Ablauf in Werbeagentur

Hallo!

Seit mehreren Jahren bin ich als Grafikerin selbstständig. Bisher habe ich hauptsächlich Stammkunden, die eine eigene Marketingabteilung haben, bzw. mit bestimmten Werbemittelwünschen zu mir kommen. In letzter Zeit häufen sich die Anfragen von Firmen, die bisher kein richtiges Marketingkonzept hatten und möchten von mir eines erarbeitet haben. Da fühle ich mich ein klein wenig überfordert, bzw. möchte ich nichts falsch machen. Ich denke das größere Agenturen einen gewissen Ablauf bei solchen Anfragen haben. Können Sie mir sagen, wie das generell abläuft? Werden dem Kunden schon beim Erstgespräch ein paar Wege aufgezeigt oder wird erst nach Auftragserteilung ein Konzept erarbeitet? Wie geht man da vor? Wird im Vorfeld ein Budget festgelegt, oder entscheidet der Kunde dann selbst, für welche Werbemittel er sich entscheiden möchte?

Ich wäre dankbar, wenn Sie mir ein paar Einblicke in Ihre Vorgehensweise geben könnten.

Vielen Dank!
Sabine

Hallo,

ich glaube es gibt verschiedene Wege, die Sache anzugehen. Wir sind allerdings eine kleine Agentur und deshalb arbieten häufig mit Kunden zusemmen, die ihre eigene Marketingabteilung haben.

Man könnte den Kunden z.B. eine kostenlose Analyse ihrer Situation im Vorfeld anbieten. Oder auch ein Grobkonzept zusammen mit dem Angebot.

VG

Hallo Sabine,

du hast deine Frage eigentlich bereits selbst beantwortet: Wenn du den Kunden mit ersten, groben, Ansätzen eines Werbeauftritts begeistern konntest, wird mit ihm der ungefähre Umfang durchgesprochen. Also, was wünscht er sich und was wird aus deiner Sicht und Erfahrung unbedingt benötigt, was wäre nice-to-have usw.
Dabei sollte am allerbesten auch schon ein verfügbarer Rahmen besprochen werden, da du sonst sehr häufig in die Tonne konzipieren wirst. Hier zieren sich nach meiner Erfahrung immer noch viele Kunden, da sie irgendwie befürchten, du würdest sie aufgrund der Kenntnis des verfügbaren Marketingbudgets ausnehmen. Ein Metzgerbetrieb um die Ecke benötigt ja aber nicht wirklich einen TV-Spot (und kann sich ihn auch nicht leisten), möglicherweise aber einen online-Auftritt, vielleicht noch ergänzt um einen Onlineshop oder eine Facebook-Seite, die auch Geld kosten. Dort müsste dann ja aber berücksichtigt werden ob er damit nicht seine Handelspartner unterläuft usw.

Mit diesen ersten groben Gedanken beweist man dem Kunden die eigene Kompetenz und das Wissen um seinen Markt.
Auf jeden Fall solltest du bis hierhin noch vage bleiben - Du willst dein Pulver noch nicht verschießen und willst deine Leistung auch nicht verschenken. Es gibt leider genug Menschen (es dreht sich immer um die Menschen, nicht die Unternehmen die sie vertreten) die sich artig fürs Konzept bedanken und es dann unter fadenscheinigen Gründen an einen anderen, günstigeren Grafiker geben. Oder sich einfach nur bei ihrem Vorgesetzten beliebt machen wollen, mit den Worten „Schaun Sie mal was ICH mir ausgedacht habe“. Auch bei großen DAX-Unternehmen.

Nun kommt also, bevor du weiterarbeitest, unbedingt der KV für die Er-/Ausarbeitung des Konzepts zum Zug. Erst nach dessen Freigabe solltest du dich ans Werk machen.
(Wir versuchen immer eine Pauschale auszuhandeln. Erstens weil die anfallenden Stunden schwer zu kalkulieren sind, zweitens aufgrund der Anzahl kaum realistisch verkaufbar sind und somit häufig Diskussionen über deren Anzahl erzeugen.)
Denn nun kommt ja erst die ganze Arbeit - die genaue Kalkulation. Dazu solltest du dir bei Bedarf, also falls der Kunde größer ist, einen strategischen Texter oder Konzeptioner ins Boot holen.

Danach wird dem Kunden das/die Konzepte und zugehörige Kosten präsentiert und erneut verhandelt. Einige Dinge werden sich aufgrund der eruierten Kosten oder Zeitpläne von alleine erledigen oder dir haben sich während der Konzeption/Kalkulation zusätzliche oder andere Wege aufgezeigt, die zu beschreiten gut wäre.
(Wir zeigen meist ein tolles, „groß gedachtes“, Konzept das durchaus auch mal über dem vorgegebenen Rahmen liegt, aber alle bells-and-whistles enthält und ein günstiges, normaleres Konzept. So kann der Kunde selbst entscheiden und wir haben dennoch seine Vorgaben eingehalten.) Manchmal muss man natürlich auch danach noch mal komplett neu ran, das sollte bei deiner Konzept-Kalkulation bedacht werden.

Das war’s. Mehr gibt’s dazu eigentlich nicht zu sagen.

Viel Glück
Dirk

Hallo Dirk!

Ich möchte mich noch für die tolle und äußerst hilfreiche Antwort bedanken.

Ein paar Fragen hast du bei mir noch aufgeworfen. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn du auch da Antworten drauf hast:

Umfasst der erste Kostenvoranschlag für die Er-/Ausarbeitung des Konzeptes nur die gedankliche Arbeit, welche Werbmittel in Frage kommen und an welchem Werbeort diese zum tragen kommen? Oder werden auch andere Aspekte überlegt?

Gibt es Werbemittel-Klassiker, die oft empfohlen werden, wenn jemand z.B. Neukunden gewinnen will oder den Bekanntheitsgrad steigern möchte? Hängt wahrscheinlich auch davon ab ob er Privatkunden oder B2B Kunden hat, ob er ein Ladengeschäft hat oder Dienstleistungen vertreibt usw.
Ich habe mir zwar eine Liste angefertigt mit allen möglichen Werbemitteln die mir im Laufe der Zeit eingefallen sind. So habe ich eine Auswahl an der ich mich bedienen kann, aber ich kann die jeweiligen Erfolgsquoten nicht einschätzen und habe einfach Angst, dass ich dem Kunden etwas vorschlage, was dann gar nichts bringt. Garantien gibts wahrscheinlich nicht, nur Erfahrungswerte (die ich leider noch nicht hab), stimmts?

Vielen, vielen Dank!

Liebe Grüße

Sabine Nimser

Hallo Sabine,

gern geschehen.

Zu deinen weiteren Fragen:
Dein erstes Angebot betrifft nur die Erarbeitung der Vorgehensstrategie.

In dieser Vorgehensstrategie wird erarbeitet und empfohlen, welche Wege aus deiner Sicht beschritten werden sollten und warum sie empfehlenswert sind gegenüber anderen eventuell möglichen Wegen oder Methoden. Dabei kannst du auch gleich die Kosten/Nutzen-Effekte einfliessen lassen falls bereits kalkulierbar. Im großen und ganzen versteht sich die Vorgehensstrategie aber als ein „Überblick“ des Vorgehens. Ist es ein großer Kunde kann und sollte darin natürlich auch der übliche BWA-Kram wie z.B. SWAT-Analyse usw. des Kunden/des Produkts integriert werden, die dann ja auch deine empfohlene Vorgehensweise untermauern oder Beweisführen. Also definitiv noch nicht klein-klein ("…wir verteilen Lang-DIN-Flyer in Fußgängerzonen") sondern die große Linie ("… wir empfehlen eine Anzeigenkampagne, unterstützenden Kinospot + Unterstützung durch lokale Samplings, weil…"). Das Runterbrechen auf die einzelnen Werbemittel kommt erst im nächsten Angebot zur Umsetzung.
Hier wird dein Kunde dann auch seine Meinung und Einstellung zur geplanten Strategie kundtun. Eventuell liegst du ja aus seiner Sicht „komplett daneben“ und er hat sich etwas völlig anderes vorgestellt. Hier helfen dir dann die vorher gemachten Überlegungen und Analysen, selbst wenn sie eventuell nur im größeren Freundeskreis eruiert wurden. (Muss man dann ja nicht in aller Ausführlichkeit erwähnen.) Gerade diese Analysen überzeugen Kunden häufig, da sie für ihn teilweise augenöffnend sind und echte Aha-Effekte auslösen weil er gar nicht wusste das sein Produkt oder seine Dienstleistung nicht verstanden werden.Eventuell findest du bei deiner Analyse auch heraus dass eine Namens- oder Logoänderung empfehlenswert ist.

Dann folgt:
Das Angebot zur Umsetzung der einzelnen Werbemaßnahmen

Hier kommen nun dezidiert die einzelnen, mit deinem Kunden vereinbarten, Maßnahmen auf die Bühne. Dazu muss ich dir ja sicher nichts sagen.

Oft eingesetzte Werbemittel zur Neukundengewinnung gibt es meines Erachtens nach nicht wirklich. Das hängt ja, wie du schon schreibst total von der Zielgruppe ab. Wo und wie macht er sein Geschäft? Verkauf/Dienstleistung/Beratung? Soll der potentielle Neukunde auf eine Webseite gelotst werden oder in ein Geschäft? Wie ist der Onlineauftritt deines Kunden? Noch Zeitgemäß oder Überarbeitungsbedürftig?

Auf Messen brauchst du Give-aways, bei Mailings brauchst du ganz andere Ideen. Dazu kommt es natürlich auch darauf an, ob dein Kunde überhaupt schon seiner Zielgruppe bekannt ist oder nicht. Ansonsten benötigt er ja erst mal die entsprechende Bekanntheit, die dazu erst durch Anzeigen oder z.B. Plakate hergestellt werden müsste. Zum Beispiel sind 18/1-Plakate auch in kleinen Mengen, sogar individualisiert, relativ kostengünstig und im regionalen Bereich sehr nützliche Werbeträger.

Du siehst schon: Viele „eventuell“, „könnte“, „teilweise“ und „manchmal“. Garantien für den Werbeerfolg gibt es halt eigentlich nie. Oder sie hängen davon ab, welche Messlatte man zur Erfolgsbestimmung heranzieht. Rede doch im Zweifelsfall mal mit dem Hersteller des von dir angedachten Werbemittels, ob er dir Fallbeispiele geben kann. Die sind zwar meist positiv in seinem Sinne gefärbt, geben dir aber Indizien.

Ich hoffe ich konnte dir etwas weiterhelfen.

Viele Grüße und viel Glück (das immer dazugehört)
Dirk

Hallo Dirk!

Du hast mir wirklich sehr weiter geholfen! Jetzt habe ich endlich mal ein klares Bild vor Augen wie das so abläuft. Du hast es mir auch wunderbar erklärt. Das gibt mir auf jeden Fall mehr Sicherheit bei Kundengesprächen und ich weiß jetzt endlich wie ich solche Aufträge angehe.

Vielen lieben Dank!
Sabine