Ameisen und Backpulver

Hallo liebe zoologisch Bewanderte,

unlängst an meinem Arbeitsplatz wurde ich innerhalb der Wohnung einiger Ameisenstrassen gewahr. Die nahmen ihren Ursprung stets irgendwo unter dem Linoleumboden in Richtung Notausgangstür.

Mir stand nichts anderes zu Gebote als mehrere Tütchen Backpulver. Dies verteilte ich weiträumigst. Zu beobachten war, dass die Biester auf dem Absatz kehrt machten, über das Backpulver herfielen und sofort wieder irgendwohin verschwanden.

Das war vor zwei Wochen. Seitdem ist hier absolute Ruhe krabbeltechnisch gesehen.

Nun, seit der letzten Teambesprechung muss ich mir von allen meinen Kollegen den Vorwurf des grausamen, sadistischen Tiere-Quälens machen lassen.

Die gleichen Kollegen haben aber nicht das allerleiseste Problem mit den handelsüblichen Giftködern von Celaflor und Nexalotte. Weil: Da werden die Tierchen ja nur vergiftet. Bei Backpulver platzen sie ja, wie unaussprechlich brutal und pfui.

Heugabeln und brennende Kreuze, jedesmal, wenn ich zur Arbeit komme. Doof, das.

Jetzt meine Frage an die anwesenden Fachleute: Hier in euren FAQ steht geschrieben, dass in jedem Fall sowohl Backpulver als auch andere Mittel an die Brut verfüttert werden mit letalem Ausgang.

Kann jemand von euch möglichst fundiert belegen, ob und warum sich die Biester tatsächlich bei Backpulver wesentlich schlimmer quälen als bei der chemischen Keule?

Denn nichts liegt mir ferner, als denen unnötig Leid zuzufügen. Mich faszinieren Insekten und die Staatenbildung gerade von Ameisen fand ich schon als Kind unheimlich schick, bloß finde ich, dass sie im Haus eher nichts verloren haben.

Inwieweit ist überhaupt (man verzeihe mir diesen ketzerischen Ansatz, allein, ich weiss es einfach wirklich nicht) eine generelle Schmerzempfindung von Ameisen eigentlich nachzuweisen? Gibt es Erkenntnisse darüber, dass der Tod durch Platzen qualvoller ist als durch Giftköder?

Denn selbstverständlich ist das zum Beispiel bei einer Maus ja gegeben und beide Arme sollen mir abfallen, würde ich jemals einen kleinen Nager solange mit Treibmitteln abfüllen bis er platzt.

Ich hab die immer in mühsamer Kleinarbeit lebend und uversehrt eingefangen und im Hinterhof wieder springen lassen.

Aber Insekten?

Gespannt auf eure Antworten grüßt herzlichst

Annie

Hallo …fulAnnie,
das ist ein Märchen, dass Ameisen platzen, wenn sie Backpulver fressen. Du hast ‚ihre Kreise, bzw. Wege gestört‘ und, da vielleicht sowieso nicht so viel Futter abzustauben war, haben sie sich umorientiert.

Die Giftboxen wirken langsam. Es muss bis zur Königin kommen (die Arbeiterinnen füttern sie, da sie das Nest nach ihrem Hochzeitsflug nicht mehr verlässt). Sie wird unfruchtbar, damit stirbt ein Volk aus.

Deinen Kollegen kannst du dieses Link geben:
http://www.ameisenforum.de/ameisenforum-2001-2005-ar…
Ob Insekten ‚leiden‘ ist eher eine philosophische Frage. Vom biologischen Standpunkt aus eher nicht. Um das zu tun, was der Mensch ‚leiden‘ nennt, ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein entsprechendes neurologisches Zentrum nötig. Insekten haben das nicht (Strickleiternervensystem) - das heißt nicht, dass sie nicht merken, wenn ihnen etwas direkt schadet (z.B. Feuer).
biologische Grüße…lux

Wenn sie denn platzen würden, waren ja viele kleine ‚plops‘ zu hören.

Inwieweit ist überhaupt (man verzeihe mir diesen ketzerischen
Ansatz, allein, ich weiss es einfach wirklich nicht) eine
generelle Schmerzempfindung von Ameisen eigentlich
nachzuweisen?

Hallo!
Ich habe neulich die Sendung über Pflanzen in der ARD gesehen. Seither weiß ich nicht mehr so recht, wie das nun wirklich ist mit der Eindordnung von Leiden bei Tier und Vegetation. Mir ist ganz mulmig geworden. Genau genommen wären ja dann auch alle Vegetarier, selbst Veganer die Henker empfindsamer Wesen … Das meine ich nur zu einem geringen Prozentsatz ironisch :wink: Die Sendung hat für mich tatsächlich einige Fragen aufgeworfen.

Gruß,
Eva

Kennst du die Kurzgeschichte von Roald Dahl, wo er einen Apparat entwickelt, mit dem man Pflanzen reden hört? Erst haut er seine Axt in einen Baum und der schreit sich die Seela us dem Leib. Und zum Schluss stellt er sich die kleinen spitzen Schreie jedes einzelnen Grashalms beim Rasenmähen vor und knallt sauber durch.

Hallo Eva.

Die Sendung habe ich auch gesehen.

Tatsache ist und bleibt, dass das Leben auf dem Tod aufbaut, ein ewiger Kreislauf, den wir nicht gemacht haben und den wir nicht ändern können.

Wer leben will, muss töten, täglich, tausendfach.

Pflanzen können keinen Schmerz empfinden, er wäre, im Gegensatz zum Tier, sinnlos, weil sie nicht weg laufen können.

Wahrscheinlich kann kein Lebewesen Schmerz empfinden, das kein Großhirn hat.

Alle derartigen Reaktionen sind lediglich Reflexe. Auch der Mensch hat das noch, z. B. unter Narkose. Deswegen müssen wir auf dem Operationstisch angeschnallt werden.

Gruß, Nemo.

Und zum Schluss stellt er sich die kleinen spitzen
Schreie jedes einzelnen Grashalms beim Rasenmähen vor und
knallt sauber durch.

Hallo!
Auweia, hoffentlich ist es bei mir nicht auch bald soweit. Wenn ich beim Mähen immer mal einen Bogen um besonders hübsche Gänseblümchen fahre oder um ein Kleesprengsel, über dem die Bienen und Hummeln summen …

-)

Eva

Wer leben will, muss töten, täglich, tausendfach.

Hallo!
Das war ja genau die philosophische Frage, die sich mir aufdrängte. Dass im Grunde kein Lebewesen, sobald es ein moralisches Bewusstsein entwickelt, noch weiterleben könnte, wenn es nicht fähig wäre, die für zahllose andere Lebewesen fatalen Konsequenzen seiner Existenz zu verdrängen.

Pflanzen können keinen Schmerz empfinden, er wäre, im
Gegensatz zum Tier, sinnlos, weil sie nicht weg laufen können.

Wahrscheinlich kann kein Lebewesen Schmerz empfinden, das kein
Großhirn hat.

Ist das vielleicht schon so ein Verdrängung? Oder unser törichtes Bestreben, alles nach den für uns gültigen Maßstäben zu messen? Man hat auch Vögel immer für dumm gehalten, weil ihr Gehirn anders aussieht, als Säugetiergehirne (Verzeih laienhafte Ausdrucksweise …), dabei ist es nur anders strukturiert.

Auch wenn die Pflanzen sich nicht wegbewegen können, haben sie ja doch Vermeidungsstrategien entwickelt. Also müssen sie bestimmte Dinge als extrem unangenehm oder bedrohlich empfinden. Wer sagt, dass das nicht ebenso scheußlich ist, wie das, was wir mit unserem System als Schmerz wahrnehmen?

Im Lauf der Menschheitsgeschichte wurde so Vieles für unmöglich, undenkbar gehalten (wenn ich meinem Biologielehrer vor 40 Jahren Dinge aus der betreffenden Sendung erzählt hätte oder nur aus den täglichen Zoogeschichten, hätte er mit vermutlich einen Vogel gezeigt), was sich irgendwann doch als Realität erwiesen hat. Wer weiß, was uns noch an Erkenntnissen bevorsteht …

Alle derartigen Reaktionen sind lediglich Reflexe. Auch der
Mensch hat das noch, z. B. unter Narkose. Deswegen müssen wir
auf dem Operationstisch angeschnallt werden.

Die Pflanzen sind aber nicht so ausgeschaltet, wie der Mensch unter Narkose hoffentlich ist. Zeigte das nicht das Äther-Experiment mit der Mimose? Sie hatte deutlich einen „Wachzustand“ und einen Zustand völliger Wahrnehmungslosigkeit. (Nochmals Entschuldigung für mein laienhaftes Gebrabbel. Mein Gehirn ist beruflich grade mit was ganz anderem beschäftigt und Multitasking soll ja ein Gerücht sein :wink:

Für mich bleibt ein Hmmmmm…

Grüße,
Eva

Hallo Eva.

Das sind ein bisschen viele Fragen auf einmal und letztendlich könnte sie wohl nur ein Gott beantworten, wobei die Antwort dann für uns wahrscheinlich ebenso unverständlich wäre, wie die Welt.

Ein paar Antworten will ich, auch im eigenen Interesse, wenigstens versuchen.

Wer leben will, muss töten, täglich, tausendfach.

Hallo!
Das war ja genau die philosophische Frage, die sich mir
aufdrängte. Dass im Grunde kein Lebewesen, sobald es ein
moralisches Bewusstsein entwickelt, noch weiterleben könnte,
wenn es nicht fähig wäre, die für zahllose andere Lebewesen
fatalen Konsequenzen seiner Existenz zu verdrängen.

Verdrängen oder verstehen? Verstehen, dass es nun einmal so ist wie es ist und wir es nicht verändern können? Die „Schuld“ beim Schöpfer suchen, nicht bei uns.

Auch wenn die Pflanzen sich nicht wegbewegen können, haben sie
ja doch Vermeidungsstrategien entwickelt. Also müssen sie
bestimmte Dinge als extrem unangenehm oder bedrohlich
empfinden. Wer sagt, dass das nicht ebenso scheußlich ist, wie
das, was wir mit unserem System als Schmerz wahrnehmen?

Das kann freilich niemand sagen. Es liegt aber nahe, dass hier lediglich ein Reflex vorliegt. Schmerzen fordern eine augenblickliche, schnelle Reaktion, wären also für Pflanzen nicht sinnvoll.

Vermeidungsstrategien gibt es viele, nicht alle müssen weh tun.
Die Wespen, die durch die Ausschüttung von Pheromonen aggresiv und todesmutig werden, haben bestimmt keine Schmerzen.

Es gibt viele Gräser, die darauf angewiesen sind, dass sie ständig von Tieren abgefressen werden, ansonsten verfilzen und ersticken sie. Es wäre schon paradox, wenn ihnen das gefressen-werden Schmerzen bereitete.

Für mich bleibt ein Hmmmmm…

Das bleibt uns, die wir gelegentlich nachdenken, wohl allen.

Gruß, Nemo.