Hallo Dalga,
es wäre natürlich nett, wenn jeder eine Zyankali-Kaspel im Nachtschrank haben dürfte…
Ich habe mir vor Jahren mal ein Formular zu einer Patientenverfügung ausgedruckt. Für mich war sooo klar, dass ich unter bestimmten Umständen nicht mehr leben wollte. Tja, und dann las ich die gesamten Eventualitäten und wurde mir unsicher. Und Folgendes hat mir zu denken gegeben:
Es ist eine kleine Geschichte über meinen Vater - ein sehr stolzer Mann, der über 35 Jahre das Sagen auf Öltanker hatte - ein Sturkopf dazu.
Im Jahre 2002 war ich zu Besuch bei einen Eltern. Meine Mutter war im Urlaub, da erzählte mir mein Vater, der damals recht gern auch einen getrunken hat, wie schön doch der Tod sein müsse. Er wolle niemals leiden - geschweige denn auf die Hilfe anderer angewiesen (schwach) sein.
Kurz danach wäre er fast an einem Magendurchbruch krepiert. Noch mal gut gegangen. Der Herr erblickte auf einmal eine neue Chance, trank keinen Alkohol mehr, ernährte sich regelmäßig und gesund. 2004 (meine Mutter war wieder unterwegs und ich bei meinen Eltern, um mich um meinen Vater zu kümmern): Er weckte mich früh morgens, an einem Sonntag, und meinte, er bekäme keine Luft mehr. Ich sofort den Rettungswagen gerufen…7 Bypässe auf ein Mal. Bei der OP wäre er fast draufgegangen. Danach folgte eine lange Reha. Mein Vater stellte noch einmal sein Leben um - und hörte auf zu rauchen! Er hasste Ärzte, aber er ließ die Behandlungen zu…er kämpfte. 2005: Ein bösartiges Melanom wird meinem Vater entfernt - die Achsen-Lymphknoten ebenfalls - er lässt alles über sich ergehen und will LEBEN. Er denkt an seinen Garten, der bestellt werden muss, und plant Ausbauten am Haus. Februar 2006: Der Hautkrebs hat gestreut: Lungenkrebs. Mein Vater kämpft weiter, willigt in eine Chemo ein…Winter 2006: Die Ärzte brechen alle Behandlungen ab! Mein Vater führt sein Leben fort, steht jeden Tag früh auf, geht in seinen Garten etc., aber er raucht wieder und gönnt sich täglich Rotwein…eines Tages wollte er nicht mehr aufstehen. Nach vier Tagen stand er auf und konnte kaum mehr laufen. Auch sein Orientierungssinn funktionierte nicht mehr. Aber er sagte: „Ich muss doch alleine laufen - ich muss trainieren!“ Dann ging alles sehr schnell. In der letzten Woche war er überhaupt nicht mehr ansprechbar. In diesen Momenten hätte ich gern eine Zyankali-Kapsel besessen…Aber wenigstens konnten wir ihm einen Wunsch erfüllen: Er wurde nicht an Schläuche gelegt und konnte zu Hause sterben. Aber erst, als ich ihm am Abend vor seinem Tod (kurz vor seinem 70. Geburtstag) sagte, er möge doch jetzt bitte gehen, ist er gegangen. Er hat die ganze Zeit gekämpf, obgleich er genau so einen Zustand nie wollte.
Was ich damit sagen will? Es sagt sich immer so schnell, dass man seinem Leben dann und dann ein Ende setzte, aber mein Vater hat mir gezeigt, dass in solchen lebensbedrohlichen Momenten anscheinend ganz andere Mächte walten…und dann ist man irgend wann nicht mehr in der Lage, über den Moment seines Todes selbst zu bestimmen.
Das nur als Denkanstoß - sorry, dass dieser mit einer etwas umfangreicheren Geschichte verknüpft war.
Viele Grüße
Kathleen