ALG II bei Arbeitsunfähigkeit eines selbständigen Handwerkers

Liebe Expertin, lieber Experte,

ein seit Jahren selbständig tätiger Kleinunternehmer (Handwerksbetrieb) ist durch einen schweren Arbeitsunfall seit mehreren Monaten arbeitsunfähig, daher ohne Einkommen und an die Erfüllung der bereits angenommenen Aufträge gebunden. Diese läßt er seither durch Nachunternehmer erfüllen. Was hierdurch übrig bleibt, deckt geradeso die Kosten, um das Unternehmen weiterführen zu können. Zum Lebensunterhalt bleibt nichts übrig, deshalb folgte ein Antrag auf ALG II, der auch als Bedarfsgemeinschaft (Lebensgefährtin) genehmigt wurde. Da der Arbeitsunfall zur Folge hatte, daß zwingend eine OP mit Versteifung der Wirbelsäule notwendig wird, ist mit einer Wiederherstellung seiner Arbeitskraft nicht vor Ablauf von 6 Monaten nach OP zu rechnen, eher noch länger. Allein auf den OP-Termin muß der Betreffende bereits 6 Monate warten, so daß frühestens nach einem Jahr mit der Herstellung seiner Arbeitsfähigkeit gerechnet werden kann, wenn alles gut geht. Da es sich um einen sehr kleinen Handwerksbetrieb handelt, der weiter keine Mitarbeiter beschäftigte, war die Aufteilung so geregelt, daß der Handwerker die Leistungen an den Baustellen erbrachte und seine Lebensgefährtin im Gegenzug unentgeltlich die Bürotätigkeiten übernahm (Schriftwechsel, Telefon, Angebote, Rechnungen schreiben, Kontoführung und Buchhaltung). Der Lebensunterhalt konnte hierdurch all die Jahre gedeckt und gesichert werden. Diese Existenzgrundlage, also die selbständige Tätigkeit, soll nach Möglichkeit auch weiter aufrecht erhalten werden, um nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit den Unterhalt wieder selbst erwirtschaften zu können. Da dies während der Arbeitsunfähigkeit nur mit Nachunternehmern möglich ist, bleibt die volle Bürotätigkeit auch weiterhin bestehen, so daß die Lebensgefährtin auch weiterhin eine Tätigkeit ausübt, ohne jedoch hierfür eine Entlohnung zu erhalten. Das Jobcenter will dies jedoch nicht als Tätigkeit anerkennen und tracktiert und drängt seither die Lebensgefährtin (63 Jahre jung, kaufm. Ausbildung, ohne Auto und Führerschein, auf einem Dorf lebend) zur Bewerbung und Annahme eines Jobs, da der Lebensunterhalt für beide aus ALG II finanziert wird. Anderenfalls sollen die Leistungen einschl. für Wohnunterkunft der Lebensgefährtin gekürzt und letztendlich gestrichen werden. Bei Annahme einer Tätigkeit könnten jedoch die eigenen Bürotätigkeiten nicht mehr voll wahrgenommen werden und die weitere Existenz wäre bedroht. Außerdem wird nach erfolgter OP für einen längeren Zeitraum eine Pflege notwendig, da der Erkrankte für mehrere Monate ein Stützkorsett tragen muß und keinerlei Tätigkeiten verrichten darf und kann. Durch die Aufnahme einer Tätigkeit der Lebensgefährtin wäre diese Pflege nicht mehr sichergestellt.

Was können beide tun, welche Rechte haben sie und müssen sie die Torturen des Jobcenters hinnehmen (Lebensgefährtin wird jede Woche zum Jobcenter bestellt, soll sich z. B. auf Jobs bewerben, die das Beherrschen der russischen Sprache zwingend fordern, nur weil sie im Lebenslauf russische Grundkenntnisse angegeben hat, die sie vor 50 Jahren in der Schule erworben hat. All dies hintert sie an der Wahrnehmung der eigenen Interessen in ihrem Büro)?

Schon jetzt vielen Dank für jeden Rat und Tipp.

Hallo Monika,

deinen Text kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Hat der Handwerker, denn keine Absicherung für eine Arbeitsunfähigkeit oder Krankheit abgeschlossen (Krankentagegeld) ?

Für sein Versäumnis kann man den Staat nicht zur Zahlung verpflichten.

Wenn die Ehefrau dieses Handwerkers für Bürotätigkeiten zuständig war,
wäre es das sinnvollste gewesen, sie als Büroangestellte im Betrieb anzustellen.
Dies hat auch Vorteile für den Handwerker und es hätte die Rentenanspüche der Ehefrau erhöht.

Nachdem dies nicht der Fall ist, wird die Ehefrau sich gemäß den Anordnungen der Agentur für Arbeit um eine Arbeitsstelle kümmern müssen.

Ergänzend kann ich mir nicht vorstellen, dass der Handwerksbetrieb weiter aufrecht erhalten werden kann. Ohne Arbeitnehmer und einem arbeitsunfähigen (pflegebedürftigen) Handwerker.

Evt. wäre es sogar sinnvoll eine Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung zu beantragen. Evt. hat der Handwerker ja auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung.

Gruß Merger

Hallo Merger,

vielen Dank für die schnelle Rückantwort.

  1. Krankenversicherung hat er abgeschlossen, aber ohne Krankentagegeld, ansonsten hätte er ja auch ein Einkommen. Die kleinen Handwerker sind in der Regel ja freiwillig oder privat krankenversichert und haben zu tun, diese bezahlen zu können. Krankentagegeld ab dem 1. Tag ist ja kaum finanzierbar und selbst ab 24. oder 48. Krankentag muß man hier tief in die Tasche greifen. Die kleinen Handwerker gehen in der Regel davon aus, daß sie es sich gar nicht leisten können, länger als 14 Tage krank zu werden.

  2. Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung greift ja erst bei dauerhafter Erwerbsunfähigkeit und bis zur Feststellung dauert es Monate, bis dahin ist der Betreffende dann schon verhungert. Unfallversicherung greift nur bei Krankenhausaufenthalt und bei dauerhaften Schäden.

  3. Da der Handwerker dem Baugewerbe angehört, hätte er für die Anstellung seiner Lebensgefährtin auch noch zusätzlich tief in die Tasche greifen müssen, denn Büropersonal muß zwar sein, der Lohn für diese muß aber der Handwerker erwirtschaften. Bei Zugehörigkeit zur ZVK des Baugewerbes fallen dann für Büropersonal nochmals heftige zusätzliche Beiträge an. Das können die kleinen Handwerksunternehmen gar nicht stemmen. Warum sind denn in der Regel bei kleinen Handwerksbetrieben die Ehefrauen nicht fest angestellt? Zwar sind das alles für den Unternehmer Kosten, aber die muß er auch erst einmal erwirtschaften.

Alles wenn, aber und hätte hilft hier nicht wirklich weiter! Die Pflegebedürftigkeit ist ja hoffentlich nur vorübergehend, jedenfalls muß man erst einmal davon ausgehen. Was spricht dann dagegen, sich einem Überlebenskampf zu stellen? Hier geht es immerhin um die weitere Existenz und der Handwerker hat bis zur Rente noch ein paar Jahre vor sich. Von vornherein zu resignieren und den Kopf in den Sand zu stecken, hilft auch nicht weiter. Wenn es auch nur ein kleiner Handwerksbetrieb ohne weitere Mitarbeiter ist, so hat er doch jahrelang die Existenz für 2 Personen gesichert.

Viele Grüße

Monika

Hallo Monika,

Hallo Merger,

vielen Dank für die schnelle Rückantwort.

  1. Krankenversicherung hat er abgeschlossen, aber ohne
    Krankentagegeld, ansonsten hätte er ja auch ein Einkommen. Die
    kleinen Handwerker sind in der Regel ja freiwillig oder privat
    krankenversichert und haben zu tun, diese bezahlen zu können.

Wenn man als Handwerker wenig verdient, ist die PKV die falsche Entscheidung.
Bei der GKV richtet sich der Beitrag nach den Einkünften und diese sollten bezahlbar sein.
Wenn dies nicht möglich ist, sollte man die Selbständigkeit schnellstens wieder aufgeben.
Das wichtigste, auch für einen Selbständigen = eine Krankentagegeldversicherung abzuschließen. Die Meinung - "ich verdiene ja jetzt und wenn die Einkünfte wegfallen ist ja noch der Staat, (das Jobcenter) da " - geht meistens in die Hose. Wie auch in diesem Fall.

Krankentagegeld ab dem 1. Tag ist ja kaum finanzierbar und
selbst ab 24. oder 48. Krankentag muß man hier tief in die
Tasche greifen.

Und wie kommst Du zu solch einer Idee ?
Die Selbständigkeit besteht doch sicher schon etwas länger.
Nehmen wir mal an - 75 € pro Tag ab dem 43. Tag für einen 40-jährigen = ca. 40 € mtl.

Die kleinen Handwerker gehen in der Regel
davon aus, daß sie es sich gar nicht leisten können, länger
als 14 Tage krank zu werden.

Dann sollte man auch die Konsequenz daraus selbst ziehen und nicht dem Staat zur Last fallen.

  1. Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung greift ja erst
    bei dauerhafter Erwerbsunfähigkeit

Nein - die BU greift wenn zu mindestens 50 % die derzeitige Tätigkeit nicht ausgeübt werden kann. Nur so wie es geschildert wurde, ist der Handwerker vermutlich ja längere Zeit nicht mehr in der Lage sein Handwerk auszuüben.
Also sollte man einmal mit seinem Versicherer reden und evt. einen Antrag auf BU-Rente stellen.

und bis zur Feststellung
dauert es Monate, bis dahin ist der Betreffende dann schon
verhungert.

So schlimm - hat man auch vergessen Rücklagen zu bilden ?
Evt. sind ja auch noch Kinder da, die Unterhalt zahlen können.

Unfallversicherung greift nur bei
Krankenhausaufenthalt und bei dauerhaften Schäden.

Wenn es sich um einen Unfall handelte, hat man hoffentlich eine Unfallmeldung abgegeben. Denn es könnte auch ein Verletzengeld mitversichert sein.

  1. Da der Handwerker dem Baugewerbe angehört, hätte er für die
    Anstellung seiner Lebensgefährtin auch noch zusätzlich tief in
    die Tasche greifen müssen, denn Büropersonal muß zwar sein,
    der Lohn für diese muß aber der Handwerker erwirtschaften.

Nun - dann sind wir wieder beim Thema.
Nach den bisherigen Schilderungen ist die Selbständigkeit ein Flop.
Ein selbständiger Handwerker muss in der Lage sein, die notwendigen Versicherung zahlen zu können, Rücklagen fürs Alter wie auch für solche Fälle zu bilden,
die notwendigen Arbeitslöhne für Mitarbeiter incl. Bürokräfte zu zahlen.
Wenn dies nicht möglich ist - Selbständigkeit schnellstens aufgeben und einen Job als Arbeitnehmer suchen.

Bei
Zugehörigkeit zur ZVK des Baugewerbes fallen dann für
Büropersonal nochmals heftige zusätzliche Beiträge an. Das
können die kleinen Handwerksunternehmen gar nicht stemmen.
Warum sind denn in der Regel bei kleinen Handwerksbetrieben
die Ehefrauen nicht fest angestellt? Zwar sind das alles für
den Unternehmer Kosten, aber die muß er auch erst einmal
erwirtschaften.

siehe oben - schnellstens Selbständigkeit aufgeben !

Alles wenn, aber und hätte hilft hier nicht wirklich weiter!
Die Pflegebedürftigkeit ist ja hoffentlich nur vorübergehend,
jedenfalls muß man erst einmal davon ausgehen. Was spricht
dann dagegen, sich einem Überlebenskampf zu stellen? Hier geht
es immerhin um die weitere Existenz und der Handwerker hat bis
zur Rente noch ein paar Jahre vor sich. Von vornherein zu
resignieren und den Kopf in den Sand zu stecken, hilft auch
nicht weiter. Wenn es auch nur ein kleiner Handwerksbetrieb
ohne weitere Mitarbeiter ist, so hat er doch jahrelang die
Existenz für 2 Personen gesichert.

Und von was lebt der Handwerker mit seiner Familie im Alter ?
Vom Sozialamt ?

Viele Grüße

Monika

Eine Selbständigkeit muss wohl überlegt sein und ein einigermaßen gutes Einkommen muss vorhanden sein um die laufenden Kosten und die Rücklagen zu stemmen.

Gruß Merger

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Hallo Monika,

Da dies während der Arbeitsunfähigkeit nur mit
Nachunternehmern möglich ist, bleibt die volle Bürotätigkeit
auch weiterhin bestehen, so daß die Lebensgefährtin auch
weiterhin eine Tätigkeit ausübt, ohne jedoch hierfür eine
Entlohnung zu erhalten.

Könnte die Möglichkeit bestehen, sich von einem der Nachunternehmen, was ja durch die geschilderte Situation einige Aufträge bekommt, als Minijobber einstellen zu lassen?

Das Jobcenter will dies jedoch nicht
als Tätigkeit anerkennen und tracktiert und drängt seither die
Lebensgefährtin (63 Jahre jung, kaufm. Ausbildung, ohne Auto
und Führerschein, auf einem Dorf lebend) zur Bewerbung und
Annahme eines Jobs, da der Lebensunterhalt für beide aus ALG
II finanziert wird.

Mit den Kriterien gehen die Chancen sowieso gegen Null, aber guten Willen kann man zeigen :smile:

Bei Annahme einer Tätigkeit
könnten jedoch die eigenen Bürotätigkeiten nicht mehr voll
wahrgenommen werden und die weitere Existenz wäre bedroht.

Eine Bürotätigkeit für einen Ein-Mann-Betrieb nimmt bestimmt nicht den ganzen Tag und die ganze Woche in Anspruch?! Selbst wenn man tatsächlich einen Job bekommen würde, bleibt da noch genug Zeit übrig!

… soll sich z. B. auf Jobs
bewerben, die das Beherrschen der russischen Sprache zwingend
fordern, nur weil sie im Lebenslauf russische Grundkenntnisse
angegeben hat, die sie vor 50 Jahren in der Schule erworben
hat. 

Na dann soll sie sich eben bewerben - wo ist das Problem? Spätestens beim Vorstellungsgespräch hat sich alles weitere erledigt

All dies hintert sie an der Wahrnehmung der eigenen
Interessen in ihrem Büro)?

Ausrede!

Schon jetzt vielen Dank für jeden Rat und Tipp.

Nicht mit den Leuten im Jobcenter anlegen, man kann sich ja seinen Teil denken. Auf die angebotenen Jobs bewerben - das wird nicht von Erfolg gekrönt sein.
Ansonsten gute Besserung - das kommt schon alles wieder hin

lg

Die kleinen Handwerker gehen in der Regel
davon aus, daß sie es sich gar nicht leisten können, länger
als 14 Tage krank zu werden.

Dann sollte man auch die Konsequenz daraus selbst ziehen und
nicht dem Staat zur Last fallen.

Dieser Vorwurf ist eine Unverschämtheit! Wann ging denn der Boom der Ein-Mann-Betriebe los? Vor ungefähr 10 Jahren. Und wenn die UP sagt, sie sei 63 Jahre alt wird der Mann wohl auch in dem Alter sein (unterstelle ich jetzt mal) - also hat er sich selbstständig gemacht mit ca 50 Jahren. In dem Alter hätte er auch damals schon keinen Job mehr bekommen. Stattdessen hat er den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und seit der Zeit damit seinen Lebensunterhalt verdient. Genügend andere hätten seit dem die Beine hochgelegt! Sich für alle möglichen Eventualitäten abzusichern - dafür reicht es bei vielen, vielen Selbstständigen finanziell überhaupt nicht aus. Da geht man auf Risiko. Wenn dann der worst case eintritt, muss eben die Gesellschaft dafür einspringen. Steuergelder werden für genügend Schei … rausgehauen, aber den ‚kleinen‘ angreifen ist ja immer einfach

ohne gruss

Die kleinen Handwerker gehen in der Regel
davon aus, daß sie es sich gar nicht leisten können, länger
als 14 Tage krank zu werden.

Dann sollte man auch die Konsequenz daraus selbst ziehen und
nicht dem Staat zur Last fallen.

Dieser Vorwurf ist eine Unverschämtheit!

Nein - denn jeder ist für sich selbst verantwortlich !!!

Natürlich gibt es auch Menschen, die immer der Meinung sind, ich arbeite für mein heutiges gutes Leben und gebe dies dann auch schnellstens wieder aus.
Wenn ich dann alt oder krank werde, ist ja der Staat da, der mich unterstützen kann.

Scheinbar gehörst Du auch zu denen.

Du tust mir leid !

Scheinbar gehörst Du auch zu denen.

Werde nicht persönlich und spar Dir irgendwelche haltlosen Unterstellungen!

Du tust mir leid !

Du mir nicht