Ärger als Arbeitnehmer mit dem Betriebsrat

Hallo liebe Experten,

folgende Szenarien:

  1. Betrieb X hat einen Betriebsrat. Arbeitnehmer (AN) ist im Betrieb X angestellt und sehr engagiert. Überstunden werden von AN freiwillig geleistet. Die Arbeitsstunden belaufen sich hier gelegentlich auf bis zu 10, mit Pause also 11 Stunden im Betrieb.
    Nach solchen Tagen wird die gesetzliche Pause zwischen den Arbeitstagen eingehalten.

Darf der Betriebsrat Überstunden begrenzen, wenn diese freiwillig geleistet werden und sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens befinden?

  1. Der Betriebsrat fordert von der Lohnbuchhaltung die Gehaltslisten der AN, um die Fairness der Gehälter zu überprüfen. 
  2. Darf der AN dies verweigern, wenn er das nicht wünscht?
  3. Wenn der Betriebsrat es darf, kann AN mitbestimmen, welches Betreibsratmitglied Einsicht hat, da AN einigen Mitgliedern des Betriebsrates nicht traut?
  4. Welche Möglichkeiten hat AN, wenn Informationen über sein Gehalt doch veröffentlicht werden bzw. unter Kollegen die „Runde“ machen? (Konsequenzen für Betriebsrat?)

Und nun noch die generelle Frage:
Kann sich AN gegen einen Betreibsrat „quer stellen“, wenn der Betriebsrat aus seiner Sicht nicht seine Interessen als AN vertritt sondern ihn eher blockiert im beruflichen Streben?

Vielen Dank im voraus für Antworten

Darf der Betriebsrat Überstunden begrenzen, wenn diese
freiwillig geleistet werden und sich innerhalb des
gesetzlichen Rahmens befinden?

Der Betriebsrat (BR) hat eine gesetzlichen Aufgabe. Sehr allgemein gesprochen ist es seine Aufgabe, dass die Gesamtheit der AN vom AG nicht benachteiligt werden. Dazu gehört auch, dass Überstunden begrenzt werden; unabhängig ob angeordnet oder freiwillig geleistet.

Soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, hat der Betriebsrat bei der vorübergehenden Verkürzung (Kurzarbeit) oder Verlängerung (Überstunden) der betriebsüblichen Arbeitszeit mitzubestimmen, (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Das Mitbestimmungsrecht setzt einen kollektiven Tatbestand voraus.

Mit Hilfe der Mitbestimmung des Betriebsrats sollen die Interessen der Arbeitnehmer an einer sinnvollen Arbeitszeit- und Freizeiteinteilung und -gestaltung besser geschützt werden (BAG v. 21.12.1982 - 1 ABR 14/8). Der Betriebsrat soll daher mitentscheiden bei den Fragen, ob zusätzlicher Arbeitsbedarf durch eine vorübergehende Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit abgedeckt werden soll und welche Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmergruppen diese Arbeiten zu welchen Zeiten und in welchem Umfang leisten sollen (Verteilungsgerechtigkeit, BAG v. 23.7.1996 - 1 ABR 17/96).

Um dem Schutzinteresse der Mitarbeiter gerecht zu werden, unterliegen nicht nur die vom Arbeitgeber angeordneten Überstunden, sondern auch die nur geduldeten, d.h. die von ihm entgegengenommenen und in Freizeit oder mit Geld vergüteten Überstunden, dem Mitbestimmungsrecht. Auch wird es nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Überstunden von den betroffenen Beschäftigten freiwillig geleistet werden (BAG v. 27.11.1990 — 1 ABR 77/89).

In diesem Zusammenhang: Der Begriff „Überstunden“ ist von dem der „Mehrarbeit“ zu unterscheiden. Als Mehrarbeit gilt nach dem arbeitsrechtlichen Sprachgebrauch jede Arbeit, die über die normale gesetzliche Arbeitszeit, das heißt über werktäglich 8 Stunden, hinausgeht.

  1. Der Betriebsrat fordert von der Lohnbuchhaltung die
    Gehaltslisten der AN, um die Fairness der Gehälter zu
    überprüfen. 
  2. Darf der AN dies verweigern, wenn er das nicht wünscht?

Nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Für Betriebsräte mit weniger als neun Mitgliedern besteht das Einblicksrecht für den Betriebsratsvorsitzenden oder ein durch Betriebsratsbeschluss anderweitig bestimmtes Betriebsratsmitglied.

Das Einblicksrecht des Betriebsrats bezieht sich jedoch nicht auf die Gehälter der leitenden Angestellten, da diese keine Arbeitnehmer im Sinne der Betriebsverfassung sind und der Betriebsrat sie nicht vertritt.

Die Bruttolohn- und Gehaltslisten sind in ihren Bestandteilen aufzuschlüsseln. Es reicht nicht aus das Gesamtbrutto anzugeben. Alle einzelnen Vergütungsbestandteile, wie z.B. Grundgehalt, Zulagen, Sondervergütungen, Prämien und dgl. sind anzugeben.

Durch das Einblicksrecht des Betriebsrats soll es diesem ermöglicht werden, Eingruppierungen auf ihre Richtigkeit prüfen zu können, die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu kontrollieren und ggf. die Einhaltung von Betriebsvereinbarungen nachvollziehen zu können.

Der Betriebsrat ist Hüter der Lohngerechtigkeit und Transparenz im Betrieb (vgl. BAG 28.04.1998, Az.: 1 ABR 50/97).

Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Aushändigung der Listen. Er darf während der Einsichtnahme nicht gestört oder behindert werden. Die Einsicht nehmenden Betriebsratsmitglieder dürfen sich Notizen machen.

Der Betriebsrat darf ohne besonderen Anlass von seinem Einsichtsrecht Gebrauch machen. Allerdings darf er nicht rechtsmissbräuchlich vorgehen, z.B. Einsichtnahme einmal wöchentlich, willkürlich ohne Grund.

Die Einsicht nehmenden Betriebsratsmitglieder sind berechtigt, die gesammelten Informationen dem Betriebsrat zuzuleiten, damit dieser entscheiden kann, ob begründeter Handlungsbedarf besteht.

Stellt der Betriebsrat Ungleichbehandlungen fest, so kann er die davon betroffenen Arbeitnehmer darüber informieren (vgl. F.K.H.E. § 80 Rn.70, 20. Auflage).

Der Betriebsrat hat auch ein Recht auf Einsichtnahme hinsichtlich der Gehälter von AT-Angestellten. Durch eine evtl. Verweigerungshaltung von einzelnen Arbeitnehmern kann dem Betriebsrat das Recht auf Einsichtnahme nicht verwehrt werden.

  1. Wenn der Betriebsrat es darf, kann AN mitbestimmen, welches
    Betreibsratmitglied Einsicht hat, da AN einigen Mitgliedern
    des Betriebsrates nicht traut?

Das wird insofern in der Praxis schwierig bis unmöglich umzusetzen sein, da der BR ein Gremium ist und die Ergebnisse in diesem Gremium bekannt gegeben werden.

  1. Welche Möglichkeiten hat AN, wenn Informationen über sein
    Gehalt doch veröffentlicht werden bzw. unter Kollegen die
    „Runde“ machen? (Konsequenzen für Betriebsrat?)

Auch der BR hat eine Verschwiegenheitspflicht. (§§ 79, § 82 Abs. 2, 83 Abs. 1, 99 Abs. 1, 102 Abs. 2 BetrVG, § 116 AktG i. V. m. § 93 Abs.2 AktG, § 17 UWG, § 5 BDSG ). Wenn nachweisbar die Informationen durch eine Indiskretion des BR bekannt werden kann ein grober Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht dazu führen, dass (der Arbeitgeber) beim Arbeitsgericht die Amtsenthebung von einzelnen Betriebsratsmitgliedern oder die Auflösung des Betriebsrats beantragt (§ 23 Abs. 1 BetrVG).
Sehr schön passt in diesem Zusammenhang auch der § 120 Abs 2 BetrVG:
Wer in seiner Eigenschaft als Mitglied oder Ersatzmitglied des Betriebsrats ein fremdes, namentlich ein zu dem persönlichen Lebensbereich eines Arbeitnehmers gehörendes und der Schweigepflicht unterliegendes Geheimnis erfährt und offenbart, wird mit Haft- oder Geldstrafe bestraft

Und nun noch die generelle Frage:
Kann sich AN gegen einen Betreibsrat „quer stellen“, wenn der
Betriebsrat aus seiner Sicht nicht seine Interessen als AN
vertritt sondern ihn eher blockiert im beruflichen Streben?

Vielen Dank im voraus für Antworten

Jeder BR wird gewählt und will wieder gewählt werden. Ein generelles Handeln gegen die Interessen der AN wird sehr schnell beendet; in dem er von der Belegschaft nicht wieder gewählt wird.

Hallo Georg,

wenn ein Arbeitnehmer in einem Forum so eine detailierte und aussagekräftige Antwort erhält, ist er mit Sichherheit sehr, sehr dankbar :wink:

Viele Grüße

„Soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, hat der Betriebsrat bei der vorübergehenden Verkürzung (Kurzarbeit) oder Verlängerung (Überstunden) der betriebsüblichen Arbeitszeit mitzubestimmen, (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Das Mitbestimmungsrecht setzt einen kollektiven Tatbestand voraus.“

Wie könnte ein kollektiver Tatbestand aussehen?

Grins, schon klar worauf du hinaus willst. Danke für die Möglichkeit einer Klarstellung

  1. Der Betriebsrat hat in diesen Fällen immer mitzubestimmen, wenn es um die betriebsübliche Arbeitszeit geht, sowohl grundsätzlich als auch in jedem Einzelfall!

  2. Grundsätzlich unterliegen nur kollektive Regelungen dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 BetrVG. Anders ausgedrückt: Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht grundsätzlich nur dann, wenn es um die Festlegung allgemeiner (kollektiver, genereller) Regelungen geht. Auf die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer kommt es NICHT an.

Besser ? :smile:

Der Betriebsrat hat unter anderem die Aufgabe zu verhindern, dass Mitarbeiter übermäßig belastet werden. Eine übermäßige Belastung darf er auch dann nicht zulassen, wenn der Mitarbeiter ihr zustimmt. Allerdings mag im Einzelfall infrage stehen, ob eine vom Arbeitgeber beantragte Zusatz-Belastung eines (zustimmenden) Mitarbeiters übermäßig ist. 

Zu den Fragen:

  1. Darf der Betriebsrat Überstunden begrenzen …“: Ja, das darf er. Er muss darauf achten, dass 1. der Mitarbeiter sich nicht selbst ausbeutet und 2. er nicht durch seine Bereitschaft, über seine arbeitsrechtlichen Pflichten hinaus Leistung zu erbringen, Druck auf andere Arbeitnehmer zu erzeugen („die Preise zu verderben“). Deshalb ist der BR unabhängig vom Votum des im Einzelfall betroffenen Mitarbeiters.
  2. Darf der AN die Herausgabe der Gehaltslisten verweigern“: Nein. Aus den genannten Gründen hat der BR eine Überwachungs-Pflicht, die nicht durch ein persönliches Veto begrenzt werden kann.
  3. kann AN mitbestimmen, welches Betreibsratmitglied Einsicht hat“: Nein. Der BR handelt als souveränes Gremium, das nach eigener Entscheidung Aufgaben intern verteilt und somit selbst bestimmt, welches seiner Mitglieder die dazugehörenden Informationen erhält. Hier hat allerdings der BR-Vorsitzende die Möglichkeit, mögliches Misstrauen zwischen einzelnen BR-Mitgliedern und betroffenen Belegschafts-Mitgliedern steuernd zu berücksichtigen.
  4. Welche Möglichkeiten hat AN, wenn …“: Gehaltsdaten sind in der Regel vertraulich, und die Bekanntgabe vertraulicher Daten ist eine grobe Pflichtverletzung, die auf Antrag des Arbeitgebers, der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder eines Viertels der Belegschaft zum Ausschluss des „Bösewichts“ aus dem Betriebsrat führen kann.
  5. Kann sich AN gegen einen Betreibsrat „quer stellen“ …“ Nein. Wenn ein Arbeitnehmer der Meinung sit, sein Betriebsrat (oder einzelne seiner Mitglieder) würde seine Interessen nicht so vertreten, wie er es wünscht, kann er eine Änderung in der Regel nur bei der nächsten BR-Wahl bewirken. 

Eben sehe ich gerade, dass auch „GEORG“ gerade geantwortet hat. Dieser Antwort ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Zu beachten ist eben, dass der BR auch die Aufgaben hat, 1. die Belegschaftsmitglieder vor einem Druck zu bewahren, den der Arbeitgeber mit Hinweis auf „Überflieger“ oder „Streber“ aufbauen könnte, und 2. übertrieben Leistungsbereite vor Selbstausbeutung zu schützen.

Hallo,
zu 1. Ja über eine BV, kann geregelt werden, wieviel der AN Mehrstunden machen kann und wann sie ausgezahlt werden.
zu 2.1. Nein
zu 2.2. Nein, die Mitglieder des BR haben Schweigepflicht!! Belehrung!
zu 2.3. Der AN kann den BR verklagen und damit seines Amtes entheben, das ist eine sehr ernste Sache!
Lohnlisten also immer anonym besprechen, hier geht es ja darum, Ungerechtigkeiten aufzudecken zu Gunsten der AN.
LG

Hallo,

war in Urlaub, daher erst jetzt eine Info!

Ich schließe mich den Ausführungen von modern39 an! Hier wurde alles richtig wiedergegeben und begründet!!

MfG
Bartblume