diesem Speiseritual verbirgt sich die Abwendung gegen die durch das Kastenwesen erzeugte unermeßliche Differenz der Lebensumstände.

Vielleicht hilft dir das schon mal weiter im Verständnis der Zeremonie, die du erlebt hast.

Gruß
Metapher

Hi Metapher

Echt super.
Besser kann ich mir die Beantwortung meiner Fragen nicht vorstellen.

Natürlich gibt es ein Sternchen dafür.

Gruß
Manfred