Hallo,
ich komme eben aus Ägypten zurück, habe dort u.a. den Tempel
von Abu Simbel gesehen, der ja wegen des Assuan Staudammes
zersägt und an höherer Stelle wieder aufgebaut wurde.
Ein Film hat angedeutet, daß der ganze Tempel, der ganze Stein
mit der Hand zersägt wurde. Hat mich nun doch gewundert. Aber
niemand konnte mir was genaueres sagen.
Hallo Antal
die Projektleitung hatte die deutsche Baufirma Hochtief aus Essen, das zersägen übernahmen italienische Spezialisten aus den Marmorsteinbrüchen von Carrara, natürlich hat man moderne Geräte benutzt, mit der Hand sägen hätte viel zu lange gedauert, das Wasser im Stausee stieg ja schon, da war höchste Eile geboten.
Hier ist eine Chronologie, wirklich eine Meisterleistung:
Die Rettungsaktion
1959 begann unter Präsident Gamal Abdel Nasser der Bau des neuen Staudamms von Assuan. Gleichzeitig ordnete der ägyptische Staatschef wissenschaftliche Untersuchungen an, um die nubischen Tempelanlagen auf dem Gebiet des künftigen Stausees vor dem Untergang zu retten. Die UNESCO (United Nations Educational, Scientific, and Cultural Organization - Organisation der Vereinten Nationen für Wissenschaft, Erziehung und Kultur) rief 1960 ihre Mitgliedsstaaten zur finanziellen und technischen Hilfe auf. Über 50 Länder beteiligten sich, spendeten über 40 Millionen US-Dollar. Verschiedene Rettungspläne wurden erarbeitet, unter anderem für die Umsetzung der Felsentempel von Abu Simbel. Dabei fiel die Wahl auf den Plan aus Schweden, den in den Fels gehauenen Tempel zu zersägen und zu versetzen. Für die Ausführung wurde am 16. November 1963 der Vertrag mit dem deutschen Unternehmen Hochtief unterzeichnet.
Die Arbeiten
Kurz danach liefen die schwierigen Arbeiten an. Sie waren nicht nur kompliziert, sondern standen zudem unter enormem Zeitdruck, denn das Wasser des Stausees stieg bereits, erreichte im November 1964 bis auf zwei Meter die Krone des provisorischen 360 Meter langen Schutzdammes. „Nur unter Aufbietung aller technischen Mittel und härtestem perönlichen Einsatz gelingt es, die Gefahr zu bannen, den Damm zu jener Höhe zu vollenden, die der Nil für die Zeit der Arbeiten nicht mehr zu überschreiten vermag“, ist in einem Bericht von Hochtief zu lesen.
Danach wurde das 60 Meter hohe Gebirge über dem Tempeln abgetragen. Um die Kolossalstatuen der beiden Tempel zu schützen, wurde der poröse Sandstein mit Kunstharzinjektionen verfestigt, die Fassaden bekamen eine Schutz-„Verpackung“ aus Wüstensand. Nun konnten die italienischen Spezialisten aus den Marmorbrüchen von Carrara die Tempel in 1041 Blöcke zersägen. Die bis zu 30 Tonnen schweren Steinquader wurden gekennzeichnet, per Lastwagen zum 60 Meter höher und 180 Meter landeinwärts gelegenen neuen Standort transportiert und exakt in ihrer ursprünglichen Ausrichtung wieder zusammengesetzt. Darüber wurde eine gigantischen Betonkuppel zur Verankerung der Blöcke gegossen. 1980 wurde das von etwa 800 Arbeitern geschaffene technische Wunderwerk offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Nur wer genau hinschaut, wird die Schnittnähte erkennen, und die mit Sand, Geröll und Felsrekonstruktionen abgedeckte Kuppel, die ebenfalls von innen zu besichtigen ist, wirkt wie ein natürlicher Berg.
Wie unglaublich präzise die Spezialisten in Abu Simbel gearbeitet haben, zeigt sich besonders an zwei Tagen im Jahr: Die Baumeister von Ramses II. hatten den großen Tempel so ausgerichtet, dass jedes Jahr am 22. Februar und 22. Oktober die Strahlen der aufgehenden Sonne auf die Figuren von Göttern und Herrscher im „Allerheiligsten“ treffen. Den Ingenieuren der Neuzeit gelang es, den Tempel bei der Umsetzung so zu plazieren, dass dies Schauspiel noch heute zu bestaunen ist - nur jeweils um einen Tag versetzt am 21.
Gruß
Rainer