Amerikanisches Rechtssystem

Hallo,

In Amerika gibt es ja bekanntlich ein Rechtssystem, das auf Präzedenzsfällen beruht.

Meine Frage dazu: Wie ist es möglich, dass der Staat den Leuten derart die Eigentverantwortlichkeit nimmt, dass man durch die allerseits bekannten Fälle, wie zB: Mcdonalds, so viel Geld machen kann?

Oder hängt das nur mit den raffinierten Anwälten zusammen?

Wie ist es zu diesem Rechtssystem gekommen?

Vielen Dank für Eure Beiträge dazu!

Livia

Gibt es hier auch z.B. OLG Urteile sind bindend für untergeordnete Gerichte bei gleicher Sachlage.
Johannes

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falsch (offtopic, weil nicht zur Ursprungsfrage)
Hallo Johannes,

Gibt es hier auch z.B. OLG Urteile sind bindend für
untergeordnete Gerichte bei gleicher Sachlage.

es gibt zwar hier so etwas wie eine herrschende Meinung, die de facto auch gerne als Begründung in unteren Instanzen verwendet wird, aber es ist völlig unproblematisch, an einem unteren Gericht die Mindermeinung zu vertreten. Und wenn diese Mindermeinung auch noch gut begründet ist, ist auch die Chance hoch, dass das Urteil in der nächsthöheren Instanz Bestand hat und nicht wieder aufgehoben wird. Hier von „bindend“ zu sprechen, ist völlig falsch.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Jein ist da hinten auch nicht so.

Auch da können Richter anders entscheiden.

Nach Sachlage.
Johannes

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ist schon klar
Hallo Johannes,

Jein ist da hinten auch nicht so.
Auch da können Richter anders entscheiden.
Nach Sachlage.

deswegen schrieb ich ja „offtopic“ dazu, weil ich ja nichts zum amerikanischen System sagen wollte, sondern nur zum deutschen.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Livia,

das System selbst erklärt sich aus der Rechtstradition und ist natürlich kein reines Spruchrecht, sondern ist in großen Teilen inzwischen kodifiziertes, positives Recht!
Amerika ist als englische Kolonie sehr stark von dessen Rechtssystem geprägt worden und dieses Land verfügt über eine sehr lange und ungebrochene Rechtstradition. bedenkt man, dass auch im restlichen Europa bis weit in die Neuzeit hinein gleichfalls Ortsrecht, welches nur in kleinen Teilen niedergeschrieben war, und das Gemeine (römische) Recht miteinander konkurrierten, so ist dies keine große Besonderheit. Es fehlt einzig der Bruch, den in Mitteleuropa der spätabsolutistische und zentralistische Staat mit seinem Kameralismus gebracht hat.

Schließlich lässt sich ein weitgehender Verzicht auch mit der Vorstellung eines Naturrechts bestens in Einklang bringen. Denn nach dieser Vorstellung ist die Vernunft in der Lage die passenden Rechtssätze zu erschließen, eine willkürliche Gesetzesschöpfung durch eine Staatsgewalt ist mit diesem Gedanken kaum vereinbar und überflüssig.

Schließlich Deine weitere Frage zu den uns unerhöht hoch erscheinenden Schadensersatzbeträgen in den USA. Diese erklären sich eigentlich aus dem dargestellten System von selbst.
Wenn die Parlamente bei der Gesetzgebung sehr zurückhaltend verfahren und etwa darauf verzichten Verbraucherschutzregelungen zu kodifizieren, so ist es an der Justiz die Grenzen der zulässigen Gefährdung selbst zu ziehen. Um deren Einhaltung zu garantieren können Schadensersatzsummen nicht nur zum tatsächlichen Schadensausgleich dienen sondern haben auch eine generalpräventive Funktion. Bei allen hohen Summen wirft die Rspr. den Beklagten eine notorische Mißachtung ihrer Schutzobliegenheiten vor.

So erklär ich mir das

Egonist

Hallo!

Gibt es hier auch z.B. OLG Urteile sind bindend für
untergeordnete Gerichte bei gleicher Sachlage.

Nein das ist falsch - denn im angloamerikanischen Rechtssystem sind übergeordnete Entscheidungen bindend, haben also die Kraft eines Gesetzes.

Das ist in unserem Rechtssystem definitiv nicht so - das ergibt sich aus unserer zivilrechtlichen Tradition genauso wie aus der verfassungsrechtlichen. Unterinstanzliche Gerichte dürfen auch bei gleicher Sachlage gänzlich anders entscheiden und andere Rechtsansichten vertreten wie übergeordnete Gerichte. In der Praxis ist dies zwar nicht üblich, aber rechtlich unbedenklich und hin und wieder kommt es vor.

Eine Ausnahme bildet lediglich die Judikatur des EuGH, diese ist wie im angloamerikanischen Recht bindend.

Gruß
Tom
Gruß
Tom

Hallo!

Das ist einfach eine andere Rechtstradition. Es ist nicht nur Fallrecht, sondern teilweise auch kodifiziert. Soweit es Gesetze gibt, sind die Gerichte daran gebunden.

Ich bin kein Spezialist im angloamerikanischen Recht, aber die Geschichte ist etwas anders verlaufen als in Kontinentaleuropa, es gibt aber auch Gemeinsamkeiten. Man muss die Sache immer an Hand der Geschichte betrachten.

Zivilrechtlich kann man die Systeme in drei Rechtskreise einteilen, den römisch - kontinentaleuropäischen, den angloamerikanischen und den sozialistischen.
Unser (Zivil-)Rechtssystem baut, wie das der anderen kontinentaleuropäischen Staaten auf dem Römischen Privatrecht auf.

Es ist nun aber nicht so, dass gerade die Tatsache, dass unser Gesetz kodifiziert ist, die Kerneigenschaft des römischen Rechtes wäre. Die großen modernen Zivilrechtskodifikationswellen, welche auf Grundlage der Kompilation des römischen Rechtes unter Kaiser Justinian (das corpus iuris civilis), fanden einmal rund um 1800 statt und dann nochmals um so 1900. Also erste Kodifikationswelle: Das österreichische ABGB (1811), der französische code civile sowie das allgemeine preußische Landrecht. Letzteres hat sich nicht bewährt, da es viel zu viele Einzelfall und Detailregelung enthielt und hat sich daher nicht durchgesetzt. Das 19. Jahrhundert ist das Zeitalter der Pandektenwissenschaft und so um die 1900 kam dann die zweite Kodifikationswelle - darunter fällt zB das deutsche BGB.

Erst seit dieser Zeit ist unser Privatrecht geschriebenes Gesetz und die Gerichte wenden geschriebenes Recht an. Vorher haben die Gerichte (und zwar seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts) nach dem corpus iuris civilis und zwar nach den „Digesten“ judiziert. Dabei handelt es sich eigentlich um nichts anderes als um juristische Meinungen, Kurzgutachten, römischer Juristen zu bestimmten Fällen - keinesfalls ist das corpus iuris ein Gesetzbuch.

Die Einführung von Gesetzen, also insbesondere die Erkenntnis, dass die Staatsgewalt einerseits im Erlass von Gesetzen besteht und andererseits im Vollzug von Gesetzen war eine Erkenntnis des europäischen Absolutismus. Bis ins Mittelalter galt auch bei uns der Grundsatz: iurisdictio est imperium, ab Beginn der Neuzeit sind die Absolutisten draufgekommen, dass man Gesetze auch selbst machen kann, seither gilt: legislatio est imperium

Heute würde ein Präjudizialrecht würde nicht nur der Zivilrechtstradition widersprechen, sondern auch dem kontinentaleuropäischen Verfassungsverständnis. Auf den britischen Inseln und in den meisten Bundesstaaten der USA (Louisiana hat zB ein kontinentaleuropäisches römisches Rechtssystem) ist die Geschichte etwas anders verlaufen. Ich verstehe auch vieles insb. in Amerika rechtspolitisch nicht bzw. empfinde das dortige Rechtssystem manchmal als Unrecht. Kritik ist ja durchaus erlaubt und erwünscht, allerdings muss man immer den Zusammenhang von Recht, Politik und Geschichte sehen und somit muss Kritik natürlich immer mit dem entsprechenden Respekt vor dem Anders sein angebracht werden.

Gruß
Tom