Hallo Pieretta
Bezüglich Sprache: Prof. Manfred Spitzer äussert sich in seinem Buch „Musik im Kopf“ (*) zu Zusammenhängen zwischen Amusie und Aphasie:
„(…) Vor über hundert Jahren hat Knoblauch (1890) solche Zustände erstmals als Amusie beschrieben. Seither werden solche Zustände immer wieder beschrieben, nicht zuletzt um hieraus abzuleiten, wo im Gehrin bestimmte musikbezogene Fähigkeiten lokalisiert sind. (…) Amusien waren damit für das neurobiologische Musikverständnis das, was Aphasien für die Neurobiologie der Sprache waren. Die Patienten mit Amusie oder Aphasie sind weder stumm noch taub, haben aber bestimmte sprachliche bzw. musikbezogene Fähigkeiten verloren. Wegen der Gemeinsamkeiten und wegen der Unterschiede von Musik und Sprache lohnt es sich, vor der Betrachtung der Amusien zunächst einmal die wesentlich besser untersuchten Aphasien kennen zu lernen. Nicht nur beim Singen sind beide Systeme aktiv, überlappen sich alo zu einem gewissen Grad. Wie die Sprache besitzt auch die Musik Regeln, eine Art Grammatik, besteht in komplexen zeitlichen Mustern, hat Melodie und Rhythmus, und wird ganzheitlich wahrgenommen (wir hören nicht Frequenzen und machen dann Wörter oder Melodien daraus; wir hören Wörter und Melodien!) Andererseits ist Musik referentiell, d.h. bezieht sich nicht auf Sachverhalte in de Welt, sondern ist gleichsam sich selbst genug und spricht aus sich und für sich. Und der Fall eines Patienten, dem die gesamte linke Gehirnhälfte operatvi entfernt werden musste und der danach praktisch nicht mehr sprechen, aber durchaus noch gut singen konnte, zeigt, dass Musik und Sprache nicht identisch im Gehirn sind.“
Es folgen einige wirklich interessante Seiten, auf welchen dies alles detailliert auseinandergenommen wird. U.a. gibt es nicht einfach DIE Amusie, sondern jegliche denkbaren Apsekte von Musikwahrnehmung können auch einzeln ausfallen.
Etwas kompliziert formuliert er in der Zusammenfassung am Ende des Kapitles u.a. „Musik und Sprache überlappen sich jedoch teilweise, so dass diejenigen Fälle, in denen eine der beiden Funktionen eindeutig erhalten und die andere schwer gestört ist, seltener sind als Ausfälle beider Funktionen.“ Sprich, umgekehrt formuliert: Hirnschäden, welche sich im Bereich Musik auswirken, haben in den meisten Fällen auch im Bereich Sprache Auswirkungen.
Gruss
Qu.
PS: Sorry für allfällige Tippfehler, ich mag es so spät nachts nicht mehr durchlesen.
(*) Manfred Spitzer: Musik im Kopf. Hören, Musizieren, Verstehen und Erleben im neuronalen Netzwerk. Stuttgart 2002