Amoklauf - Wie verhalte ich mich richtig?

Hallo liebe Community,

grausame Tat in Lörrach. Eine Amokläuferin tötete gestern mehrere Menschen und verletzte weitere schwer. Was für Anzeichen gibt es für einen Amoklauf und was sind die Auslöser? Warum sind die Täter meist männlich und wie verhalte ich mich eigentlich in so einer Extremsituation richtig?

Danke für eure Antworten!

Schöne Grüße
Galileo

Hallo Galileo,

zunächst sollte man zwischen dem medialen Geschehen des Amoklaufs und der
inneren Dynamik des Täters unterscheiden.
Während die Medien das plötzliche Auftauchen eines Täters (im folgenden wird zur
Vereinfachung die männliche Form benutzt, es gilt aber auch für Frauen) die
Willkürlichkeit und die damit verbundene Angst und das Ausgeliefert sein in den
Vordergrund stellen, handelt es sich bei dem inneren Geschehen des Täters um
eine längerfristige Entstehungsgeschichte. Die Orte, die für einen Amoklauf
aufgesucht werden sind meist Orte einer (aus Tätersicht) empfundenen
Demütigung (z.B. Schule). Es werden teilweise zielgerichtet Personen getötet oder
verschont (!). Die Opfer eines Amoklaufes sind meist Personen, die mit dem Ort
oder der Kränkungssituation zum Zeitpunkt der Tat (Raum und Zeit) in Verbindung
stehen. Dies kann auch Zufällig geschehen.
In Lörrach werden sich die Ermittler auf die Rolle des Krankenhauses konzentrieren,
ob z.B. die Täterin dort in Behandlung war, oder ob das Krankenhaus symbolisch
für ein anderes Krankenhaus stehen könnte.

Bei dem Auslöser sollte zwischen Anlass und Ursache unterschieden werden.
Ursache sind zwischenmenschliche Interaktionen, die von dem Täter anders
interpretiert werden, als von der Umgebung. Daher kann später kaum jemand
sagen, warum das passierte, „er war doch unauffällig und freundlich!“
Eine große Rolle spielt die Phantasie des Täters. In vielen Fällen wird die Tat im
Kopf schon lange vorausgedacht und der Täter oder die Täterin stellt sich vor, wie
es wäre, wenn sie es täte. Die Tat ist kein „Kurzschluss“, das ist nur der äußere
Anschein. Der Anlass ist in vielen Fällen eine Krise, in der die Zukunft katastrophal
scheint und ein Leben hoffnungslos - an dieser Situation werden Personen schuldig
empfunden, die dann in den Opferkreis zählen.

Anzeichen können (!) sein:

  • (vielleicht nicht offensichtliche) erhöhte Verletzlichkeit
  • bestimmte biologische Dispositionen
  • Vermehrtes Interesse an Amoktaten
  • Heroifizierung von Tätern dieser Taten
  • Identifikation mit mächtigen Personen (Real oder Fiktion)
  • zunehmende soziale Isolation, aus der Sicht des Täters
  • geringe Problemlösungskompetenzen
  • Faszination für Waffen, Computerspiele (als Ausdruck der phantasierten Tat)
  • Zugang zu Waffen
  • Erlebte Willkür, Ohnmacht -> Wunsch nach Rache
  • Leaking (Täter erzählen im Vorfeld von der geplanten Tat)
    darauf-> fehlende Unterstützung aus dem Umfeld, Herausforderung „Traust
    Dich ja eh nicht!“
  • Zunehmende negative Wahrnehmung der Realität, (Gewalt-) Phantasie übernimmt
    die Rolle der Regulierung von Kränkung und Versagung
  • Tatphantasien sind besonders gewalttätig und intensiv
  • Speisung dieser Phantasien durch Medien, Spiele, etc. -> Funktion der
    Zurückeroberung der Kontrolle im Gegensatz zur erlebten Ohnmacht

Eine Erklärung dafür das es sich überwiegend um Männer bis ca. 22 Jahre handelt,
ist das die Sozialisation von jungen Männern eher zur Wendung von aggressiven
Impulsen nach Aussen führt und bei jungen Frauen eher gegen sich selbst (siehe
Selbstverletzendes Verhalten „Ritzen“).

In einer Gefahrensituation sollte man sich selbst in Deckung bringen, bzw. den
Abstand zwischen sich und dem Täter vergrößern. Wenn es Ihnen möglich ist
andere Personen zu warnen, z.B. durch Rufen, ohne die Aufmerksamkeit des Täters
auf sich zu ziehen (!), dann tun sie das.

Nahbereich:

  • Bringen Sie Gegenstände zwischen sich (z.B. bei einer Messerattacke)
  • Suchen Sie Deckung
  • Versuchen Sie den Sichtbereich des Täters (unter Berücksichtigung der eigenen
    Sicherheit) zu verlassen.

Nicht direkt betroffen:

  • Schließen Sie die Türen ab. Halten Sie sich von Türen und Fenstern fern.
  • Informieren Sie die Polizei, wo sie sich befinden und was Sie beobachtet oder
    gehört haben.
  • Verhalten Sie sich ruhig!

Es muss so schnell wie möglich die Polizei alarmiert werden, da nur diese in der
Lage ist, den Täter zu stoppen. Wenn möglich merken sie sich Personenmerkmale
wie Geschlecht, Kleidung, Größe, Gewicht, o.ä. und geben sie diese an die Polizei
weiter. Auch in welche Richtung der Amokläufer unterwegs ist.

Es gibt nur eine Gefahrenlage, in der die Polizei unter offensichtlicher
Eigengefährdung sofort eingreift und das ist die Amoklage, wie in Lörrach
geschehen. Ein Beamter wurde verletzt. Im Normalfall wartet die Polizei auf
Verstärkung, bis sie eingreift, um die Eigengefährdung zu verringern. Jedoch ist
jede Minute eines bewaffneten Täters, hier: in einem Krankenhaus, eine Minute zu
viel.

Das schwierige ist ja, dass man einem Passanten auf der Straße nicht ansehen kann,
dass er oder sie ein Amokläufer ist. Nutzen Sie ihren Instinkt! Ein Mensch mit einem
langen Messer auf einem öffentlichen Platz gehört da nicht hin! Gehen Sie auf
Abstand! Rufen Sie die Polizei! Offenes „Messertragen“ oder das Herumhantieren
mit einer Schusswaffe ist in Deutschland zunächst grundsätzlich nicht erlaubt!

Regeln für die Medien im Umgang mit Amoktaten:
Nach einer Amoktat erhöht sich statistisch die Frequenz von weiteren Taten. Es
handelt sich dabei oft um Nachahmungstäter, daher bitte folgendes beachten:

  • Keine Veröffentlichung von Bildern des Täters
  • Keine Details über Taktik, Aussehen, Planung, (genaue) Bewaffnung
  • Keine Briefe, Notizen, Tagebücher veröffentlichen, auch nicht in Auszügen
    Die Nachahmungstäter versuchen zumeist (in der Beschäftigung mit der Tat im
    Vorfeld), „ihre Helden“ nachzuahmen, zu rächen, zu toppen.
  • Keine Veröffentlichung von „einfachen Motivlagen“, die die Hemmschwelle
    herabsetzen
  • Keine Spitznamen (z.B. „Steini“ auch nicht als Interview)
  • Keine Förderung von Heldensagen oder Mythen (wie: Heldenhafter Einsatz von
    XY, er rettete 20 Menschen das Leben) = Machterlebnis, Kontrolle

Vielen Dank!

Liebe Grüße
Thorn