altjiranga - Traumzeit
Hi Can,
die Aborigines erzählen
„Aborigines“ ist ein Sammelbezeichnung für eine große Menge von Stämmen mit ebensovielen Sprachen (man hat einmal an die 300 gezählt, heute sind noch ca. 50 aktuell. Und alle diese Stämme haben unterschiedliche Sammlungen und Typen von Mythen.
Der Begriff, den Baldwin Spencer und Francis Gillen 1899 mit „dreamtime“ übersetzten, bezieht sich zwar auf ein Mythem, das sich in beinahe allen Stämmen in verwandter Form (allerdings mit sehr unterschiedlichen Wörtern bezeichnet) gefunden wurde, hat aber weder mit „Traum“ noch mit „Zeit“ etwas zu tun. Allerlei romantisch-mythische und mystisch sein wollende Phantasien haben sich daraus abgeleitet, die mit der Denkweise der indigenen Völker nichts zu tun haben und von denen diese sich heute heftig distanzieren.
Spencer/Gillen gaben damit ein Wort aus der Sprache des zentralaustralischen Stammes der Aranda wieder: altjiranga, in der Literatur hat sich das als Alcheringa breitgemacht. Es geht um einen Bereich der Zeitlosigkeit, der daher ebenso immer „jetzt“ ist, wie er auch natürlich vor und bei der Entstehung des „Landes“ eine Rolle spielte.
Ein sakraler Bereich, in dem auch der „Geist“ des einzelnen Menschen seinen Ursprung hat: Vom Vater wird er als „Idee“ entworfen und durch die Mutter bzw. den Mutterschoß realisiert. So entsteht ein Mensch. Und bei seinem Tode geht sein Geist dorthin zurück.
Das Aranda-Wort altjira rama bedeutet daher ungefähr die Fähigkeit, diese „geistige“ oder ewige Natur eines anderen Menschen „sehen“ zu können. Nur Eingeweihte haben diese Fähgikeit.
Darüber hinaus kamen aus altjiranga auch alle jene schöpferischen Gestalten, die für die Erscheinungen auf der Erde und am Himmel verantwortlich waren. Sie haben sich (teilweise, da die Mythen in dem Punkt sehr differieren) selbst in Berge, Gewässer, Pflanzen, Tiere, Steine verwandelt - und bilden daher ein geheimes, dem profanen Menschen unsichtbares Netzwerk von Lebewesen und geografischen Orten in der Landschaft. Solche Eingeweihte, die ebendieses „sehen“ können, können sich auch in Gegenden orientieren, in denen sie noch nie selbnst gewesen sind.
Von frühen christlichen Missionaren wurde viel mythisches Material gesammelt, ebenso Dokumente der vielen inzwischen verschwundenen Sprachen. Leider sind dadurch zugleich die Mythen auch christlich kontaminiert worden.
Gruß
Metapher