Alles geht uns an

Hi Philos,
im Psych.-Brett bin ich schon auf die Skizzen von Botho Strauss (aktueller SPIEGEL) in anderer Sache eingestiegen. Jetzt möchte ich - weil ich es hier als passender empfinde - auf ein weiteres Zitat eingehen:

„Es ist, wie es kommen musste. Das Voltairesche *Alles geht uns an* führte mit ein wenig Verspätung zu einer industriellen Supermacht der Anteilnahme, die ein einzelnes Menschenheer nicht mehr verkraften kann. An einem einzigen Tag könnte sich die gesamte Wachheit (also das tatsächliche aktive Interessenspotential) eines ‚Alles-geht-mich-an‘-Mannes restlos erschöpfen. Vollkommen indifferent starrte er dann vor sich hin bis zum Ende seiner Tag.“

Kann es sein, dass der Mensch heutzutage in seiner Analyse, seiner Meinungsbildung hoffnunglos überfordert ist? Medienflut. Protest ist ja nicht mehr wirksam. Fragen laufen ins Leere. Vor lauter Überforderung allein der Existenzsicherung, geschweige denn in *Beziehungsfragen* (damit meine ich nicht nur die zwischen dem klassischen(?) Paar (hier ein kleiner Schwenk in die Psychologie, auch ein Strauss-Zitat aus demselben Artikel: „Allein die vielen Verbrechen der Intimität, die ungesühnt bleiben.“)
Taugen die Erkenntnisse und Behauptungen der „alten“ Philosophen in dieser ‚veränderten‘ Welt noch (wobei ich Kants kategorischen Imperativ immer noch für das Non-plus-ultra gemeinschaftlichen Lebens halte…).
Gespannt:
Anja

Hi,

na ja, die Philosophie fängt ja nicht bei Voltaire an, und dem armen Kerl die Schuld an der Misere zu geben, ist wohl falsch, weil bei den gegebenen wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten zu seiner Zeit „in Voltaire“ einfach entstehen musste.

Vielleicht sollte man mal noch mehrer 100 Jahr zurückgehen und mal sehen was andere Kulturen für Antworten auf diese Frage gaben.

Mag sein, dass die Welt einfach zu komplex für die Denkweise eines Voltaire ist. War sie das aber nicht schon immer ???
kann ich sie überhaupt befriedigend in einem linearne Denkmuster mit Vereinfachung auf weniger Variable - mit deren Hilfe ich dann versuche, der Welt meinen Willen aufzuzwingen - erklärt werden.

Oder hindert mich gerade dieses Denken an der Erkenntnis? Ist die Abkehr von Intuition und ganzheitlicher Wahrnehmung hin zur immer weiter gehenden Selektion der Wahnehmungsinhalte und damit des „Denkbaren“ tatsächlich eine Lösung?

Eine alternative Antwort bietet z.B. Zen an, oder auch der Taoismus.

Wer zwingt Dich zun nachdenken über eine Vergangenheit, die es nicht mehr gibt oder über eine Zukunft, die es so nie gben wird, wie Du sie ausdenkst? Wer hindert Dich daran, den Fernseher in den Keller zu stellen und nur selktiv die Informationen aufzunehmen, die Dich interessieren. Warum Mit-Leid anstelle Anteilnahme und aktiver Hilfe?
Wer zwingt Dich, in Beziehungsfragen nicht einfach nur Du selbst zu sein? Vielleich nur Du selbst, da du nicht bereit bist, die Konsequenzen daraus zu tragen?

Gruss A.

Wer zwingt Dich zun nachdenken über eine Vergangenheit, die es
nicht mehr gibt oder über eine Zukunft, die es so nie gben
wird, wie Du sie ausdenkst? Wer hindert Dich daran, den
Fernseher in den Keller zu stellen und nur selktiv die
Informationen aufzunehmen, die Dich interessieren. Warum
Mit-Leid anstelle Anteilnahme und aktiver Hilfe?
Wer zwingt Dich, in Beziehungsfragen nicht einfach nur Du
selbst zu sein? Vielleich nur Du selbst, da du nicht bereit
bist, die Konsequenzen daraus zu tragen?

Meine Frage resultiert nicht aus persönlicher Befindlichkeit - mich interessieren diese und dazu Eure Gedanken zu der Behauptung.
Nun erst einmal gute Nacht, :smile:
Anja

Hi,

es steht nicht ohne Absicht „Du“ und nicht das beliebte „man“. Weil es eine befriedigende allgemeingültige Antwort darauf wohl kaum geben kann, wohl aber eine individuelle Antwort. Das ist das gleiche wie solche Fragen „Welchen sinn hat _das_ Leben“…

A.

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Hi Anja!

Hi Philos,

Darf ich auch als Nichtphilo antworten?

"Es ist, wie es kommen musste. Das Voltairesche *Alles geht
uns an*

Es geht uns alles etwas an, nur kann man sich nicht um alles kümmern, geschweige denn über alles eine objektive Meinung bilden!
Aus Managementsicht heißt das: delegieren, Prioritäten setzen und
fokussieren. Wie es ein erfolgreiches Unternehmen tut.
Es steht ein Mensch allein gegen 6 Millarden anderer Menschen, wie soll er dem Ganzen gerecht werden? Ein Ding der Unmöglichkeit!

führte mit ein wenig Verspätung zu einer industriellen
Supermacht der Anteilnahme, die ein einzelnes Menschenheer
nicht mehr verkraften kann. An einem einzigen Tag könnte sich
die gesamte Wachheit (also das tatsächliche
aktive Interessenspotential) eines
‚Alles-geht-mich-an‘-Mannes restlos erschöpfen. Vollkommen
indifferent starrte er dann vor sich hin bis zum Ende seiner
Tag."

Oder bis ihm klar wurde, daß individuelle Lethargie eine kollektive Lethargie nicht aushebeln kann, wohl aber individuelle Initiative das Kollektiv motivieren kann.

Kann es sein, dass der Mensch heutzutage in seiner Analyse,
seiner Meinungsbildung hoffnunglos überfordert ist?

Es braucht die Kunst des KAIZEN, innerhalb der dafür verantwortlichen Gremien und Medien. Stetige qualitative Verbesserung und Komprimierung
von Information, wie wir es EDV-technisch täglich sehen. Jeder kann heute einen PC bedienen, was vor Jahren noch undenkbar erschien und an fast alles Wissen herankommen, was für ihn wichtig ist. Vor Jahren noch undenkbar.

Medienflut. Protest ist ja nicht mehr wirksam. Fragen laufen
ins Leere. Vor lauter Überforderung allein der
Existenzsicherung,

Ist der um Existenzsicherung bemühte denn der Fachmann für Existenzfragen? Man muß nicht für alles ein Problemlöser sein, es hilft dort tätig zu sein, wo man Experte ist und sich auch die Option des „Sichhelfenlassens“ offenhalten, ohne in Komplexe zu geraten. Eine Hand wäscht die andere!

eschweige denn in *Beziehungsfragen*
(damit meine ich nicht nur die zwischen dem klassischen(?)
Paar (hier ein kleiner Schwenk in die Psychologie, auch ein
Strauss-Zitat aus demselben Artikel: „Allein die vielen
Verbrechen der Intimität, die ungesühnt bleiben.“)
Taugen die Erkenntnisse und Behauptungen der „alten“
Philosophen in dieser ‚veränderten‘ Welt noch (wobei ich Kants
kategorischen Imperativ immer noch für das Non-plus-ultra
gemeinschaftlichen Lebens halte…).

Dem guten Kant halte ich Erich Kästner entgegen:
Es gibt nichts gutes, außer man tut es!
Wenn ich mich nur darin übe, die Widerlichkeiten der Welt zu betrachten, dann falle ich sehr schnell ins emotionale Koma!
Es ist aber doch wirklich nicht alles nur S…

Sei gegrüßt
Junktor

P.S.:

Hi Anja!

Taugen die Erkenntnisse und Behauptungen der „alten“
Philosophen in dieser ‚veränderten‘ Welt noch (wobei ich Kants
kategorischen Imperativ immer noch für das Non-plus-ultra
gemeinschaftlichen Lebens halte…).

Aufgabe der Kunst ist es etwas darzustellen, vielleicht auf einen Umstand aufmerksam zu machen. Wenn dieses „Aufmerksammachen“ dazu führt, daß sich die Betrachter oder Leser in diesem Umstand suhlen, ohne nach Auswegen zu suchen, dann hat die Kunst versagt und wäre besser still geblieben, denn dann würde ein vielleicht negativer Umstand nicht nur verstärkt!
Die letzte Hexenverbrennung fand in der Schweiz 1782 statt, in D 1775!
500000 Menschen fanden durch die Hexenverfolgung den Tod, 80% davon waren Frauen. Vor allem solche die eben nicht der Norm entsprechen.
Gemessen an der damligen Bevölkerungszahl, eine dramatische Menge an Menschen.
Kant lebte von 1724-1802.

Vielleicht verstehst du meine Intention jetzt besser.

Herzliche Grüße
Junktor

Hi Junktor,

Taugen die Erkenntnisse und Behauptungen der „alten“
Philosophen in dieser ‚veränderten‘ Welt noch (wobei ich Kants
kategorischen Imperativ immer noch für das Non-plus-ultra
gemeinschaftlichen Lebens halte…).

Aufgabe der Kunst ist es etwas darzustellen,

Meinst Du in diesem Falle die „Kunst“ der Philosophie?

vielleicht auf
einen Umstand aufmerksam zu machen.

Ist das „Aufgabe“ der Philosophie? Hat Philosophie einen Auftrag?
In der bildenden Kunst, in der ich zu Haus bin, kann ich immer wieder feststellen, dass der kritische Umgang mit gesellschaftlichen Zusammenhängen und der Wunsch nach „Aufklärung“ eher marginal ist… Und wenn es dann doch der Fall ist, werden sie aufgrund von Protesten Ewiggestriger und ihrer neuzeitlichen Kameraden eiligst abgehängt (ent art et).

Wenn dieses
„Aufmerksammachen“ dazu führt, daß sich die Betrachter oder
Leser in diesem Umstand suhlen, ohne nach Auswegen zu suchen,
dann hat die Kunst versagt und wäre besser still geblieben,
denn dann würde ein vielleicht negativer Umstand nicht nur
verstärkt!

Ich freue mich ob Deiner Wertschätzung der Kunst, nur: kann sie das wirklich leisten?

Die letzte Hexenverbrennung fand in der Schweiz 1782 statt, in
D 1775!
500000 Menschen fanden durch die Hexenverfolgung den Tod, 80%
davon waren Frauen. Vor allem solche die eben nicht der Norm
entsprechen.

Da hätte ich sicher dazugehört *schauder

Kant lebte von 1724-1802.
Vielleicht verstehst du meine Intention jetzt besser.

Ja, natürlich, auch der von Dir vorher zitierte Kästnersche „Spruch“ ist mir allemal lieber.
Aber Du siehst, die Suche nach Antworten wird nie abgeschlossen sein (das hat sie wiederum mit der Kunst gemeinsam).
Auch Dir herzliche Grüße,
Anja

1804! (offtopic)
Hi,

Kant lebte von 1724-1802.

1724-1804 - schließlich ist im Moment Jubiläumsjahr!
* Klugscheißermodus aus *

Herzliche Grüße

Thomas Miller

1 Like

Hi,

Kant lebte von 1724-1802.

1724-1804 - schließlich ist im Moment Jubiläumsjahr!
* Klugscheißermodus aus *

Ja natürlich!
*Schämmodus ein*

Herzliche Grüße
Junktor

Hi Anja!

Meinst Du in diesem Falle die „Kunst“ der Philosophie?

Jeder Kunst, welche ich von Können ableite, käme sie von wollen hieße sie Wulst. Ein alter Gag zugegeben. Ich meine, egal wer was schafft, in der Absicht dies zu veröffentlichen und sei es ein Statement hier,
der trägt Verantwortung. Und da hab ich oft meine Bedenken.

Ist das „Aufgabe“ der Philosophie? Hat Philosophie einen
Auftrag?

Aufgabe ist ein blödes Wort, zugegeben. Ob die Philosophie einen Auftrag hat vermag ich nicht zu sagen, aber wer seine Überlegungen publiziert trägt die Verantwortung dafür.

In der bildenden Kunst, in der ich zu Haus bin, kann ich immer
wieder feststellen, dass der kritische Umgang mit
gesellschaftlichen Zusammenhängen und der Wunsch nach
„Aufklärung“ eher marginal ist… Und wenn es dann doch der
Fall ist, werden sie aufgrund von Protesten Ewiggestriger und
ihrer neuzeitlichen Kameraden eiligst abgehängt
(ent art et).

Von Kollegen oder von „Konsumenten“? Ich habe schon manch furchtbare Vernissage erlebt, mit an Peinlichkeiten nicht zu überbietenden Ausfällen. Du kennst das sicher.

Ich freue mich ob Deiner Wertschätzung der Kunst, nur: kann
sie das wirklich leisten?

Es ist nicht die Kunst, die etwas zu leisten hat, ich denke an die Reflexionen. Wenn jemand ins Theater geht und sich „Warten auf Godot“
anschaut, um hinterher die Meinung zu haben, es wäre sinnvoll in deinem Zitat erwähnter Manier der Lethargie zu frönen, dann hat sie versagt, als Medium meine ich. Man müßte ein neues Medium finden, vielleicht einen Holzhammer! Aber ich denke die Kunst vermag vieles zu sagen, was rational nicht machbar wäre. Und das auf oft faszinierende und fesselnde „Art“ und Weise.

Wertschätzende Grüße
Junktor :smile:

Hi Junktor,

Von Kollegen oder von „Konsumenten“? Ich habe schon manch
furchtbare Vernissage erlebt, mit an Peinlichkeiten nicht zu
überbietenden Ausfällen. Du kennst das sicher.

allerdings… in den 70ern fand ich das noch lustig, heute nur beschämend… Und das betrifft sowohl Kollegen als auch „Konsumenten“ und die sog. „Kunstvermittler“.

Es ist nicht die Kunst, die etwas zu leisten hat, ich denke an
die Reflexionen.

Nur: was kann die Kunst dafür, wenn der Betrachter nicht zur Refkexion fähig ist? Hier stellt sich wieder die Frage der Pflicht der wie auch immer gearteten Kunst zur „Aufklärung“.

Wenn jemand ins Theater geht und sich „Warten auf Godot“
anschaut, um hinterher die Meinung zu haben, es wäre sinnvoll
in deinem Zitat erwähnter Manier der Lethargie zu frönen,

Ich denke, Botho Strauss redet eher von Resignation. Dass Resignation in Lethargie mündet bestreite ich allerdings nicht.

dann hat sie versagt, als Medium meine ich.

s.o.

Man müßte ein
neues Medium finden, vielleicht einen Holzhammer!

Das wäre was! Kunstmesse Köln: in jeder Koje steht ein Künstler mit einem Holzhammer und haut auf die Besucher ein! Sowas nennt man ja Performance… Wäre wirklich was Neues… (Wäre es nötig gewesen, den Ironie-Modus einzuschalten? Ich hoffe nicht…)

Aber ich
denke die Kunst vermag vieles zu sagen, was rational nicht
machbar wäre. Und das auf oft faszinierende und fesselnde
„Art“ und Weise.

Schön, dass Du das so siehst :smile:

Wertschätzende Grüße

Ebensolche zurück,
Anja

Hi Anja!

Nur: was kann die Kunst dafür, wenn der Betrachter nicht zur
Refkexion fähig ist?

Nichts kann sie dafür! Das Versagen von „Etwas“ ist auch keine Frage der Schuld, sondern eine der Interaktion. Was nützte die beste Philosophie, wenn sie denn niemand versteht? Es ist halt auch eine Kunst aufeinander einzugehen.

Hier stellt sich wieder die Frage der
Pflicht der wie auch immer gearteten Kunst zur „Aufklärung“.

Ja und der der Absicht, mit der ein Werk geschaffen wird. Will der Künstler eine Aussage machen oder nur dem Selbstzweck dienen, was natürlich i.O. ist, nur darf er das dann veröffentlichen?
Aus Narzissmus, Respektlosigkeit gegenüber dem Betrachter, komerziellem Interesse…? Das Werk wird dann ent"art"et jedenfalls in der reinen und unschuldigen Form der Strukturen. Oder weil er die Betrachter an seinem Innenleben teilhaben lassen will? Wäre das dann nicht ein klein wenig exhibitionistisch? Sind Künstler Exhibitionisten? Wahrscheinlich gibt es aber eine Intimzone, die tabu bleibt. Ich habe da hohe Ansprüche. Das war meine Meinung wie siehst du das denn? Sehe ich das falsch? Mit welcher Prämisse gehst du an eine Sache?

Ich denke, Botho Strauss redet eher von Resignation. Dass
Resignation in Lethargie mündet bestreite ich allerdings
nicht.

Da wirst du recht haben. Dieser Überflutung, die man ja wirklich täglich erlebt, kann man eben selektierend begegenen. Mir persönlich bleibt beispielsweise gar nichts anderes übrig. Eine Managementechnik besagt:
Hast du 10 Aufgaben zu bewältigen, dann unterteile sie in Prioritäten, die wichtigste zuerst, dann die nächste etc.
Und anhand dieser Liste arbeitet man sich vor. Hat man Punkt 1 und 2 erledigt, ist bereits 80% des Tagespensums geschafft. Bleibt etwas liegen ist es das unwichtigste und so gehe ich auch allgemein vor.
Seien es Spenden oder was auch immer. Ein Resignieren wie Botho Strauss es schildert kann man sich eigentlich nicht leisten! Und ich denke auch nicht, das er das so meint!

(Wäre es nötig gewesen, den Ironie-Modus einzuschalten? Ich
hoffe nicht…)

Das schadet aber auch nicht, ein bißchen Spass nimmt dem Ernst der Lage seine Autorität, diese sollte wir uns nicht nehmen lassen!

Aber ich
denke die Kunst vermag vieles zu sagen, was rational nicht
machbar wäre. Und das auf oft faszinierende und fesselnde
„Art“ und Weise.

Schön, dass Du das so siehst :smile:

Nach dem 11. September hat Bruce Springstreen sein Lied Uprising geschrieben. Aufstehen. Er sagte es ist die Aufgabe der Künstler dieses Attentat zu verarbeiten und den Menschen eine Perspektive zu geben. Jeder der das Lied hört erlangt eine motivierendes Gefühl und eben keines der Resignation. Ja ich halte die Kunst für ein wichtiges und wertvolles Medium!

Herzliche Grüße
Junktor

1 Like

tja,
Hi Junktor,
jetzt würde ich gerne Deine Äußerung als „unbeantwortet“ im „Brett“ markieren können, etwas, was ich im ALK-Brett schon einmal vorgeschlagen habe. Ich muss gleich weg und habe eine gewisse Sorge, dass ich Deine Antwort und meinen Wunsch, dazu etwas zu sagen, später „übersehen“ könnte…
Gruß,
Anja

Hi Junktor,
jetzt habe ich mich glücklicherweise daran erinnert, dass da noch eine Frage bzw. deren Beantwortung für mich offen ist und gehe nun auf einige Deiner Sätze ein…

Ja und der der Absicht, mit der ein Werk geschaffen wird. Will
der Künstler eine Aussage machen oder nur dem Selbstzweck
dienen, was natürlich i.O. ist, nur darf er das dann
veröffentlichen?

Nunja, auch der Käufer bedient sich durchaus (s)eines Selbstzwecks. Zum einen, wenn er Kunst nur als Dekoration für seine Wohnräume betrachtet (farblich möglichst passend zum Sofa), als Spekulationsobjekt oder aber auch, um sein Image zu polieren…
Es sind oft gerade die „Kunstdekorationsmaler“, die von ihrer Arbeit leben können, weil sich „Gefälliges“ immer noch am besten verkauft.
Mit Immendorffs „Deutschland“-Bild (der genaue Titel kommt mir gerade nicht in den Sinn) oder den „Not-Skulpturen“ einer Käthe Kollwitz will sich kaum einer tagtäglich in seinem Wohnzimmer auseinandersetzen.

Aus Narzissmus, Respektlosigkeit gegenüber dem Betrachter,
komerziellem Interesse…? Das Werk wird dann ent"art"et
jedenfalls in der reinen und unschuldigen Form der Strukturen.
Oder weil er die Betrachter an seinem Innenleben teilhaben
lassen will? Wäre das dann nicht ein klein wenig
exhibitionistisch?

Nun, autobiographische Aspekte finden sich in jeder Sparte der Künste. Das macht ja ihre Individualität und damit ihren Reiz aus. Deshalb gleich mit Exhibitionismus zu spekulieren, halte ich für gewagt.
Allerdings:

Sind Künstler Exhibitionisten?

Da möchte ich George Sand (aus „Consuelo“) zitieren, für mich ist sie die Inkarnation der Exhibitionisten in der Kunst:
„Sollte ich zur Ergebenheit geboren sein, so verbanne Gott aus meinem Kopf die Liebe zur Kunst, die Poesie und den Instinkt der Freiheit, der meine Ergebenheit in Qual und Agonie verwandelt;
sollte ich für die Kunst und für die Freiheit geboren sein, so verbanne er aus meinem Herzen das Mitleid, die Freundschaft, die Fürsorge und die Furcht, Leid zuzufügen, denn sie werden meine Triumphe stets vergiften und meine Laufbahn behindern.“
Ich kenne derartige Künstler zur Genüge, Eitelkeit in hoher Potenz, konkurrent und missgünstig, unfähig, Qualität bei Arbeiten von Kollegen zu würdigen - und ich finde sie zum Kotzen.

Wahrscheinlich gibt es aber eine Intimzone, die tabu bleibt.

Die Frage nach einem notwendigen Maß an Intimität (nicht nur in der Kunst) würde wahrscheinlich einen langen neuen Thread lostreten…
Ich glaube, dass jeder sein eigenes Maß an Intimität schützt und den Respekt davor fordert. Ich persönlich besitze ein relativ geringes Maß an Intimität, d.h. ich trage mein Herz auf der Zunge und sage dann durchaus manchmal Dinge, die ich lieber für mich behalten sollte. Das hat den Preis hoher Verletzbarkeit. Wer schweigt schützt sich, macht sich unangreifbar (alles weitere gehört dann wohl ins Psych.-Brett).

Ich habe da hohe Ansprüche.

Zu Recht.

Das war meine Meinung wie siehst
du das denn? Sehe ich das falsch? Mit welcher Prämisse gehst
du an eine Sache?

Ich betrachte mich ja eher als „Geschichtenerzählerin“ mit meinen Plastiken. Ich erlebe etwas, sehe etwas oder es geschieht einfach so… Das setze ich dann um. Meine Arbeiten trennen sich in zwei Sparten: die eine ist eher ironisch, die andere ist eher melancholisch-grüblerisch. Letztere ist sicher die aus der eigenen Intimität stärker gespeiste. Zwei Beispiele kann ich Dir mailen, meine Homepage ist noch in Arbeit… Die ironischen verkaufen sich besser :frowning:
Ich verweigere zumeist eine eigene Interpretation meiner Arbeiten anderen gegenüber, um dem Betrachter die Freiheit zu lassen, seinen Sinn darin zu sehen. (Überhaupt bin ich ein Zweifler, wenn nicht sogar Gegner der Kunstinterpretationen, wenn sie über Hintergrundinformationen über Zeitgeschichte und Lebenssituation des betreffenden Künstlers hinausgehen…)

Ein Resignieren wie
Botho Strauss es schildert kann man sich eigentlich nicht
leisten! Und ich denke auch nicht, das er das so meint!

Auch ich gehe davon aus, dass Strauss Diskussionen provozieren will und nicht als verletzter schmollender Literat an seinem Küchentisch über die ach so böse Welt sinniert…

Nach dem 11. September hat Bruce Springstreen sein Lied
Uprising geschrieben. Aufstehen. Er sagte es ist die Aufgabe
der Künstler dieses Attentat zu verarbeiten und den Menschen
eine Perspektive zu geben. Jeder der das Lied hört erlangt
eine motivierendes Gefühl und eben keines der Resignation.

Ein hoher Anspruch. Vielleicht gelingt das bei sentimentalen Amerikanern. Rapper haben schon früher mit ihren Texten gesellschaftliche Missstände angeprangert - und nichts bewirkt… Der kollektive Schock lässt die Menschen zusammenrücken - für eine Weile. Aber dann wenden sich die meisten doch wieder in ihrem Selbsterhaltungstrieb ihrem Ego-Trip zu…

Ja ich halte die Kunst für ein wichtiges und wertvolles Medium!

Ich auch :smile:) Immer noch und immer wieder und sie wird mich mein Leben lang nicht mehr loslassen…
Herzlichen Gruß,
Anja

Hi Anja!

Das Thema ist für mich zu interessant, als dass ich es jetzt so auf die Schnelle abhandeln möchte.
Werde dir ausführlich antworten.

Gruss
Junktor

Hi Anja!

Nunja, auch der Käufer bedient sich durchaus (s)eines Selbstzwecks… Mit Immendorffs „Deutschland“-Bild (der genaue Titel kommt mir gerade nicht in den Sinn) oder den „Not-Skulpturen“ einer Käthe Kollwitz will sich kaum einer tagtäglich in seinem Wohnzimmer auseinandersetzen.

Ja genau, die Grenzen zwischen Kunst, Handwerk und Kommerz (aktiv und interaktiv! d.h.abkassieren und angeben) sind ja auch fliessend. Ich denke aber nicht, daß es immer nur um Probleme gehen muß. Man findet in sich und außer sich auch genügend positive Seiten der Existenz, die es wert sind transformiert und anschaulich gemacht zu werden.

Nun, autobiographische Aspekte finden sich in jeder Sparte der Künste. Das macht ja ihre Individualität und damit :ihren Reiz aus. Deshalb gleich mit Exhibitionismus zu spekulieren, halte ich für gewagt.

Das sollte keine Pauschalisierung sein und schon gar keine Wertung! Lass es mich durch Beispiele verdeutlichen:
Twombly ist der Respektlose, der Mann mit dem Hut ein Geschäftemacher und Dali ist für mich der Inbegriff des Exhibitionisten, wenn man seine Symbolik einmal verstanden hat, kann man in seinen Bildern lesen wie in einem Buch. Die innerseelischen Probleme mit dem Vater, die schützende und heilende Gala etc. Ich schätze seine Kunst sehr, allerdings habe ich so meine Skepsis mit seiner Persönlichkeit, darf man sich in aller Öffentlichkeit so entblößen und das auch noch kommerziell ausnutzen?
Es mag aber auch sein, daß ich verklemmt bin! :smile:

Sind Künstler Exhibitionisten?

Da möchte ich George Sand (aus „Consuelo“) zitieren, für mich ist sie die Inkarnation der Exhibitionisten in der :Kunst:
"Sollte ich zur Ergebenheit geboren sein,…

Starke Antwort!
OWT

Wahrscheinlich gibt es aber eine Intimzone, die tabu bleibt.

Die Frage nach einem notwendigen Maß an Intimität (nicht nur in der Kunst) würde wahrscheinlich einen langen :neuen Thread lostreten…

Ja absolut und wäre ein eigenes topic wert.

Ich glaube, dass jeder sein eigenes Maß an Intimität schützt und den Respekt davor fordert. Ich persönlich besitze .ein relativ geringes Maß an Intimität, d.h. ich trage mein Herz auf der Zunge und sage dann durchaus manchmal
Dinge, die ich lieber für mich behalten sollte. Das hat den Preis hoher Verletzbarkeit. Wer schweigt schützt sich, :macht sich unangreifbar (alles weitere gehört dann wohl ins Psych.-Brett).

Wem sagst du das! Mit diesem Problem kämpfe ich schon lange herum. Es ist wie ein heiliger Gral und es täte furchtbar weh, würde dieser verprofanisiert! Aber es ist auch das wertvollste im Menschen. Die Destruktivität weiss nicht was sie anrichtet. Aber ganz sachte und paritätisch ließe es sich vielleicht machen!

Ich betrachte mich ja eher als „Geschichtenerzählerin“ mit meinen Plastiken. Ich erlebe etwas, sehe etwas oder es geschieht einfach so… Das setze ich dann um. Meine Arbeiten trennen sich in zwei Sparten: die eine ist eher ironisch, die andere ist eher melancholisch-grüblerisch. Letztere ist sicher die aus der eigenen Intimität stärker gespeiste. Zwei Beispiele kann ich Dir mailen, meine Homepage ist noch in Arbeit… Die ironischen verkaufen sich besser :frowning:

Vielen Dank dafür! Gefallen mir sehr! Ich brauche ein wenig Zeit, dann schildere ich dir meine Assoziationen dazu, wenn du magst? Dieses gefällt mir gut ist ja auch nichts anderes als eine Form der Verprofanisierung, allerdings sind Kunstwerke das Eigentum des Künstlers. Er will eine Aussage machen und keine Erläuterungen über sich selbst, davor habe ich viel Respekt!

Herzliche Grüße

Junktor