ALG II für Anstellung beim Staat

Hallo,

vorweg: ich heiße nicht Sarrazin, bekleide kein öffentliches Amt und bin keiner Partei angehörig, so dass ich für diese private Meinungsäußerung keinen Ausschluss oder Rücktritt fürchte.

Bei Gesprächen mit Arbeitskollegen brachte mich die Meinung eines Kollegen zum Nachdenken:
Weshalb gibt es die „Grundversorgung“ vom Staat praktisch ohne Gegenleistung, außer des in irgend einer Weise dargestellten guten Willens, eine neue Arbeit zu finden?
Und dabei sind ALG II Bezieher großteils besser dran als „Aufstocker“ oder Familien, die gerade über dem Minimum verdienen und damit GEZ Gebühren zahlen und in vielen öffentlichen Einrichtungen keine Ermäßigungen erhalten.

Weshalb ist es nicht möglich, die Grundversorgung (ALG II) in Form einer Staatsanstellung umzuwandeln?
Bedeutet: die Bezieher können prinzipiell von Staat/Kommunen zu Arbeiten im öffentlichen Sektor herangezogen werden - von Ausnahmen abgesehen (bitte jetzt keine alleinerziehenden Mütter mit 3 Kindern vorschieben). Ob davon gebrauch gemacht wird, ist eine andere Frage, aber wie es jetzt ist hat der Staat keinerlei Handhabe.

Sinnvolle Aufgaben wären z.B. Unterstützungsaufgaben im sozialen Bereich oder einfach nur Schülerlotsen oder jemand, der ein Auge auf Spielplätze oder Parks hat. Ich könnte mir vorstellen, dass es die Motivation der Empfänger steigert, wenn es darum geht, einen BESSEREN Job zu finden, und nicht IRGENDEINEN statt seinen Freizeittätigkeiten zu frönen.

Also nochmal die Frage: was spricht dagegen, die derzeit einseitige Unterstützung durch den Staat um einen Anspruch auf Arbeitsgegenleistung zu ergänzen?

Und nein, ich habe nichts gegen ALG II Bezieher. Ich war selbst einer und weiß, dass die meisten für eine gewürdigte Arbeit dankbar wären.

Gruß,
Michael

Hallo,
wenn man es ernsthaft betreibt, ist die Suche nach einem Arbeitsplatz ein Fulltimejob (bei zugegeben oft recht freier Zeiteinteilung).
Hauptargument ist aber imo immer, daß kein zweiter Arbeitsmarkt aufgebaut werden soll.
Außerdem muß das irgendwer kontrollieren, wofür schlicht kein Personal da ist (bzw. kein Geld für dieses). Daher ist man wohl auf die Idee mit dem 1-Euro-Job gekommen, weil da immer für Aufsicht gesorgt ist, die den Staat (direkt) nichts kostet.

Cu Rene

Weshalb gibt es die „Grundversorgung“ vom Staat praktisch ohne
Gegenleistung, außer des in irgend einer Weise dargestellten
guten Willens, eine neue Arbeit zu finden?

Also nochmal die Frage: was spricht dagegen, die derzeit
einseitige Unterstützung durch den Staat um einen Anspruch auf
Arbeitsgegenleistung zu ergänzen?

die 1-euro-jobs sollen im grunde genau dafür geschafft werden und das ist auch richtig so.

Hört sich in der Theorie gut an, in der Praxis schaut es aber mit einigem nachdenken ganz anders aus…

Es wäre nämlich der nächste Schritt zur Vernichtung von normalen Arbeitsplätzen nach der Leiharbeit… also gewissermaßen konsequent :wink:

Denn hierdurch würde ein neuer Billigarbeitsmarkt entstehen der weitere normale Jobs gefährdet. Schon mit den 1 Euro Jobs gibt es hiermit in Teilen Probleme… viele davon gibt es nicht. Was passiert also wenn auf einmal Millionen Menschen herangezogen würden?

Nehmen wir mal das Beispiel das „in“ war mit Schnee schippen lassen.
Es gibt durchaus Leute die das für einen normalen Lohn machen und die wären als nächste Ihren Job los.
Der Landschaftsgärtner um die Ecke, der Aufträge von seiner Kommune erhielt geht möglicherweise pleite weil die Kommune nun ihre neuen Arbeitskräfte statt dessen einsetzt.
Usw. usw.

Es gibt gar nicht genug Jobs die keine anderen gefährden.
Dazu hin bräuchte man einen riesigen Überwachungsapparat, der Millionen verschlingen würde.
Schon bei den 1 Euro Jobs ließen sich durch die Abschaffung 1,2 Mrd. sparen (ich hab da irgend einen Wirtschaftsweisen mal im Radio gehört).Und mit 4 Millionen wird das ungleich teurer.

Es hört sich zwar gut an, ist aber ökonomischer Unsinn…

Die ganze Aufstockerei liesse sich meiner Meinung nach mit einem gesetzlichen Mindestlohn - den die regierenden Parteien aber scheuen wie der Teufel das Weihwasser oder die Automobilindustrie damals beim Thema bleifreies Benzin - regeln.
Diesen gibt es in einem Grossteil der europäischen Länder ohne zu deren Untergang beigetragen zu haben…

Moin,

Bedeutet: die Bezieher können prinzipiell von Staat/Kommunen
zu Arbeiten im öffentlichen Sektor herangezogen werden

Das würde für die Gesellschaft vermutlich mehr Kosten verursachen, als dass es einen Nutzen hätte.

Arbeitslose, die einen Beitrag zur Gesellschaft, die sie ernährt, leisten möchten, können sich bereits jetzt in einer großen Bandbreite von Möglichkeiten ehrenamtlich engagieren, angefangen von Sportvereinen, über Umweltschutz, Hausaufgabenhilfen usw. Die Arbeitslosen, die ich kenne, die das auch machen, sind seltsamerweise auch häufig die ersten, die wieder einen Job finden. Offenbar wissen auch Arbeitgeber ein solches Engagement zu schätzen.

Wer hingegen keinen Beitrag zur Gesellschaft leisten möchte, der wird das auch nicht, wenn er dazu von Kommunen „herangezogen“ wird. Es sei denn, man stellt ihm einen „Aufpasser“ daneben, der dafür sorgt, dass derjenige seine Aufgabe auch erfüllt und ernst nimmt. Da kann man dann besser gleich den Aufpasser die Arbeit machen lassen.

Gruß
marion

Ja, auch Hallo!

Wenn du weißt, dass die meisten Arbeitslosen (Hartz 4 Empfänger) jede Arbeit annehmen würden und dankbar wären für ebensolche, warum versuchst du und deine Arbeitskollegen gerade das Gegenteil zu erklären?
Dass s Menschen gibt, die sich aushalten lasse nwollen, wissen wir doch alle.Nur dass diese Leute den Staat ruinieren können, ist nun wirklich ein Ammenmärchen.Die Schwarzarbeiterei und Steuerhinterzieherei der übrigen Bevölkerung ist mit Sicherheit existenzgefährdender für den Staat.

Wenn es nunmal keine Arbeit gibt,weil die Unternehmen keine oder zuwenig anbieten, glaubst du es nützt etwas, wenn dann die Gemeinschaft den Lohn bezahlt (jetzt auch schon Hartz 4 genannt) anstatt ein Unternehmer?
Wohl kaum, oder?

Beste Grüße

Wader Hans

Wenn du weißt, dass die meisten Arbeitslosen (Hartz 4
Empfänger) jede Arbeit annehmen würden und dankbar wären für
ebensolche, warum versuchst du und deine Arbeitskollegen
gerade das Gegenteil zu erklären?
Dass s Menschen gibt, die sich aushalten lasse nwollen, wissen
wir doch alle.Nur dass diese Leute den Staat ruinieren können,
ist nun wirklich ein Ammenmärchen.

Das ist richtig.

Aber dass es „keine Arbeit gibt, weil Unternehmen keine oder zuwenige anbieten“, ist aus meiner Sicht leicht übertrieben. Die Zahl der offenen Stellen bewegt sich um eine Million und es ist durchaus zu fragen, wie viel hiervon aus persistentem Qualifikationsmismatch und wie viel die Folge - nicht festgelegter - Differenzen hinsichtlich der Vorstellungen zum Arbeitseinkommen (bei Alleinerziehenden) und hinsichtlich der notwendigen regionalen Mobilität der Arbeitssuchenden ist.

Im Übrigen widerspricht Ihr Einwand nicht wirklich dem Vorschlag des Fragestellers. Dass viele arbeitswillig sind aber keine Beschäftigung finden, würde ja eher darauf hindeuten, dass sie als Erwerbspersonen potenziell rekrutierbar sind und eine Ausgleichsleistung für die empfangenen Transferleistungen leisten können. (Mal ganz abgesehen von den Nachteilen, die der Vorschlag mit sich brächte, aber Ihren Einwand verstehe ich im Kontext nicht ganz.)

Gutern Tag,

ich könnte nun anhand einiger Beispiele darlegen wie sich abseits der medial aufbereiteten Zahlen und Fakten zu den frei verfügbaren Arbeitskräften, die Wirklichkeit darstellt.Das sprengt aber die Möglichkeiten dieses Forums.
Es ist inzwischen unstrittig, dass die Zeitarbeitsbranche in den nächsten Jahren einen enormen Zuspruch erfahren wird.Es ist einfach der Kalkulation eines Unternehmers zuträglich wenn er den personellen Aufwand ganz nach Bedarf aufbauen und auch wieder schnell abbauen kann.Zudem ist inzwischen in der Bevölkerung ein niedriges Lohnniveau beinahe hoffähig geworden und akzeptiert es zumindest unterwürfig.Stundensätze von 6,50 -8,50 € sind an der Tagesordnung.Warum also nicht diese Situation nutzen - als Unternehmer? Täte er es nicht wäre er kein solcher.
Kritiker(meist also befangenenes Klientel) blasen nun seit Jahren,nur medienwirksam, immer in das gleiche Horn und führen das Argument der niederen Bildung innerhalb dieser potentiellen Arbeitnehmerschaft an.Dabei wird unterschlagen, dass erstens diese angeblich nun nicht mehr „marktgerecht Ausgebildeten“ bis vor kurzem bei sehr guter Auftragslage(vorallem Export,gesteuert von den Regierungen die damit eine nicht unerhebliche Teilschuld tragen!) noch gerne genommen wurden,zweitens die Wirtschaftskrise das Ende des Industriezeitalters einläutete.Zu sagen,wie z.B der Arebitgeberverband, den Wandel hätten die abhängig Beschäftigten aber nun rechtzeitig selbst erkennen müssen/können um gegenzusteuern, ist ja nun an Dreistigkeit nicht mehr zu übertreffen.Passt aber ins Bild zu den Kräfteverhältnissen in diesem, unserem Lande.
Es wurde auf Seiten des Staates versäumt diesen Fabrikarbeitern(die Opel-Situation hätte uns eigentlich noch einmal wachrütteln können!Aber wir haben nichts verstanden.) rechtzeitig die finanziellen Möglichkeiten zur Weiterbildung zu eröffnen.Man erkennt es auch jetzt an der sog. Bildungsdebatte - alles nur Spiegelfechterei, letzlich werden wir unser altes, überholtes am Industriezeitalter orientiertes Bildungssystem behalten.
Für diesen Fehler bezahlen wir heute einen Preis, der um ein Vielfaches höher ist, als jener,der für eine richtige Weichenstellung vor mindestens einer Dekade zu bezahlen gewesen wäre.

Im Übrigen erfordert es nicht viel Aufwand für jedermann, einmal nachzuprüfen welche Art von Arbeitsplätzen nun tatsächlich angeboten wird und welche Bezahlung hierzu geleistet wird.Dann frei von Populismus zu überlegen ,ob man selbst sein Leben damit bestreiten könnte oder möchte,dürfte eher eine andere Sicht auf die Dinge ermöglichen denn als Last empfunden werden.
Man argumentiere nicht mit der Selbstverantwortung des Einzelnen - dazu aufzurufen und zu pochen ist es ja nun reichlich spät.Dies hätte man schon vor mindestens 10 Jahren tun können,so man es auch wollte!
Damals wollte man besser nicht so laut auf eine
m ö g l i c h e Selbstverantwortung des Bürgers hinweisen.
Ein „Weiter- so!“ wird aber jetzt die Gesellschaft spalten, in jene die sich Bildung ad hoc finanziell und zeitaufwandsneutral leisten können und denen die dazu keine Möglichkeit haben oder zukünftig haben werden.

Beste Grüße

Wader hans

Nun, ich kann Ihren Einwand zum Arbeitskräftepotenzial nicht ganz nachvollziehen. Wenn Sie die Daten zur Erwerbslosigkeit nach der Erhebungsmethode der ILO heranziehen gibt es ja (hochgerechnet von den Mikrozensusergebnissen) immer noch knapp drei Millionen Arbeitslose, die von sich sagen, binnen zwei Wochen für eine Erwerbsarbeit zur Verfügung zu stehen.

Im Übrigen teile ich Ihre Beobachtung zum Bildungsstand nur bedingt. Dass die Anreize zur Verbesserung des Qualifikationsniveaus gering waren, stimmt wohl, aber dass die Entwicklung nicht absehbar war, halte ich für nicht zutreffend. Dass angesichts unseres Wohlstandes im Zeitalter der Globalisierung der komparative Vorteil Deutschlands in seinem Humankapital liegt, ist doch recht offensichtlich. Ich kann auch nicht erkennen, dass es darüber je Dissens gegeben hätte. Das Problem ist übrigens wohl auch weniger eines der fehlenden Weiterbildungsmöglichkeiten (wohl aber der fehlenden (Erst)bildungsmöglichkeiten) als der fehlenden Motivation. Das ist auch völlig nachvollziehbar: Ein Arbeitnehmer, der jahrzehntelang bei Opel in der Fabrik gearbeitet hat, wird vernünftigerweise nicht seinen Job aufgeben bzw. seine Erwerbstätigkeit einschränken, um sein Bildungsniveau zu steigern, zumal ja auch die Aussichten im Beruf alters- und erfahrungsbedingt relativ gering sein dürften. Aus diesem Grund haben Gesellschaften grundsätzlich erhebliche Probleme, auf derartige Veränderung noch in derselben Generation eine Antwort zu finden, in der sie sich konkret zu äußern beginnen.

Ideologische Begründung
Hallo Michael,

der Gedanke ist nicht neu, aber es gibt da ein ideologisches Problem.

In sozialistischen aber auch manchmal in weniger sozialistischen Staaten wird die Arbeitslosigkeit vermieden oder gesenkt, indem die „überschüssigen“ Arbeitskräfte beim Staat unterkommen. Das ist genau das Gegenteil von einem schlanken und effektiven Staat und der Alptraum aller Wirtschaftsliberalen. Ein solcher Staat braucht natürlich die entsprechenden Steuermittel zur Finanzierung der Arbeitskräfte. Die Arbeitsplätze beim fetten Staat sind selbst bei geringen Gehältern beliebt, weil sie sicher und streßarm sind. Das geringe Gehalt kann dann noch irgendwie aufgestockt werden (Korruption, Nebenjobs, Schrebergarten).

In unserem Sozialstaat hat ALG2 einen Almosencharakter und soll verhindern soll, dass Menschen obdachlos auf der Straße verhungern.
Es soll eben kein bedingungsloses Grundeinkommen sein. Die Leute sollen selber für ihr Überleben sorgen. Deswegen ist ALG2 auch mit repressiven Mechanismen gekoppelt.

Neben den bekannten 1€-Jobs gibt es auch noch Tests, bei denen ALG2-Empfänger richtige Jobs bei den Kommunen machen. Diese Jobs sind aber zeitlich auf 3 Jahre beschränkt.
Damit soll verhindert werden, dass die entsprechenden Kandidaten dort zufrieden bis zur Rente verbleiben. Die Kommunen sollen ja schließlich sparen und Personal abbauen.

Nun ist es so, dass es im kommunalen Bereich mehr als genug Arbeit zu tun gibt. Wenn nun der Staat hingeht und alle „Reste“ vom Arbeitsmarkt aufnimmt, hat das zur Folge, dass es teuer und ineffizient wird. Die Arbeitslosigkeit ist bei gering qualifierten Kräften am Höchsten. Auch werden die Qualifikationsprofile selten zu den Anforderungen passen.
Zudem wird es Viele geben, die es auf eine Stelle beim Staat abgesehen haben, es also gar nicht erst ernsthaft auf dem normalen Arbeitsmarkt probieren.

Schließlich führt eine solche Polik dazu, dass Ausbeutung nicht mehr möglich ist. Für 4,25 €/h findet man keinen Wachmann mehr oder Jemand, der für 5,85 €/h in der Brötchenfabrik rennt.
Wie gesagt, ein Albtraum für jeden Wirtschaftsliberalen.

Gruß
Carlos