Ästhetik und Freiheit

Ästhetik und Freiheit
Was ist Kunst und ihre Bedeutung für die individuelle menschliche Bewusstseinsentwicklung und die allgemeine Kulturentwicklung? Die folgende Konzeption wurde immer wieder mehr oder weniger bewusst aufgegriffen, aber ebenso oft wieder verlassen: Kunst hat weder Vollendung noch Zerstörung der Vergangenheit zum Ziel, sie stellt weder Gewordenes (noch einmal) dar, noch demontiert sie bisher Geschaffenes und Daseiendes; in der Kunst werden weder bestimmte Zukunftsentwürfe produziert noch werden solche vermieden. Ihr eigentliches Anliegen ist elementar: gegenwärtige Existenz. Mit anderen Worten: In der Kunst geht es um das Schaffen eines aktuellen und bis ins Einzelne durchgestalteten gegenwärtigen Kosmos, in jedem konkreten Werk oder Werkzyklus. Dadurch wird Vergangenes transformiert und Zukünftiges ermöglicht, aber nicht vorausgenommen. Ihre Bedeutung für die Zukunft schöpft sich allein aus ihrer Vollendung in der und für die Gegenwart.

Falls es eine «Utopie des Kunstschaffens» gibt, dann ist es folgende offenlassende Aussicht: Wenn es handelnden Menschen im allgemeinen gelingen wird, was Menschen als Künstler und Künstlerinnen im besonderen in individueller Vielfalt und im umgrenzten Rahmen schaffen, nämlich zartfühlend mit dem Gegebenen, mit der Vergangenheit umzugehen, und sie dennoch durchgehend, Ideen- und tatkräftig zu transformieren, neu zu ordnen, dann kann vielleicht der Kunst eine bahnbrechende, eine einen «ästhetischen Freiraum» schaffende Rolle für die Kulturentfaltung zukommen. Dann kann sich nämlich der sich so zur Freiheit durchringende Mensch in seinen Handlungen immer mehr schaffend in der Welt und dadurch auch sich selbst finden. So wird Kunst zum Pionier für eine ästhetisch durchgestalte Lebenswelt für freie Menschen.
Renatus Ziegler - Basel im Oktober 2008

Hallo,
Ein Referat mit schönen, letztendlich nichtssagenden, Worten.
Was ist Deine Frage wirklich ?
V.

Hallo,
Ein Referat mit schönen, letztendlich nichtssagenden, Worten.
Was ist Deine Frage wirklich ?
V.

Ich denke, hier wurde (einfach) ein Zitat eingestellt…
siehe unter http://www.anthrophil.ch/konzept.php

Da also keine Abgrenzung zum Zitat in Form einer eigenen Fragenformulierung zu erkennen ist, frag’ ich mich, ob „Anthro“(posoph) hiermit das Ziel verfolgt, mal abzuklopfen, was so die Leute von „seinem“ (zieglerschen) Utopie-Konzept halten könnten?

Kann man ja machen - aber dann bitte auch „frei und gerade heraus“?

Gruß - icage

Wahre Transformation geht nur auf breiter Front
Hi Anthro.

Ich weiß deine Fragestellung wirklich zu schätzen. Viktors Einwand ist aber nicht ganz unverständlich: du sprichst hier, abgesehen von wenigen Ausnahmen (zu denen ich nicht gehöre), keine Philosophie- und Kunsttheorieprofis an, sondern interessierte Amateure und Laien. Daher bedürfte es für deine Fragestellung bei den allermeisten LeserInnen eine Übersetzung ins Allgemeinsprachliche. Ich versuche einen Brückenschlag, weil das Unmögliche nun einmal meine Passion ist.

Was ist Kunst und ihre Bedeutung für die individuelle
menschliche Bewusstseinsentwicklung und die allgemeine
Kulturentwicklung?

Das ist deine Frage, sie ist klar formuliert. Soweit ok.

Ihr eigentliches Anliegen ist elementar: gegenwärtige Existenz.
Mit anderen Worten: In der Kunst geht es um das Schaffen eines
aktuellen und bis ins Einzelne durchgestalteten gegenwärtigen
Kosmos…

Betrachten wir dieses „eigentliche Anliegen“ etwas genauer.

Ich muss dabei was vorausschicken: Ich selbst bin Künstler (Musik, Malerei, Drehbücher), du vermutlich ein Kunsttheoretiker. Das ist wie der Unterschied zwischen „ficken“ und „kopulieren“. Das Problem ist nämlich, dass Kunsttheoretiker in Kunstwerke gerne Dinge hineininterpretieren, die der Künstler selbst überhaupt nicht bewusst hinein-gestaltet hat. Die meisten Künstler, wiewohl in der Regel nicht theoriefeindlich (ich bin es nicht) sind in der PRAXIS aber sehr spontan und ohne besondere Reflexion auf die Kontexte, sie sind jedenfalls sehr viel weniger auf theoretische Kontexte bedacht als akademische Kunsttheoretiker, deren Job es ja ist, Kunst und Theorie miteinander zu verbinden und darüber kluge Bücher zu schreiben. Ich glaube, es war Picasso, der sich einmal den Scherz erlaubte, irgendein völlig sinnloses Bild zu malen, und es dann den Kunsttheoretikern präsentierte, die die unglaublichsten Betrachtungen darüber anstellten, was sich Picasso dabei alles gedacht hatte.

Das nur am Rande. Ich will damit deine Fragestellung nicht entwerten, sie ist wichtig.

Dadurch wird
Vergangenes transformiert und Zukünftiges ermöglicht, aber
nicht vorausgenommen. Ihre Bedeutung für die Zukunft schöpft
sich allein aus ihrer Vollendung in der und für die Gegenwart.

Nun, ich denke, dass Zukünftiges sehr wohl „vorausgenommen“ werden kann. Nehmen wir die Romane von Henry Miller: sie gelten als frühe Boten der sexuellen Revolution. Das geht über Ermöglichung hinaus, denn diese Entwicklung, die in der 60ern einsetzte, MUSSTE irgendwann kommen. Miller hat sie ermöglicht UND vorausgenommen. Der Unterschied zwischen Zukunft und Gegenwart ist in der modernen Kunst ohnehin kaum realisierbar: sie ist meistens ein Vorgriff auf künftige Entwicklungen, Künstler sind Visionäre, ihre Visionen sehen in der Gegenwart das, was innerhalb dieser Gegenwart noch mangelhaft, keimhaft oder verborgen ist, aber kommen SOLLTE - um den Horizont der Menschen zu erweitern.

Das also wäre MEINE Definition guter Kunst: sie ist Bewusstseinserweiterung mit den Mitteln künstlerischer Symbolik.

Wenn es handelnden Menschen
im allgemeinen gelingen wird, was Menschen als Künstler und
Künstlerinnen im besonderen in individueller Vielfalt und im
umgrenzten Rahmen schaffen, nämlich zartfühlend mit dem
Gegebenen, mit der Vergangenheit umzugehen…

Das mit dem „zartfühlend“ solltest du schnell vergessen. Da spürt man bei dir den Theoretiker. „Sensibel“ wäre ok. Künstler aber, die „zart fühlen“, werden sich auf dem Markt nie durchsetzen. Hier ist letztlich Härte gefragt. Bekanntlich schätzen Frauen Zärtlichkeit nur dann wirklich, wenn sie von starken Männerhänden kommt (abgesehen von „I kissed a girl“ - Varianten, die auch ok sind).

und sie dennoch durchgehend, Ideen- und tatkräftig zu transformieren, neu zu ordnen,

Ja, die Künstler, wie auch die Wissenschaftler, stehen immer auf den Schultern vorausgehender Generationen, das wissen sie alle sehr gut, und ihr Job ist es, aktuelle Einflüsse aus anderen Sparten (Philosophie, Naturwissenschaft usw.) aufzunehmen und in ihr Schaffen einzubringen. Nur so ist Fortschritt möglich.

dann kann vielleicht der Kunst eine bahnbrechende,
eine einen «ästhetischen Freiraum» schaffende Rolle für die
Kulturentfaltung zukommen.

Ja, aber sie kann nicht die GANZE Arbeit machen. Kunst schafft eine Symbolwelt, die unterhält und womöglich auch inspiriert, die aber nie und nimmer Nicht-Künstler TRANSFORMIEREN kann. Und um diese Transformation scheint es dir doch zu gehen. Ich denke, dieser Prozess muss auf breiterer Front angegangen werden: Politik, Erziehung, Kunst, Philosophie, spirituelle Praxis. Das sind die relevanten Fronten (habe ich eine vergessen?)

So wird Kunst zum Pionier für eine ästhetisch
durchgestalte Lebenswelt für freie Menschen.

Ich denke, die wahren Pioniere sind die Philosophen. Mit denen verbünden sich dann die Künstler, die Politiker usw. Bis das alles dann mal beim Normalmenschen landet, das kann dauern. Noch einige Tausend Jahre.

Minimum.

Gruß

Horst

Hi Anthro.

Das mit dem „zartfühlend“ solltest du schnell vergessen. Da
spürt man bei dir den Theoretiker. „Sensibel“ wäre ok.
Künstler aber, die „zart fühlen“, werden sich auf dem Markt
nie durchsetzen. Hier ist letztlich Härte gefragt. Bekanntlich
schätzen Frauen Zärtlichkeit nur dann wirklich, wenn sie von
starken Männerhänden kommt (abgesehen von „I kissed a girl“ -
Varianten, die auch ok sind).

Von welcher Art der Bewusstseinserweiterung sprichst du eigentlich?
Von der, wonach man als (männlicher) Künstler den Markt wie eine „Frau“ versteht, die man nur "durchf***en muss? Im Ergebnis hätten wir dann eine „F*ck“-Gesellschaft… stell ich mir echt super „frei“ vor - für „echte Kerle“, wie Du ja einer sein musst.

iceage

Iceage

1 Like

Klarstellung
Leider enthüllte mir erst iceages zeitgleicher Beitrag den Kontext des Postings.

Ich kann iceage nur zustimmen: solche undercover-Kampagnen sind sehr fragwürdig. Zumal der wirkliche Hintergrund der Fragestellung (die Steinersche Christologie) alles in einen ganz anderen Zusammenhang rückt, als ich vermutet hätte. Und das mit Steiners „Liebes“-Botschaft - ich weiß nicht so recht:

Wiki (Rudolf Steiner):

„Im Kampf gegen den Kriegsschuldvorwurf an Deutschland finanzierte Steiner sogar eine verschwörungstheoretische Schrift, in der Freimaurern, Juden und Theosophen die Schuld am Ersten Weltkrieg angelastet wurde. Diese Schrift des Schweizer Okkultisten Karl Heise, die mit einer Einleitung Steiners versehen war, wurde später von den Nationalsozialisten rezipiert.[50] Heise, Schüler des völkischen Runen-Mystikers und Ariosophen Guido von List, hatte aktiv die Nähe des Nationalsozialismus gesucht und vor allem in dem okkultismus-affinen Heinrich Himmler einen interessierten Leser gefunden.“

Zitat ENDE.

But nobody is perfect. Das alte Lied.

Auf jeden Fall hätte ich in meiner Antwort die Akzente anders gesetzt, hätte ich vorher davon gewusst. Kritischer. Denn der weichliche Stil ist doch sehr verdächtig. Sehr einlullend. Vielleicht auch sehr trügerisch (wie der undercover-Stil des Postings)?

Gruß

Bewusstsein, Sex, Steiners Antisemitismus
Hi iceage.

Künstler aber, die „zart fühlen“, werden sich auf dem Markt
nie durchsetzen …Bekanntlich
schätzen Frauen Zärtlichkeit nur dann wirklich, wenn sie von
starken Männerhänden kommt (abgesehen von „I kissed a girl“ -
Varianten, die auch ok sind).

Von welcher Art der Bewusstseinserweiterung sprichst du
eigentlich?

Das ist ein weites Thema. Ich meine das prinzipiell in der Art, wie Ken Wilber sie propagiert:

http://www.integralworld.net/de/visser_novalis.html

Hier findest du eine kompetente Zusammenfassung von Wilbers Sicht der Dinge.

Von der, wonach man als (männlicher) Künstler den Markt wie
eine „Frau“ versteht, die man nur "durchf***en muss?

Verstanden zu werden ist eine Kunst, die keiner beherrscht. Auch ich nicht.

Ich wollte damit nämlich nur andeuten, dass „zart fühlen“ absolut keine Tugend ist, mit der ein Künstler sinnvollerweise heutzutage produzieren kann. Alternativ, und das hast du übersehen, sprach ich von „Sensibilität“. Zartfühlend, das ist Steinersche Kitschromantik. Wie „zartfühlend“ Steiner real mit Andersdenkenden umsprang, habe ich im Posting „Klarstellung“ angedeutet: er schwärzte Theosophen und Juden an, und die Nazis flogen darauf wie die Motten aufs Licht.

Ergebnis hätten wir dann eine „F*ck“-Gesellschaft… stell ich
mir echt super „frei“ vor - für „echte Kerle“, wie Du ja einer
sein musst.

Also, jetzt mach dir darum mal keinen Kopf. Mir geht es, und das habe ich klar herausgestellt, um spirituelle und politische Transformation. Wenn ich den Unterschied zwischen Kunstpraxis und Kunsttheorie ironisch mit sexuellen Ausdrücken umschreibe, dann soll das die Pointe nur ganz eindeutig ins Hirn des Lesers nageln (schon wieder so ein Ausdruck, sorry). Die Pointe ist umso wichtiger, als gerade die Kunsttheoretiker oft viel Unsinn zusammenfabulieren, worüber sich die Künstler nur wundern können.

Die sexuelle Befreiung haben wir, wie ich schrieb, hinter uns, sie ist schon Routine seit den 60ern. Das hat nichts zu tun mit Trefferquoten und stundenlangem Rammeln: die geistige Einstellung ist hierbei entscheidend. Der pornografische Markt - das ist nur geistige Versklavung. Genau das meine ich ganz und gar nicht.

Wie gesagt: Stichwort Wilber. Der hat das mit den Bewusstseinsebenen am besten dargestellt.

Gruß

Horst

1 Like