Althochdeutsch?

Hallo,

weiß vielleicht einer der Deutschlehrer oder jemand anderes hier, welche Art von Deutsch in dem Liedertext unten es genau ist? Althochdeutsch schreibt sich doch deutlich anders und viel fremdartiger? Ist das vielleicht ein Dialekt aus der Zeit? Es soll von einem Nachahmer von Neidhart von Reuenthal ca. 1250 verfasst worden sein.

Mayenzeit one neidt
freuden geit widerstreit
Sein widerkumen kan uns allen helffen.
Uff dem plan one wan
sieht man stahn wolgethan
Lichte präune plümlein beyden gelffen.
Durch das gras sind sie schon uf gedrungen
Und der walt manigvalt
ungetzalt ist derschalt
Das er ward mit dem nie bas gesungen.

Falls jemand die o.g. Fragen beantworten kann, kann er vielleicht auch sagen, ob hier ‚neidt‘ so zu verstehen ist wie heutzutage, oder eher im weiteren Sinne ‚Streit, Eifersucht, Gefühl, dass einem was fehlt‘?
Und was heißt ‚geit‘
Und ‚lichte präune plümlein‘? Sollen das etwa helle braune Blümelein sein?
Und was sind Gelffen?
Und was muss man sich unter ‚nie bas‘ vorstellen? Ist der Kniebass (Bassgambe) gemeint?

Wäre froh, wenn es jemand wüsste und sein Wissen hier kundtun könnte.

Viele Grüße

hi,

weiß vielleicht einer der Deutschlehrer oder jemand anderes
hier, welche Art von Deutsch in dem Liedertext unten es genau
ist?

mittelhochdeutsch. eindeutig.

Althochdeutsch schreibt sich doch deutlich anders und
viel fremdartiger? Ist das vielleicht ein Dialekt aus der
Zeit? Es soll von einem Nachahmer von Neidhart von Reuenthal
ca. 1250 verfasst worden sein.

es gibt aus dieser zeit ausschließlich „dialekte“. es hat kein genormtes mittelhochdeutsch gegeben. was wir heute als einheits-mittelhochdeutsch in büchern finden, ist eine erfindung der sprachwissenschaft.

Mayenzeit one neidt
freuden geit widerstreit
Sein widerkumen kan uns allen helffen.
Uff dem plan one wan
sieht man stahn wolgethan
Lichte präune plümlein beyden gelffen.
Durch das gras sind sie schon uf gedrungen
Und der walt manigvalt
ungetzalt ist derschalt
Das er ward mit dem nie bas gesungen.

Falls jemand die o.g. Fragen beantworten kann, kann er
vielleicht auch sagen, ob hier ‚neidt‘ so zu verstehen ist wie
heutzutage, oder eher im weiteren Sinne ‚Streit, Eifersucht,
Gefühl, dass einem was fehlt‘?

„neidt“ ist sicher breiter als nhd „Neid“.

Und was heißt ‚geit‘

an sich „gibt“, ich würde hier aber mit dem „wider“ mit „geht gegen (den Streit)“ im sinne von „steht im gegensatz zu streit“ übersetzen

Und ‚lichte präune plümlein‘? Sollen das etwa helle braune
Blümelein sein?

ja. oder einfach nur bunte.

Und was sind Gelffen?

weiß ich auch nicht, da passe ich. im elsässischen wörterbuch steht „Schreien eines Kindes“, also etwa „gellen“. könnte auch eine verschreibung von „geelen“ (also „gelben“) sein. dann wären die braunen bei den gelben, also bunt.

Und was muss man sich unter ‚nie bas‘ vorstellen? Ist der
Kniebass (Bassgambe) gemeint?

nein. „nie besser“

hth
m.

Hi,

weiß vielleicht einer der Deutschlehrer oder jemand anderes
hier, welche Art von Deutsch in dem Liedertext unten es genau
ist?

Mittelhochdeutsch.

Althochdeutsch schreibt sich doch deutlich anders und viel fremdartiger?

Ja, ein Beispiel (Anfang des Hildebrandslieds):

Ik gihorta dat seggen,
dat sih urhettun ænon muotin,
Hiltibrant enti Hadubrant untar heriun tuem.
sunufatarungo iro saro rihtun.
garutun se iro gudhamun, gurtun sih iro suert ana,
helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun.


Ist das vielleicht ein Dialekt aus der

Zeit? Es soll von einem Nachahmer von Neidhart von Reuenthal
ca. 1250 verfasst worden sein.

Es gab nicht „die“ deutsche Sprache und auch keine Rechtschreibung. Jede schriftliche Überlieferung aus der Zeit ist Dialekt.
„Mittelhochdeutsch“ bezieht sich auf die gesamte Bandbreite des Hochdeutschen zwischen ~1050 und ~1350 (Hochmittelalter).


Mayenzeit one neidt
freuden geit widerstreit
Sein widerkumen kan uns allen helffen.
Uff dem plan one wan
sieht man stahn wolgethan
Lichte präune plümlein beyden gelffen.
Durch das gras sind sie schon uf gedrungen
Und der walt manigvalt
ungetzalt ist derschalt
Das er ward mit dem nie bas gesungen.


Eine Übersetzung findet sich z.B. hier http://www.uni-salzburg.at/pls/portal/docs/1/567162.PDF

Daraus die erste Strophe:

1. Maienzeit, Freuden schenkt sie neidlos gerne um die Wette.
Ihre Rückkehr macht uns quicklebendig.
Guckt nur hin: auf der Wiese sieht man wieder voller Pracht
die Blümchen blühn, hell-leuchtend neben gelben.
Wie schön sind sie durch das Gras gedrungen!
Und der Wald, von ungezählten Vogelstimmen klingt er wider,
dass er nie besser von Gesang durchtönt war.


Falls jemand die o.g. Fragen beantworten kann, kann er
vielleicht auch sagen, ob hier 'neidt' so zu verstehen ist wie
heutzutage, oder eher im weiteren Sinne 'Streit, Eifersucht,
Gefühl, dass einem was fehlt'?

Dem Dichter kam es wohl mehr auf den Stabreim an als auf eine präzise Wortbedeutung. Hier ist „one neidt“ wohl zu verstehen als „bereitwillig, ohne widerstreben“

Und was heißt 'geit'

gibt (von geben)

Und 'lichte präune plümlein'? Sollen das etwa helle braune
Blümelein sein?

In der Übersetzung „hell leuchtend“. „Braun“ bezeichnete früher einen blau-lila Farbton.

Und was sind Gelffen?

die Gelben :smile:

Also „leuchtend blaue Blumen neben gelben.“

Und was muss man sich unter 'nie bas' vorstellen? Ist der
Kniebass (Bassgambe) gemeint?

Dises „bas“ findet sich heute noch in „fürbass“ oder „bass erstaunt“.
„nie bas gesungen“ heißt etwa "nie so sehr besungen"

Mal ein direkter Versuch,


Mayenzeit Maienzeit
one neidt [gibt] ohne Neid
freuden geit Freuden gibt
widerstreit wider Streit
Sein widerkumen Sein wiederkommen
kan uns allen helffen. Kann uns allen helfen (uns alle trösten)
Uff dem plan Auf der Ebene/dem Feld
one wan ohne Wahn (keine Einbildung)
sieht man stahn sieht man stehn
wolgethan wohl getan (schön anzusehen)
Lichte präune plümlein Helle blaue Blümchen
beyden gelffen. neben gelben
Durch das gras Durch das Gras
sind sie schon uf gedrungen sind sie emporgedrungen
Und der walt Und der Wald
manigvalt [ist] mannigfaltig
ungetzalt unzählig
ist derschalt ist durchschallt [nämlich von vielen verschiedenen Vorgelstimmen]
Das er ward mit dem dass er wurde damit
nie bas gesungen. nie so besungen [wurde]



Gruß,
KHK

Hallo,

„neidt“ ist sicher breiter als nhd „Neid“.

Näheres dazu bei Grimm.

Und was sind Gelffen?

könnte auch
eine verschreibung von „geelen“ (also „gelben“) sein.

Für „gelb“ gab es auch die Schreibweise mit „w“ bzw. „f“, siehe http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=gelb 1) c).

Gruß
Kreszenz

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