Ahnenforschung, bis wie weit ist realistisch?

Hallo zusammen!
Wenn man Ahnenforschung betreiben möchte, bis wie weit zurück kann man forschen?
Ist es realistisch zu hoffen, dass man bis ins 14. Jahrhundert oder noch früher die Vorfahren zurück verfolgen kann?
Wenn man soweit zurückgehen würde, wird man evtl. auf Sprachbarrieren stoßen. Nicht nur, dass zum Beispiel die deutsche Sprache vor ein paar Jahrhunderten anders war und anders geschrieben wurde, es könnte einem ja auch passieren, dass man herausfindet, dass ein Ururururururopa aus einem ganz anderen Land stammt und somit müßte man vielleicht ein Register in einem anderen Land in einer fremden Sprache einsehen, um mit der Ahnenforschung weiter zu kommen, oder?!
Und wie teuer ist das?
Vielen Dank im Voraus.

Guten Abend!

Wenn man Ahnenforschung betreiben möchte, bis wie weit zurück
kann man forschen?
Ist es realistisch zu hoffen, dass man bis ins 14. Jahrhundert
oder noch früher die Vorfahren zurück verfolgen kann?

Manche Familien sind seit vielen Jahrhunderten am gleichen Ort ansässig und die Eingangshalle des Anwesens schmücken Gemälde der Vorfahren - für die Ahnentafel wird man nicht lange forschen müssen. Sie hängt vermutlich ebenfalls an der Wand. Ein anderer Zeitgenosse wurde in der Babyklappe abgegeben und kennt weder Eltern noch genaues Geburtsdatum. Ahnenforschung funktioniert in solchem Fall nicht. Irgendwo dazwischen liegen die Möglichkeiten.

Ein nennenswerter Teil unserer Bevölkerung besteht aus Flüchtlingen und deren Nachkommen. Unterlagen gingen auf der Flucht verloren oder verbrannten während des Krieges. Was noch übrig ist, Kriegswirren und diverse Änderungen von Gesellschafts- und Staatsformen überstand, liegt vielleicht in irgendeinem Keller und dient Mäusen als Behausung. Auf diese Weise können genealogische Mühen schnell an Grenzen stoßen. Die von dir erwähnten sprachlichen Probleme sind nachrangig, weil lösbar.

In vielen Fällen helfen kirchliche Archive, zuweilen auch private Unterlagen weiter. Das funktioniert aber i. d. R. nur an Orten, wo die Leute nicht zwischendurch ihre Heimat verteidigten, bis kein Stein auf dem anderen blieb.

Gruß
Wolfgang

Hallo,

die erste Hürde ist oft der 2. WK wenn es sich um Flüchtlinge handelt, die zweite grosse Hürde für deutsche Ahnenforscher ist meistens der 30-jährige Krieg.
Die meisten bleiben daran hängen, wenns nicht gerade eine adelige Familie ist oder eine alteingesessene, bei der auch anhand auch von durchgängig bewohnten Gebäuden (großer Hof oder Gasthaus ect. ) weiter geforscht werden kann.

Da habens die Briten leichter, dort kommen manche sogar bis zum Domesday Book durch

Grüße
miamei

Servus,

Ist es realistisch zu hoffen, dass man bis ins 14. Jahrhundert oder noch früher die Vorfahren zurück verfolgen kann?

Nein, das wird nicht klappen - miamei hat es schon gesagt warum: Zwischen 1618 und 1648 sind praktisch überall im Gebiet des heutigen Deutschland die Kirchenbücher mindestens einmal verbrannt oder sonstwie zerstört worden.

Wenn es Ausnahmen gibt, hat allerdings ein gewerblicher Ahnenforscher ziemlich leichtes Spiel damit, weiter nach hinten zu kommen, wenn er 1618 mal gemeistert hat: Diese Ausnahmen sind in der Regel gut bekannt und (sekundär) dokumentiert.

Hübsches Beispiel: So einen vom dreißigjährigen Krieg links liegengelassenen Ort gibt es an einem Zufluss der Kinzig, mit der Folge, dass heute, wenn sich irgendwo auf der Welt zufällig zwei Leute mit dem Namen Rauber begegnen, sie ein wenig darüber ratschen, wie sie miteinander verwandt sind - dass sie verwandt sind, wissen sie schon.

Schöne Grüße

MM

Ähm
Hallo,

a) solltest Du Dir wohl Latein aneignen, da Kirchenbücher eine Hauptquelle sind.
b) hast Du bei grob 30 Jahren pro Generation im Jahr 1400 rein rechnerisch etwa 1 Mio Vorfahren. Sind durch „Inzucht“ natürlich nur ein Bruchteil, aber immer noch sehr viele.
c) Wenn es nur um den Namen geht, kann man da gerne (und oft erfolgreich) forschen, aber das ist nur 1 Linie von Tausenden.
d) über Verwandschaft sagt das noch weniger aus, da Kuckukskinder, Adoptionen oder Namensänderungen eher häufiger waren als im 20ten Jahrhundert.

Und wie teuer ist das?

Das größere Problem ist eher Zeit und Glück als Geld.

Gruß
achim

Das lässt sich so allgemein und lauschal nicht beantworten, weil das vor allem davon abhängt, ob die Kirchenbücher erhalten sind.
Die große Lücke ist in der Regel der dreißigjährige Krieg, Ausnahmen gibt es in kleinen Orten. In Güglingen in Württemberg (paar Kilometer westlich von Brackenheim) reuichen die Kirchenbücher bis in die die katholische Zeit vor der Reformation zurück.
in Berg bei Hof gehen die Kirchenbücher bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, aber das ist die Ausnahme. Glücklicherweise habe ich da die Familie meiner Mutter bis 1525 zurückverfolgen können.
Und die Kirchenbücher sind keineswegs in Latein geschrieben, sondern alle in Deutsch., jedenfalls die evangelischen. Nur hin und wieder gibt es lateinische Anmerkungen wie „spurius = Hurenkind“ für ein unehelich geborenes Kind.

Gruß - Rolf

Danke für eure Antworten. Lest euch mal bitte diesen Artikel durch.
http://www.stern.de/wissen/mensch/tipps-richtig-ahne…

Darin steht, dass erst „seit dem Jahre 1876 Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle bei den Standesämtern registriert werden. Vor dieser Zeit haben die Kirchengemeinden Buch geführt.“
Bedeutet das, dass bis zum Jahre 1876 nur kirchliche Trauungen möglich waren und keine standesamtlichen Trauungen?
Und bedeutet es, dass die kirchlichen Trauungen damas rechtlich anerkannt waren, so wie es heute die standesamtlichen Trauungen sind?
Denn nur die standesamtlichen Trauungen werden heute von staatlicher Seite anerkannt, die kirchlichen nämlich nicht. Wenn sich heute also jemand kirchlich trauen läßt, aber nicht standesamtlich, dann ist er definitiv nicht verheiratet.
Die kirchliche Trauung zählt nämlich nicht.

Hallo!

http://www.stern.de/wissen/mensch/tipps-richtig-ahne…

Darin steht, dass erst „seit dem Jahre 1876 Geburten,
Eheschließungen und Sterbefälle bei den Standesämtern
registriert werden. Vor dieser Zeit haben die Kirchengemeinden
Buch geführt.“
Bedeutet das, dass bis zum Jahre 1876 nur kirchliche Trauungen
möglich waren und keine standesamtlichen Trauungen?

Bis 1875 führten im Deutschen Reich (das erst seit 1871 existierte) nur die Kirchengemeinden Bücher über Heirat, Geburten und Todesfälle. Immerhin sind die kirchlichen Strukturen viel älter als hierzulande staatliche Gebilde. So gab es zur Zeit der Reichsgründung noch kein Zivilrecht, wie wir es heute kennen. Das BGB geht auf (wenn ich mich nicht irre) etwa das Jahr 1900 zurück.

Und bedeutet es, dass die kirchlichen Trauungen damas
rechtlich anerkannt waren…

Für Ehe und Familie gab es kein weltliches Recht und es gab keine staatlichen Stellen, die man hätte fragen können, ob sie etwas anerkennen oder nicht. Kleriker hatten das Sagen. Noch bis in die 1960er/frühen 70er Jahre galt es vielerorts als höchst verdächtig, wenn jemand aus der Kirche austreten wollte, wobei sich solche Fragen 100 Jahre zuvor gar nicht stellten. Bis vor gar nicht langer Zeit stellten unverheiratet zusammenlebende Paare etwas Skandalöses dar und nur standesamtliche Trauung galt als irgendwie nicht richtig verheiratet, wurde allenfalls bei Geschiedenen (die damit sowieso schon mit einem üblen Makel behaftet waren) hingenommen.

Denn nur die standesamtlichen Trauungen werden heute von
staatlicher Seite anerkannt, die kirchlichen nämlich nicht.

Inzwischen haben wir ziviles Recht des weltlichen Gemeinwesens, das es vor 150 Jahren noch nicht gab.

Wenn sich heute also jemand kirchlich trauen läßt, aber nicht

So ist es, aber das passiert nicht. Wer heiraten will, geht zum Standesamt und - wenn das Paar möchte - erst danach zur kirchlichen Trauung. Der Pastor/Pfarrer wird mit keinem Paar das Trauungszeremoniell vollziehen, das nicht vorher die Ehe vor einem Standesbeamten geschlossen hat. Weil es gar keine staatliche Institution mit dieser Aufgabe gab, erledigte bis 1875 der Pastor/Pfarrer den Job des heutigen Standesbeamten.

Die kirchliche Trauung zählt nämlich nicht.

Die kirchliche Trauung hat nur noch in der Kirche bzw. in der Kirchengemeinde ihre Bedeutung, nicht vor staatlichen Stellen.

Deine ursprüngliche Frage betraf Ahnenforschung. Dabei spielen Kirchenbücher eine entscheidende Rolle, weil es vor 1876 keine anderen Aufzeichnungen zu Familienständen gab.

Unsere Nachfahren werden es in Sachen Ahnenforschung noch ein bisschen schwerer haben. Etliche Paare verzichten auf die Eheschließung, ein halbes Dutzend Partnerschaften im Laufe der Zeit sind nicht ungewöhnlich, längst nicht jede Vaterschaft wird irgendwo amtlich aktenkundig gemacht und mit der Langzeitstabilität von Datenträgern ist es nicht weit her. Sind Eltern und Großeltern verstorben und jemand möchte im Jahr 2100 etwas über seine Vorfahren wissen, kann ihm passieren, auf wechselnde Wohngemeinschaften von 1970 zu stoßen, um dann aufgeben zu müssen. Zu viele verschiedene Linien müssten zurückverfolgt werden. Dann kommen nur noch Nachfahren krimineller Sippen weiter, weil deren DNA gespeichert ist :smile:

Gruß
Wolfgang

staat und kirche
Hallo,

Staat und Kirche waren in Europa über viele Jahrhunderte quasi eins. Der Papst ist nicht nur Nachfolger Petrus, sondern auch quasi eine religiöse Abspaltung des römischen Kaisers. Die Zugehörigkeit zur (einen) Religion (katholisch) war verpflichtend und selbstverständlich, wie heute die Nationalität. Mit der Reformation brach sich dies zwar auf Landesfürsten herunter,.blieb aber im Prinzip so bis zum 19ten Jahrhundert und Napoleon.

Wenn Du dann noch berücksichtigst, das Kommunion oder Exkommunizieren viel mit comunity also Gemeinschaft gemein haben, so lässt sich Kirche im Mittelalter und Neuzeit auch mit Gemeinde und Gemeindeleben vergleichen. Man wandte sich mit Hochzeit und Geburt an die Gemeinde, wie heute.

Neben dem Geimdeleben gibt es aber noch eine zweite große Quelle zur Ahnenforschung; Die Schatzungen, quasi der weltliche, terretoriale Pendant.

Gruß
achim

@Wolfgang,

was ich jetzt schreibe gilt für Südbayern, für andere Regionen kann ich nicht sprechen, kann mir aber schwerlich vorstellen, dass es dort anders gewesen sein soll.

Kirchliches und weltliches Recht ist in Südbayern vor der Säkularisation (1802) klar zu trennen. Der weltliche (Grund-)Herr KANN gleichzeitig eine Kirche oder ein Kloster gewesen sein, das ist aber nicht zwingend. Selbst wenn der weltliche (Grund-)Herr gleichzeitig aus dem kirchlichen Bereich kam, ist es häufig, dass der weltliche (Grund-)Herr ein anderer war als die für kirchliche Angelegenheiten zuständige kirchliche Stelle. Das vorweg.

Wenn nun zwei Leute heiraten wollten (wie gesagt, ich spreche von Südbayern), dann musste zuerst einmal ein sogenannter „Consens“ des weltlichen (Grund-)Herrn vorgelegt werden, dass dieser mit der anstehenden Heirat einverstanden ist (nach 1802 wurde das häufig als „Heiratslizenz“ bezeichnet). Dieser Consens hatte den Sinn, dass der Grundeigentümer (= weltliche Herr) nicht in seinem Eigentum geschädigt werden konnte: Denn er bekam ja von den Bewirtschaftern (heute würde man sagen „Mietern, Pächtern“) jährlich den sog. Grundzins, teils in Geld, teils in Naturalabgaben. Somit Geld. Jährlich. Um diese Zahlungen sicherzustellen, hatter der Grundherr natürlich ein Interesse daran, dass auf seinen Hof kein Habenichts einheiratete, der möglicherweise ihm dann den Grundzins zur Zinszeit schuldig blieb. Obendrein wurde bei der Einheiratung immer ein „Laudemium“, Antrittsgeld (Einmalzahlung) vereinbart, das unmittelbar nach der Hochzeit vom einheiratenden Brautleuteteil bzw. dessen Eltern bezahlt werden musste.

Mit diesem „Consens“-Schreiben des weltlichen Grundherrn (= Eigentümer des Hauses/Hofes, in der der fremde Brautleuteteil einheiraten wollte) konnten die Brautleute oder deren Eltern (Thema: Vertretung der Braut durch deren Vater; Thema: Eheanbahnung mit den sog. „Schmusern“ bzw. Kupplern) zur zuständigen Pfarrei gehen und die Heirat aufbieten lassen (= anschlagen, veröffentlichen, 3xige Verkündigung von der Kanzel ob jemand gegen diese Heirat Einwände hat). Erst wenn auch die Aufbietung keine Ehehindernisse erbracht hat, durfte der Ortspfarrer die beiden trauen.

Somit war lange vor den staatlichen Strukturen von heute die weltliche Herrschaft (im katholischen Südbayern) die wichtigste und erste Hürde, die es zu nehmen galt. Ohne Consens war das Heiratsvorhaben schon gestorben. Bei der weltlichen (Grund)Herrschaft wurden im jeweiligen Gericht sogenannte Briefprotokolle (heute würde sowas ein Notar machen) geführt: Es wurde ein sog. Übergabebrief von der älteren Generation der Hofstattbetreiber auf das Brautpaar, genauer auf den Brautleuteteil, dessen Elternhaus es war (noch alleinig, da die Hochzeit ja noch nicht vollzogen war), erstellt und beim (weltlichen Grundherrn)Gericht hinterlegt, unmittelbar danach wurde der sogenannte Heiratsvertrag zwischen den Brautleuten geschlossen und unmittelbar darauf der sogenannte Austragsbrief erstellt, in dem sich die übergebende Generation schriftlich ausbedingt, was sie nach der Übergabe an die Brautleute für Rechte noch auf dem Hof hat (z.B. lebenslanges Wohnrecht bei beheizter und beleuchteter Stube, Mitessen mit den Jungen, soundsoviel Obst, Kohlköpfe, Milch, Bier etc. alles bis ins kleinste festgehalten). Meist waren alle drei Verträge Übergabe-Heirat-Austrag am gleichen Tag und folgen in den Briefprotokollen auch in dieser Reihenfolge unmittelbar hintereinander.

Vielleicht hilft auch http://www.genealogie-kiening.de/ etwas weiter.
Auch auf unserer Homepage www.denkmalverein-penzberg.de kann man unter dem Knopf „Praxishilfen“ das eine oder andere Nützliche zum Thema finden.

Ich hoffe, das hilft ein wenig, die rechtlichen und gesellschaftlichen Strukturen und Gebräuche zu erklären. Zumindest für das katholische Südbayern.

Viele Grüße

Alexander