Alles 'pro arbeitgeber'?

Hi!

In den letzten Tagen überschlagen sich ob des „erhöhten Reformtempos“ der Bundesregierung bzw. des entsprechenden Druckes der Opposition die Meldungen, was alles in der deutschen Wirtschaft geändert werden muss.

Bei einigen Dingen habe ich da meine Zweifel, ob diese „wohlmeinenden Änderungen“, die von Unternehmerseite gefordert werden, wirklich den Nutzen bringen, den man sich erhofft.

Beispiel 1:
Allerorten wird diskutiert, das Ladenschlussgesetz aufzulockern oder ganz aufzugeben. Weg mit den Restriktionen! Shopping Around The Clock!
Aber rechnet sich das überhaupt?
Verlängerte oder gar 24h-Öffnungszeiten bedeuten für ein Einzelhandelsunternehmen vor allem eins: mehr Kosten. Wer von morgens sechs bis Mitternacht sein Geschäft geöffnet halten will, braucht mehr Personal. Das ist bei der bestehenden Arbeitslosigkeit sicher ganz löblich. Aber die dadurch entstehenden doppelten Personalkosten müssen durch Mehr-Umsatz abgefedert werden. Auf Deutsch: Doppelt so lange Öffnungzeiten kann nur durch doppelt so hohen Umsatz finanziert werden. WO soll dieser Nachfrage-Boom herkommen?

Und damit komme ich gleich zum Beispiel 2:
Den Sozialkassen kneift es an allen Ecken und Enden. Der Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenkasse liegt im Schnitt bei 14,6% und wird - noch - gemeinsam von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen. Nun gibt es Rechenspiele, mit denen 25 Milliarden Euro per anno eingespart und der Beitragssatz auf unter 12 Prozent gedrückt werden soll. Ein Hauptargument ist die Herauslösung von Krankheitskosten, die durch Unfälle in Freizeit und beim Sport entstehen. Dafür sollen die Bürger künftig eine private Unfallversicherung abschließen.
Auch hier die Frage: Rechnet sich das wirklich so gut wie immer behauptet wird?
Wenn durch die Senkung der GKV die Arbeitgeber bei den Lohnkosten entlastet werden sollen, heißt das nichts anderes, als dass die Arbeitnehmer künftig die Kosten für die zusätzliche private Unfallversicherung allein tragen müssen. Von ehemals 7,3% trägt der Arbeitgeber künftig nur knapp 6%, während der Arbeitnehmer mit 8,6% Minimum dabei ist - vermutlich mehr.
Erneut ein finanzieller Trugschluss, weil Regierung, Parteien und Arbeitgeber zu kurz gedacht haben?

Zu dem Maßnahmenpaket der GKV-Reformen gehören neben dem Zwang zu privaten Unfallversicherung auch Dinge wie „Eintrittsgeld“ beim Arzt. Dies würde den GKVs mehr Geld in die Kassen spülen. Abgesehen avon, dass hier GKV-Beiträge durch die Hintertür und ausschließlich von Arbeitnehmerseite kassiert werden - wie reagieren Menschen auf solche Veränderungen? Vermutlich ganz anders als es sich Politiker vorstellen.
Meine Vermutung: Der Trend zum Sport in Freizeit und Urlaub wird sinken. Fußball, Ski, Rollerblades, Skateboards, selbst Jogging wird zur Gefahr für den eigenen Geldbeutel. Wer viel sportlich aktiv ist, mag vielleicht nicht mit Kreislaufproblemen, dafür aber mit hohen finanziellen Kosten kämpfen. Und wie sieht es aus mit medinzinischer Vorsorge, mit regelmäßigen Zahnarztbesuchen (die ja von den GKVs verlangt werden, weil sonst Zuschüsse wegfallen!), von Krebsvorsorge, Schutzimpfungen usw.? Wenn für jeden Termin beim Arzt ein Eintrittsgeld von 10 Euro kassiert wird, dürften noch mehr Menschen als heute auf diese Vorsorgeuntersuchungen verzichten.

Kurzum: Maßnahmen Realität werden aneinander vorbeischrammen. VielGeld wird investiert, und es wird sich nichts bessern. Und weil dem Bürger noch mehr Geld aus dem Portemonnaie gezogen wird, nutzen auch 24 Stunden lang geöffnete Geschäfte nichts.

Liege ich völlig falsch?

Grüße
Heinrich

Hallo heinrich,

das ist doch vollkommen korrekt. Dort, wo dem Menschen Preise erhöht werden, ist nichts im allgemeinen gewonnen, weil an andren Stellen dann Gelder fehlen. Ich habe manchmal den Eindruck, die Politiker denken, die Leute müßten zuhause mehr Geld drucken.
Aber allgemein: Kapitalismus funktioniert so langzeitlich nicht. Ohne Warendeckung wird das Geld immer wertloser.

Gruß
Frank

Eher: alles pro leistungswilligen Bürger…
Hi!

In den letzten Tagen überschlagen sich ob des „erhöhten
Reformtempos“ der Bundesregierung bzw. des entsprechenden
Druckes der Opposition die Meldungen, was alles in der
deutschen Wirtschaft geändert werden muss.

Vorneweg: es sind einige wenige Massnahmen seit 30 Jahren fällig, jeder in der Regierung und Opposition wusste und weiss das. Es ist keine Hexerei zu erkennen, wo unser System krankt. Kurz: zu viel Regulierung, zu viel Umverteilung von mitteln Leistungswilliger an Leistungsunwillige, zu viele Subventionen und unnötige Geldverbrennnung aufgrund jahrzehnte alter Lobbyverstrickungen. Eine radikale Entfilzung des Systems wäre der einzige Weg, aber unser Wahlsystem lässt das nicht zu. Würde eine Legislaturperiode 5-6 Jahre dauern, wären Änderungen möglich. Aktuell dauert eine Legislaturperiode maximal 2,5 Arbeitsjahre, der Rest ist Wahlkampf.

Bei einigen Dingen habe ich da meine Zweifel, ob diese
„wohlmeinenden Änderungen“, die von Unternehmerseite gefordert
werden, wirklich den Nutzen bringen, den man sich erhofft.

Es geht hier keineswegs um Fordeurngen nur der Unternehmerseite. Auch viele Angestellte fordern Deine Punkte.

Beispiel 1:
Allerorten wird diskutiert, das Ladenschlussgesetz
aufzulockern oder ganz aufzugeben. Weg mit den Restriktionen!
Shopping Around The Clock!
Aber rechnet sich das überhaupt?
Verlängerte oder gar 24h-Öffnungszeiten bedeuten für ein
Einzelhandelsunternehmen vor allem eins: mehr Kosten. Wer von
morgens sechs bis Mitternacht sein Geschäft geöffnet halten
will, braucht mehr Personal. Das ist bei der bestehenden
Arbeitslosigkeit sicher ganz löblich. Aber die dadurch
entstehenden doppelten Personalkosten müssen durch Mehr-Umsatz
abgefedert werden. Auf Deutsch: Doppelt so lange Öffnungzeiten
kann nur durch doppelt so hohen Umsatz finanziert werden. WO
soll dieser Nachfrage-Boom herkommen?

Kurz gefragt: was geht es Dich an, wo der Gewinn des Edeka herkommt? Wer will sich anmassen zu entscheiden, wann ein Unternehmer arbeiten darf und wann nicht?
Eine freie Öffnung der Geschäfte könnte auch dazu führen, dass sich die reine ÖÄffnungsdauer gar nicht ändert, aber das Zeitfenster den modernen Bedüfnissen angepasst wird, z.B. Supermatktöffnung von 12 bis 24 Uhr.
Ansonsten sind die Personalkosten das Problem des Geschäftsinhabers. Er muss herausfinden, ob sich eine verlängerte Öffnungszeit für ihn lohnt.
Den Staat geht das nichts an.

Und damit komme ich gleich zum Beispiel 2:
Den Sozialkassen kneift es an allen Ecken und Enden. Der
Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenkasse liegt im Schnitt
bei 14,6% und wird - noch - gemeinsam von Arbeitgeber und
Arbeitnehmer getragen. Nun gibt es Rechenspiele, mit denen 25
Milliarden Euro per anno eingespart und der Beitragssatz auf
unter 12 Prozent gedrückt werden soll. Ein Hauptargument ist
die Herauslösung von Krankheitskosten, die durch Unfälle in
Freizeit und beim Sport entstehen. Dafür sollen die Bürger
künftig eine private Unfallversicherung abschließen.
Auch hier die Frage: Rechnet sich das wirklich so gut wie
immer behauptet wird?

Immer mehr Freizeit, immer mehr extreme Sportaren führen zu immer höheren Kosten in diesem bereich. Warum nicht eine Selbstbeteiligung? Unfallversicherungen sind heute sowieso in jedes ordentliche Kreditkartenangebot inkludiert.

Wenn durch die Senkung der GKV die Arbeitgeber bei den
Lohnkosten entlastet werden sollen, heißt das nichts anderes,
als dass die Arbeitnehmer künftig die Kosten für die
zusätzliche private Unfallversicherung allein tragen müssen.

Warum auch nicht?
Geht der Arbeitgeber mit zum Drachenfliegen?

Von ehemals 7,3% trägt der Arbeitgeber künftig nur knapp 6%,
während der Arbeitnehmer mit 8,6% Minimum dabei ist -
vermutlich mehr.
Erneut ein finanzieller Trugschluss, weil Regierung, Parteien
und Arbeitgeber zu kurz gedacht haben?

Das ist generell richtig, im aktuellen Fall ist es jedoch ein tropfen auf den heißen Stein aber die richtige Richtung.
Win System, das alle Bürger 110%ig versorgt, ist nicht mehr bezahlbar, daher muss hier etwas getan werden.

Zu dem Maßnahmenpaket der GKV-Reformen gehören neben dem Zwang
zu privaten Unfallversicherung auch Dinge wie „Eintrittsgeld“
beim Arzt. Dies würde den GKVs mehr Geld in die Kassen spülen.
Abgesehen avon, dass hier GKV-Beiträge durch die Hintertür und
ausschließlich von Arbeitnehmerseite kassiert werden - wie
reagieren Menschen auf solche Veränderungen? Vermutlich ganz
anders als es sich Politiker vorstellen.
Meine Vermutung: Der Trend zum Sport in Freizeit und Urlaub
wird sinken. Fußball, Ski, Rollerblades, Skateboards, selbst
Jogging wird zur Gefahr für den eigenen Geldbeutel. Wer viel
sportlich aktiv ist, mag vielleicht nicht mit
Kreislaufproblemen, dafür aber mit hohen finanziellen Kosten
kämpfen. Und wie sieht es aus mit medinzinischer Vorsorge, mit
regelmäßigen Zahnarztbesuchen (die ja von den GKVs verlangt
werden, weil sonst Zuschüsse wegfallen!), von Krebsvorsorge,
Schutzimpfungen usw.? Wenn für jeden Termin beim Arzt ein
Eintrittsgeld von 10 Euro kassiert wird, dürften noch mehr
Menschen als heute auf diese Vorsorgeuntersuchungen
verzichten.

Es bringt nichts, hier durch das Lobbysystem gewaschene Details zu diskutieren. Am Anfang muss zunächst das Bewusstsein stehen, dass unser Vollkaskosystem bereits tot ist und der einzelne sich nun privat mehr um seine Angelegenheiten kümmern muss.

Kurzum: Maßnahmen Realität werden aneinander vorbeischrammen.
VielGeld wird investiert, und es wird sich nichts bessern. Und
weil dem Bürger noch mehr Geld aus dem Portemonnaie gezogen
wird, nutzen auch 24 Stunden lang geöffnete Geschäfte nichts.

Diese Zusammenfassung wird der Situation nicht ganz gerecht. Es gibt durchaus gute Ideen, aber diese könnenh sich kaum durchsetzen, denn irgendwem tritt man damit immer auf die Füsse, der dann seine Lobby aktiviert und alles zu Fall bringt.
Der einzelne an sich ist also das Problem, denn er sagt, dass er verstehen könnne, dass gespart werden muss, aber man möge doch bitte nicht bei ihm selbst anfangen…

Liege ich völlig falsch?

Nein, Du fährst nur den falschen Ansatz. Du moserst über Lösungsvorschläge, ohne Dich vorab mit der gesamten Situation beschäftigt zu haben, meine ich.

Grüße,

Mathias

contra in allen Punkten
Hallo Matthias,

selbstverständlich müssen Reformen her. Und zwar hin zu mehr Eigenverantwortung aber ins konkrete Gegenteil deiner Darstellungen. Selbstverständlich ist eine 110%-ige Gesuindheitsversorgung bezahlbar. Wir haben aber eine Krankheitsversorgung, bei der ich mich wundere, daß bei dieser Verwaltung überhaupt noch Geld für Patienten da ist.
Es ist auch eine 110%-ige Versorgung mit Arbeitsplätzen möglich. Das ist aber nur dann möglich, wenn man nicht 98% der im Land verfügbaren Einnahmeüberschüsse an der Börse verspielt, wenn man Rechtsregulierungen aufhebt und diese regionalen Erfordernissen anpaßt, wenn eine solide, kostenlose Bildung bis hin zum Studium garantiert wird und vieles mehr. Ohne eine zentrale Grobkoordination der Wirtschaft geht das nicht. Im Prinzip gibt es das ja auch in Form diverser Förderprogramme - allerdings schiessen diese meist weit an der Realität vorbei. Ich sags ja: eine vernünftige Planwirtschaft ist effizienter.
Da gibts aber noch 1000 Punkte odser mehr, an denen ich meckern könnte.

Gruß
Frank

Hi!

Kurz gefragt: was geht es Dich an, wo der Gewinn des Edeka
herkommt? Wer will sich anmassen zu entscheiden, wann ein
Unternehmer arbeiten darf und wann nicht?
Eine freie Öffnung der Geschäfte könnte auch dazu führen, dass
sich die reine ÖÄffnungsdauer gar nicht ändert, aber das
Zeitfenster den modernen Bedüfnissen angepasst wird, z.B.
Supermatktöffnung von 12 bis 24 Uhr.
Ansonsten sind die Personalkosten das Problem des
Geschäftsinhabers. Er muss herausfinden, ob sich eine
verlängerte Öffnungszeit für ihn lohnt.

Die Aussage ist nicht:
Längere Öffnungszeiten = automatisch höherer Gewinn,
sondern:
Längere Öffnungszeiten = Sicherung (bzw. Neuschaffung) von Arbeitsplätzen

und das stelle ich in Frage.

Wenn durch die Senkung der GKV die Arbeitgeber bei den
Lohnkosten entlastet werden sollen, heißt das nichts anderes,
als dass die Arbeitnehmer künftig die Kosten für die
zusätzliche private Unfallversicherung allein tragen müssen.

Warum auch nicht?
Geht der Arbeitgeber mit zum Drachenfliegen?

Sicher nicht.
Aber der Arbeitgeber geht auch nicht mit mir ans Bett der Kinder, wenn die die Nase im wörtlichen Sinne voll haben und vor sich hin husten wie altgediente Bernhardiner. Die Kinder haben nichts, aber auch gar nichts mit dem Arbeitgeber zu tun. Und doch wird der Arbeitgeberanteil dafür verwendet, die Heilungskosten der Kinder zu tragen.

Oder wenn ich mir beim Heben einer Mineralwasserkiste einen Hexenschuß einfange.

Oder wenn ich mir im Urlaub eine Infektion durch Stich eines tropischen Insektes eingefangen habe - der Arbeitgeber war nicht mit im Urlaub.

Oder wenn ich - rein prophylaktisch - meine Zähne kontrollieren lasse oder - ganz aktuell - mich gegen Grippe impfen lasse.

Klar: das Interesse des Arbeitgebers gilt ausschließlich der Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeitskraft.

Aber wäre es dann nicht ehrlicher, der Arbeitegeber würde sich seine Zuschüsse zu meine KV ganz schenken? Schließlich ist jede Arbeitskraft beliebig austauschbar.

Grüße
Heinrich