ALG II: Jobcenter verstößt gegen Datenschutz

Folgender Fall:

Eine Frau muss ALG II beantragen.

Dazu ruft sie auf der Homepage der Arbeitsagentur den entsprechenden Antrag auf, füllt ihn online aus, samt der benötigten Anlagen und druckt ihn aus.

Mit dem Antrag geht sie zum JobCenter.

Der Antrag wird dort jedoch nicht angenommen. Der Sachbearbeiter drückt ihr den Antrag mit den Worten „diese Anträge sind eh meist unvollständig ausgefüllt“ wieder in die Hand und fordert sie auf, direkt in die angrenzende Volkshochschule zu gehen. Der Sachbearbeiter bezeichnet dies als Antragsservice. Widerspruchslos geht die Frau in die Volkshochschule und erwartet, dass sie dort den Antrag abgeben kann. Tatsächlich erwartet sie aber eine Art Seminar, in dem ihr gezeigt werden soll, wie man Anträge richtig ausfüllt. Wohl gemerkt, der ursprüngliche Sachbearbeiter hat nicht geprüft, ob ihr Antrag falsch ausgefüllt ist! Das Ganze findet in einem Raum mit vier weiteren Antragstellern statt. Sämtliche vom Job Center dorthin geschickte Antragsteller werden auf entwürdigende Art und Weise dazu genötigt, ihre sensiblen Daten gemeinsam mit anderen Antragstellern zu besprechen. Das Ganze wird geleitet von einer externen, offenbar vom Job Center beauftragten Kraft.

Über die Art und Weise dieser Vorgehensweise kann sicherlich gestritten werden. In jedem Fall liegt aus meiner Sicht eine Verletzung des Datenschutzes vor, wenn vier Antragstellern vor einer in „Lehrkraft" ihre Anträge durchgehen und besprechen müssen, bevor sie einen Termin für die eigentliche Abgabe des Antrages erhalten. Im Vorfeld hat sich die Antragstellerin weder schriftlich noch mündlich ihr Einverständnis dahingehend geäußert, dass sie mit diesem sog. Antrags-Service einverstanden ist.

Ich habe der Antragstellerin geraten, dass sie sich bei dem zuständigen JobCenter beschwert, indem sie anzeigt, dass es hier eine Verletzung des Datenschutzes vorliegt. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, den Datenschutzbeauftragten des Landes zu informieren. Ebenso wollen wir gegebenenfalls eine einstweilige Anordnung erreichen, damit diese Vorgehensweise im Interesse aller Antragsteller unterbunden wird.

Die Frage wäre jetzt, welches Gericht zuständig ist? Wäre dies das Sozialgericht?

Die Art und Weise wie diese Behörde handelt, kann nicht rechtens sein, wenn sensible Daten mit einer anderen dritten Person erörtert und besprochen werden müssen, wenn der Antragsteller zuvor sein Einverständnis nicht erklärt hat.

Darüber hinaus ist die Frage berechtigt, aus welchem Grund die Behörde die auf der Arbeitsagentur zur Verfügung stehenden Anträge nicht akzeptiert. Ich bin der Auffassung, dass die Behörde einen Antrag annehmen und bearbeiten muss. Der Umweg über diesen so genannten Antrags Service, der ausgelagert ist auf die Volkshochschule, kann auch nicht im Sinne des Datenschutzes sein.

Wie seht ihr das? Und was würdet ihr unternehmen?

Hallo Herr Dr. h.c. Fersenbein :wink:

Der Antrag wird dort jedoch nicht angenommen.

Um schon mal vorzugreifen: Das ist der eigentliche Fehler in dem Vorgang.

Sachbearbeiter drückt ihr den Antrag mit den Worten „diese
Anträge sind eh meist unvollständig ausgefüllt“ wieder in die
Hand und fordert sie auf, direkt in die angrenzende
Volkshochschule zu gehen.

Das kann ich mir kaum vorstellen, dass das (wenn es genau so abgelaufen ist) im Interesse der Vorgesetzten des Bearbeiters ist. Falls doch, dann wäre es m.E. wichtig, dass zunächst zu dokumentieren.

Frage: War der „Kurs“ bei der VHS kostenlos? Übernimmt das Jobcenter die Kosten?

Der Sachbearbeiter bezeichnet dies als Antragsservice.

wichtige Frage: Meint er den „Antragsservice“ des Jobcenters?
Dann wäre ja die VHS eine Art „Erfüllungsgehilfe“ … hierzu dann mal den § 11 BDSG lesen (Auftragsdatenverarbeitung) … und sich dann die entsprechenden Verfahrensverzeichnisse zeigen lassen :wink:

Widerspruchslos geht die Frau in die
Volkshochschule und erwartet, dass sie dort den Antrag abgeben
kann. Tatsächlich erwartet sie aber eine Art Seminar, in dem
ihr gezeigt werden soll, wie man Anträge richtig ausfüllt.

Das wäre ja nett - und sogar gut - sofern es vom Jobcenter bezahlt wird - und natürlich sofern dabei Diskretion wegen der persönlichen Details gewahrt wird. Sozusagen ein Kurs mit „Susi Sorgsam“ als Beispiel-Antragstellerin …

Wohl gemerkt, der ursprüngliche Sachbearbeiter hat nicht
geprüft, ob ihr Antrag falsch ausgefüllt ist! Das Ganze findet
in einem Raum mit vier weiteren Antragstellern statt.

Siehe zuvor … Das ist ja nur ein Problem, wenn persönliche Details zur Sprache kommen.

Sämtliche vom Job Center dorthin geschickte Antragsteller
werden auf entwürdigende Art und Weise dazu genötigt, ihre
sensiblen Daten gemeinsam mit anderen Antragstellern zu
besprechen. Das Ganze wird geleitet von einer externen,
offenbar vom Job Center beauftragten Kraft.

Dann könnte es eventuell sein, dass die Idee des Jobcenters eigentlich gut gemeint war - und von dem Dozenten nur „dämlich“ umgesetzt wird.

Über die Art und Weise dieser Vorgehensweise kann sicherlich
gestritten werden. In jedem Fall liegt aus meiner Sicht eine
Verletzung des Datenschutzes vor, wenn vier Antragstellern vor
einer in „Lehrkraft" ihre Anträge durchgehen und besprechen
müssen, bevor sie einen Termin für die eigentliche Abgabe des
Antrages erhalten.

Wenn es bretthart genau so war, - dann geht das nicht. Das sehe ich auch so! Wobei das BDSG ja immer sehr deutlich den Wunsch des Betroffenen in den Mittelpunkt stellt - d.h. man hätte (rein juristisch) gleich sagen müssen „So nicht … ich gebe meinen Antrag jetzt ohne dieses Seminar ab - zur Not beim Chef oder der Cheffin des Jobcenters“. So wie es gelaufen ist, wird man (eventuell!!) von einem implizit geäusserten Einverständnis der Betroffenen ausgehen, - die ja zu den Details auch hätte schweigen können.

Im Vorfeld hat sich die Antragstellerin
weder schriftlich noch mündlich ihr Einverständnis dahingehend
geäußert, dass sie mit diesem sog. Antrags-Service
einverstanden ist.

Wie gesagt … implizit hat sie das ev. doch getan - wobei man dann die Zwangslage natürlich auch mit bewerten muss.

Ich habe der Antragstellerin geraten, dass sie sich bei dem
zuständigen JobCenter beschwert, indem sie anzeigt, dass es
hier eine Verletzung des Datenschutzes vorliegt.

Vielleicht sollte man zunächst dem Chef des Jobcenters sagen, wie das dort konkret abläuft - und einfach voraussetzen, dass dem das in der vorgetragenen Art nicht klar ist - und wohl auch nicht recht sein wird.

hinaus wäre es sinnvoll, den Datenschutzbeauftragten des
Landes zu informieren.

Das würde ich tun, wenn der Chef des Jobcenters die Kritik nicht ernst nimmt. Dann allerdings sofort! Alternativ biete ich mich an, mit dem Verantwortlichen dort zu reden. Ich habe sowohl exzellente Kontakte ins BMAS als auch bin ich Datenschutzbeauftragter in einigen Unternehmen, wo Datenschutz hochsensibel gehandhabt werden muss (z.B. www.videobuster.de/datenschutz.php)

Ebenso wollen wir gegebenenfalls eine
einstweilige Anordnung erreichen, damit diese Vorgehensweise
im Interesse aller Antragsteller unterbunden wird.

Ich bin nicht sicher - aber für eine einstweilige Anordnung muss eine Wiederholungsgefahr gegeben sein. Das wäre nach einem Gespräch mit dem Chef des Jobcenters aber eventuell gar nicht mehr der Fall.

Die Frage wäre jetzt, welches Gericht zuständig ist? Wäre dies
das Sozialgericht?

eher das Verwaltungsgericht … aber völlig sicher bin ich nicht.

Die Art und Weise wie diese Behörde handelt, kann nicht
rechtens sein, wenn sensible Daten mit einer anderen dritten
Person erörtert und besprochen werden müssen, wenn der
Antragsteller zuvor sein Einverständnis nicht erklärt hat.

Stimmt. Aber es ist halt noch nicht völlig sicher, dass die Behörde so handelt. Vielleicht ist einfach der Dozent ein Depp :wink:

Darüber hinaus ist die Frage berechtigt, aus welchem Grund die
Behörde die auf der Arbeitsagentur zur Verfügung stehenden
Anträge nicht akzeptiert. Ich bin der Auffassung, dass die
Behörde einen Antrag annehmen und bearbeiten muss.

Das sehe ich auch so. Nun wissen wir aber nicht, was passiert wäre, wenn die Betroffene gesagt hätte: „Ich gehe nicht zu diesem Kurs. Nehmen Sie umgehend meinen Antrag an - weil ich das Recht dazu habe, dass Sie das jetzt sofort tun - ohne Kurs!“

über diesen so genannten Antrags Service, der ausgelagert ist
auf die Volkshochschule, kann auch nicht im Sinne des
Datenschutzes sein.

Da ist schon was dran, dass das heikel ist. Ganz generell könnte man ja auch argumentieren, dass selbst die Tatsache, dass man den Kurs besucht (auch ohne eigene Details zu diskutieren) schon diskreditierend ist. Sehen mich Nachbarn? Sieht mich mein Arbeitgeber? Weiß ich überhaupt, wer da noch in dem Kurs sitzt? Und dann anschließend weiß, dass ich Hartz IV - Empfänger bin oder werden möchte? Der Fakt an sich ist ja schon grenzwertig.

Wie seht ihr das? Und was würdet ihr unternehmen?

siehe oben … und wenn das nicht funktioniert gern auch konkreter: http://marwede.inhalt.com

Viele Grüße
Klaus Marwede

Hallo,

ich würde mir den Vorgesetzten des Sachbearbeiters schnappen, bzw den Sachbearbeiter nch der Tür des Vorgesetzten fragen. Dann wird der schon schalten, dass er hier etwas falsch macht, indem er die Frau einfach weiterschickt.

Gruß
Uli

Salve,
der Hinweis auf den Datenschutzbeauftragten ist richtig.

Sie müssen sich beim Leiter der Arbeitsagentur beschweren, indem Sie dem Mitarbeiter eine Verletzung der Amtspflich sowie Amts- und Ermessensmißbrauch vorwerfen.

Eine sehr effektive Möglichkeit ist es auch, diesen Sachverhalt, dem Petitionsausschuß Ihres Landesparlamentes mit zu teilen und um Abhilfe sowie Hilfe zu bitten.

Ist Arbeit und man gilt dann als Querulant, aber wenn Tatsachen vorliegen und nachgewiesen werden (Zeugen etc.) hat man Chancen.

Der Beschäftige bei der VHS hätte einen Verstoss des Datenschutzes begangen, wenn er personenbezogene Daten vor anderen Antragstellen mitgeteilt hat. Der Landesdatenschutzbeuaftragte wird ermitteln, wie der Datenschutzverstoß zu bewerten ist. Danach können Sie prüfen (lassen RAnwalt), ob Sie einen Anspruch gegen den Beschuldigten haben.

Alles Gute und auch gute Nerven.

Hallo Dr.h.c. Susuentaculum,

also so ganz einfach ist das hier nicht. Eine Datenschutzverletzung liegt hier im klassischen Sinne erst mal nicht vor. Eher ein Eigriff in die Privatsphäre, in welcher eine mangelnden Eignung zum ausfüllen von Dokumenten vermutet wird. Diese Art der Erniedrigung muss man sich nicht gefallen lassen. Ich empfehle hier die Einreichung einer Beschwerde bei den Vorgesetzten der MA des Jobcenters. Eine gerichtliche Bearbeitung wird dies aber sicherlich nicht nach sich ziehen.

Der Datenschutzbeauftragter

Guten Abend Herr Wejnar,
vielen Dank für Ihre Antwort!
Sie sind der zuständige Datenschutzbeauftragte?

MfG

Hallo,

hier kann ich leider wenig helfen.

Dieser Fall fällt in den Bereich des Datenschutzes der öffentlichen Stellen, und da kenne ich mich wenig bis gar nicht aus.

Die Besonderheit ist außerdem, dass nicht die verantwortliche Stelle selbst Daten mögicherweise unzulässigerweise erhoben, verarbeitet (inkl. übermittelt) und/oder genutzt hat, sondern die Betroffene genötigt hat, ihre Daten selbst an Dritte zu übermitteln (den anderen Teilnehmern bekannt zu geben).

Es KÖNNTE sich um einen Verstoß gegen § 9 BDSG i.V.m. Nr. 4 der Anlage zu § 9 handeln, da geht es um die Weitergabekontrolle, die verantwortliche Stelle hat Maßnahmen dagegen zu treffen, dass Daten Unbefugten zur Kenntnis gelangen können, und das gilt auch im Rahmen der Datenerhebung. Das hängt aber u.a. davon ab, ob sich die Daten zu diesem Zeitpunkt überhaupt juristisch bereits im Hoheitsbereich der verantwortlichen Stelle befanden, d.h. ob die Erhebung überhaupt schon stattfand oder erst später stattfinden sollte und es sich nur um eine Vorbereitung derselben handelte. Schwer zu sagen.

Ich würde Kontakt mit dem Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit des betroffenen Bundeslandes aufnehmen und dort fragen, wie der Fall gesehen wird und ob man gedenkt, dageben einzuschreiten.

Zur Zuständigkeit des Gerichts kann ich nichts sagen, damit kenne ich mich nicht aus.

Viele Grüße
Sebastian

Im Grunde liegen Sie schon richtig: als allererstes die Tatbestände mit Datum, Uhrzeit und Namen dokumentieren und damit zur Aufsichtsbehörde des Bundeslandes (LDI). Diese verfolgen etwaige Datenschutz-Verstöße.

Etwaige deswegen, das Sie die (Vertrags-)Verhältnisse zwischen dem Job-Center und der VHS nicht kennen. Evtl. liegt es „nur“ in einer Verfehlung des Sachbearbeiters. Gleichwohl ist das Job-Center, respektive die Leitung der verantwortlichen Stelle - nomen est omen - auch dafür verantwortlich.

Eine Beschwerde dort ist also grundsätzlich ok, ich würde dies nur mit dem LDI koordinieren.

Bei Streitigkeiten mit der (mittelbaren) öffentlichen Verwaltung (auch Arbeitsverwaltung) ist normalerweise die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig. Das ALG II fällt m.E. aber eher in die Sozialgerichtsbarkeit.

Grundsätzlich erlaubt das Datenschutzrecht die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung auf zweierlei Art: es muss entweder eine Rechtsgrundlage bestehen (= gesetzlich erlaubt sein) ODER eine Einwilligung vorliegen.

Somit KANN das Vorgehen der Behörde durchaus rechtens sein; dazu müssten aber die genauen Verbindungen JC-VHS etc. bekannt sein; dies ist aus der Ferne schwer zu beurteilen.

Die Nicht-Akzeptanz des Antrags ohne inhaltliche Prüfung ist natürlich ein Unding, hat aber nichts mit Datenschutz, sonder mit dem Verwaltungsrecht zu tun.

Eine Auslagerung von datenschutz-relevanten Tätigkeiten sind ebenfalls grundsätzlich erlaubt, wenn gewisse vertragliche und sicherheitstechnische Maßnahmen etabliert werden (nennt sich „Auftragsdatenverarbeitung“). Diese sind Ihnen jedoch noch nicht bekannt (s.o.).

Von daher sollten die aus Ihrer Sicht einzelnen Verstöße zunächst klar nach Rechtsgebieten getrennt werden.

Bottom line: Tatbestände aufschreiben und sich vom LDI beraten lassen; im Zweifel eine(n) RA(in) mit der Wahrnehmung Ihrer Interessen beauftragen.

Viel Erfolg und Gruß

Hallo Dr.h.c. Susuentaculum,

ein Datenschutzbeauftragter? Aber sicher doch! Der dafür zuständige? Leider nein.

Der Datenschutzbeauftragte

Hallo,

ich denke, dass das Sozialgericht zuständig ist. Die Einschaltung des Landesdatenschutzbeauftragten halte ich für sehr vielversprechend.

Gruss Siegfried

Interessanter Fall. Hat zwar sicherlich Berührungen zum BDSG, ist aber nicht so 1zu1 zuzuordnen, da das BDSG die Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe regelt. Am ehesten würde noch der §3a Datenvermeidung und Datensparsamkeit greifen.
Hier würde ich mich aber nicht auf eine Laienmeinung verlassen, sondern ein Gespräch mit einem RA suchen, der das fachlich und auch das zuständige Gericht am besten beurteilen kann. Das als meine persönliche Meinung zu dem beschriebenen Fall
Gruß
Ulliyo

Keine ahnung.

Sorry, die Frage ist mir seinerzeit durchgegangen