Hi Horst.
Eine „liberale“ Erziehung käme doch auch OHNE gezwungene Autorität
aus, aber mit Liebe.
Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt- ich denke schon. Ein gewisses Maß an Autorität- produktiver Autorität- halte ich für sinnvoll. In UNSERER Gesellschaft „herrscht“ laut Fromm der autoritäre Charakter (neben dem Marketingcharakter und dem nekrophilen Charakter) vor.
Warum nicht das durchschauen (analysieren) und im Sinne des Humanismus Verantwortung übernehmen? Dann könnte man dem destruktiven Humanismus anders begegnen, als ihn immer nur zu wiederholen- weil man meint, das Gesehene sei das „Wahre“.
Ich weiß nicht, ob das ausreicht, um heranwachsende Menschen
in soziale Rollen und Schemata hinein zu führen. Ich bezweifle
es sogar sehr. Natürlich ist „Liebe“ (meinst du damit
Zuneigung?) ein wünschenswerter Faktor bei der Erziehung, aber
leider nicht immer gegeben. Und „erzwingen“ kann man Liebe
auch nicht – d.h. ob ein Elternteil sein Kind liebt (bzw.
lieben kann) oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab, die
sowohl im Elternteil wie im Kind liegen. Entweder es ist so
oder es ist nicht so.
Nein, ich meine nicht einen Ist-Zustand, sondern eine Handlung / Tätigkeit. Ein liebender Mensch hat dies gelernt, geht mit wachem, offenen Blick durch die Welt und handelt oft/meist produktiv. Erzwingen kann man das natürlich nicht. Etwas erzwingen zu wollen, ist an sich ein destruktiver Vorgang und gehört meist zum Handlungssprektrum des autoritären Charakters.
Ob ein Elternteil sein Kind liebt, hängt vor allem von der Verantwortungsübernahme (bzw. dem Bewusstsein der Verantwortung und dem Handeln danach) des Elternteils ab. Wenn das Elternteil in Probleme verstrickt ist und zu wenig Verantwortung trägt, reitet es sich schnell in Probleme hinein (zusammen mit dem Kind). Aber man kann ja die Dinge in die Hand nehmen und alles zum Guten wenden- wenn man will, der Weg ist das Ziel. Das Kind ist definitiv nicht „schuld“, da unmündig.
Und Liebe zu heucheln, ist ja wohl auch nicht das, was dir
vorschwebt – was mit zunehmendem Alter des Kindes auch
schwieriger würde, da das Kind immer mehr Individualität
zeigt, die man entweder lieben – oder „hassen“ kann.
Produktiv ist das dann wohl nicht mehr. Haß auf Andere geht aber auch mit Selbsthaß einher. Wenn man loslassen kann, braucht man keinen Haß. Liebe ist dann natürlich nicht mehr im Spiel- sondern seine Kehrseite.
Schließlich prägen noch mehr Faktoren den Charakter und die
Ausstrahlung eines Menschen (bzw. Kindes) als nur der
elterliche Einfluss – nämlich die Faktoren, die das Kind vom
Start weg mit sich führt – also die Gene, die sowohl seine
Psyche wie seine Physis (mit-) determinieren.
Jeder Mensch hat eine helle und eine „dunkle“ Seite. Determiniert ist garnichts, alles ist veränderbar. Oder in welchem Sinn sollen hier die Gene ihren schädlichen Einfluss entwickeln?
Ein soziales System kann also nicht allein auf „Liebe“ als
Basismotiv der Sozialisation gründen.
Doch, aber die Struktur, das Dahin kommen und zustandserhaltene Maßnahmen, müssen dazu kommen. Durch eine Art Humanismus-Schulung.
Autorität muss einfach hinzukommen – so sehr ich das bedauere. Ganz :klar ist das im Kleinkindalter – hier muss der Mensch lernen, gewisse
Verhaltensschemata zu verinnerlichen, die ganz und gar nicht
seinem eigentlichen Begehren entsprechen (Realitätsprinzip vs.
Lustprinzip, siehe Freud).
Ja klar. Im produktiven Sinn.
Die Eltern agieren hier also als Autoritätsfiguren. Die Kinder
identifizieren sich mit ihnen und lernen so auch, autoritäres
Verhalten zu übernehmen. Eine Kette ohne Ende.
Ja, allerdings oft auch die destruktiven Elemente, die z.B. bei den Kriegsüberlebenden (=absolut(es) autoritäres System) nicht verarbeitet, sondern weitergegeben wurden.
Wenn Eltern ihre Kinder lieben, akzeptieren die Kinder ihre Eltern als Rollenmodell / Vorbild.
Wer sagt das? Kinder haben ihren eigenen Kopf. Wenn in einem
Kind der künftige Nobelpreisträger oder exzentrische Künstler
steckt, wird es wohl kaum einen angepassten Postboten als
Vorbild nehmen, auch wenn sein Postboten-Vater es liebt.
Man kann je mehrere Rollenmodelle haben. Ein sehr angepasster Mensch ist nicht besonders produktiv, jedenfalls nicht der angepasste Postbote in deinem Beispiel. Liebende Eltern werden ganz bestimmt als Vorbild genommen, in ihnen wird immer etwas Gutes gesehen werden.
Jedes Kind braucht diese Wegweiser und wird sie sich deswegen suchen, in der Familie oder woanders.
„Wegweiser“ - das klingt aber ein bisschen nach Autorität,
nicht wahr? Was ist, wenn es den Wegweiser „woanders“ sucht,
die Eltern aber dagegen sind? Konflikt vorprogrammiert.
Wie gesagt, ein wichtiger, produktiver Aspekt an sich legitimen
autritären Verhaltens. Warum sollen die Eltern dagegen sein, wenn es dem Wesen des Kindes entspricht und daher gut für das Kind ist? Es wäre nicht gerade ein von Liebe geprägtes Verhalten, dagegen zu sein. Ein Konflikt kann das aber klären.
… jedenfalls wenn die Eltern fähig zur Liebe sind. Sind die meisten nicht, kann man aber lernen.
Lieben lernen? Wie lernt man das denn so effektiv, dass man,
sobald die Kinder da sind, das perfekt „drauf“ hat? Die
meisten Kleinkind-Eltern sind zwischen 20 und 30 und sind
hineingepresst in Abhängigkeitsverhältnisse (Arbeit, Studium),
die meisten Männer haben das Militär hinter sich (wo nicht
gerade Liebe gelehrt wird), und da ist man noch nicht
ausgereift und hat zu wenig Gelegenheit gehabt,
Lebenserfahrung zu sammeln, was aber zum echten Liebenkönnen
(in deinem idealistischen Sinn) dazu gehört.
Es gibt auch Menschen, die dazu „Gelegenheit“ hatten. Ich glaube aber, es geht nicht um Gelegenheiten. Entweder man tut es, lernt es aktiv, oder nicht. Wenn man keine Notwendigkeit sieht, hat man noch nicht viel verstanden. Die Notwendigkeit zur Liebe kennt aber ja jeder, aber die meisten wiederholen trotzdem „stumpfsinnig“ das ihnen vorgelebte. Ich ja auch, meistens bisher. In diesem Sinne bin ich Idealist, ja. (Aber nicht Ideologe.)
Das Leben ist voller Enttäuschungen, an jeder Ecke wartet eine neue. :Wie kannst du da erwarten, dass alle von Liebe erfüllt sind?
Achja? Aber gibt es nicht auch viele Glücksmomente und gute Erfahrungen? Die umgreifenden Depressionen und wohl oft nicht gesuchten guten, anderen Erfahrungen haben aber wohl mit unserer kapitalistischen Gesellschaft zu tun. Die Lösung liegt ja woanders, nicht „dort drinnen“.
Theoretisch müsste dieses Modelllernen auch im großen Stil ::funktionieren.
Doch, doch…
Da schon gar nicht, siehe auch mein anderes Argument (Anarchie
braucht autoritäre Kontrolle).
Kontrolle, Kontrolle- ich HASSE Kontrolle. ; )
Was passiert, wenn die Gesetze wegfallen und die Gesellschaft / der ::Staat nicht mehr auf „Macht“ aufgebaut ist? … Da Machthabende sich ::stark fühlen, werden so neue, kleine „Reiche“ aufgebaut, die nichts ::mit Anarchie zu tun haben.
Was ja auch ich sagte.
Was geschieht, weil wir charakterlich so geprägt sind. Lässt sich aber ändern.
Wenn die Menschen hierzulande aber nicht so autoritär geprägte Charaktere hätten oder den Mut zur Veränderung hätten, sollte jede andere Gesellschaftsform möglich sein.
Wenn… ja wenn. Aber jeder Charakter ist aufgrund seiner
Sozialisation autoritär geprägt. Das lässt sich nicht
vermeiden.
Nicht unbedingt im negativen Sinn. Und dann kann man sich trotzdem dank Einsichtsfähigkeit verändern. Allerdings erscheint das vielen Menschen nicht notwendig, da sie ja auch im Kapitalismus zurechtkommen (durch ihre charakterliche Prägung), verhältnismäßig gut, auch wenn kaum jemand zufrieden ist. Aber man hat ja soooo viele andere Möglichkeiten: MECKERN, SICH BESCHWEREN, NACH UNTEN TRETEN z.B., PROTEST WÄHLEN… Seeehr effektiv.
Die Frage ist nur, wie man dahin kommen soll.
Ich sagte: das geht nur durch autoritären Druck und durch
ständige Kontrolle. Was aber dem Anarchiegedanken
widerspricht. Also ist Anarchie unmöglich.
Was durch meinen Beitrag hiermit widerlegt ist. Ich sage nicht, dass sie möglich ist, aber sie ist nicht aus diesem Grund unmöglich.
Literatur: Erich Fromm! „Die Furcht vor der Freiheit“
Fromm hat aber keineswegs Anarchie propagiert, es ging ihm
darum, dass ein Individuum innerhalb der demokratischen
Ordnung ein Leben führt, das von authentischem Sinn erfüllt
ist (statt von seelischen Abhängigkeiten, die das
kapitalistische System in den Bürgern etabliert).
Ja
Mit Anarchie hat das nichts zu tun. Nur mit geistiger
Mündigkeit innerhalb einer bestimmten Herrschaftsordnung –
nämlich der Demokratie.
Ok, mag sein. Menschliches Zusammenleben braucht eine Form, die Demokratie ist nach Fromm wohl die menschlichste. Eine andere kann ich mir auch nicht vorstellen, aber vielleicht treibt eine humanistische Gesellschaft noch ganz andere Blüten. Idealismus und Pessimismus=? Momentan sieht es nämlich nicht nach einer positiven Veränderung aus.
Gruß Horst
Gruß Anwärter