Anekdote [fraglos]

Hallo Philosophierende,

bin gestern über ein hübsches Zitat gestolpert - ein Dr. phil. schildert, wie er nach der Promotion bei seiner Bewerbung als Assistent der Geschäftsleitung in einem Konzern unter lauter BWLern den Zuschlag erhielt:

Im Vorstellungsgespräch fragte mein künftiger Chef mich, was das einschneidendste Erlebnis während meines Studiums gewesen sei. Ich antwortete, die Struktur des ontologischen Gottesbeweises verstanden zu haben. „Können Sie mir das erklären?“, fragte er und gab mir dafür drei Minuten. Das habe ich geschafft, er hat mich eingestellt. (Die Zeit 18/2004)

Viele Grüße
Diana (nach Studium der Literaturwissenschaft & Philosophie in die Personalberatung :wink:

Eine Frage dazu
Hallo Diana,

darf ich annehmen, du bewunderst den von dir zitierten Subjekt?

Soll es ein Vorbild für einen sein, der Philosophie studiert?

Hat sich z.B. Cartesius ungefähr so sein Leben vorgestellt?

Gruß

Hallo peet,

darf ich annehmen, du bewunderst den von dir zitierten Subjekt?

allenfalls bewundere ich den Chef :wink:

Viele Grüße
Diana

strukturiert denken
Hallo Jägerin der interessanten Anekdoten,

allenfalls bewundere ich den Chef :wink:

Ich auch. Denn er hat sicher weder die Struktur des ontologischen Gottesbeweises verstanden, noch die 3-minütige Erklärung seines Kandidaten. Aber er hat dennoch daraus erkennen können, daß dieser strukturiert und konsequent denken kann. Wenn das das Einstellungskriterium war, lag er ja richtig :smile:

*wink*

Metapher

Hallo Diana,

wieso imponiert Dir diese Entscheidung des Chefs so? Man ist doch schlecht beraten, eine Personalentscheidung von der Tatsache abhängig zu machen, daß jemand in drei Minuten einen vermeintlich schwierigen Sachverhalt beschreiben kann.

Gruß,

Oliver

Die Kunst des Minimierens
Hiho,

Man ist
doch schlecht beraten, eine Personalentscheidung von der
Tatsache abhängig zu machen, daß jemand in drei Minuten einen
vermeintlich schwierigen Sachverhalt beschreiben kann.

Findest Du? Ich bin ausgebildete Journalistin und habe unzählige Texte von Kollegen redigieren und korrigieren müssen. Und wenn jemand mir einen Sachverhalt wie den obigen wirklich in fünf Sätzen erklären könnte, hätte ich ihn sofort eingestellt.

Es ist keine besondere Kunst, eine Sache ausführlich und weitschweifig zu erklären. Dafür braucht es fundierte Sachkenntnis, natürlich, aber mehr nicht. Sie redundiert und auf sehr vereinfachte Weise zu erklären, das ist wirklich bewundernswert.

Ich kenne übrigens einen Lektor, der jungen Autoren, die bei seinem Verlag anrufen, sagt: Erzählen Sie mir die Handlung ihres Buches in vier Sätzen". Können sie es, läßt er sich das Manuskript schicken. Können sie es nicht, bricht er nach dem vierten Satz dankend ab.

Versuch es mal: Versuche, die Handlung eines beliebigen Buches auf vier Sätze zu reduzieren und dennoch alles Wesentliche wieder zu geben. Es ist wirklich schwer, und wer die Fähigkeit besitzt, beweist einen scharfen Verstand und einen klaren Blick für das Wesentliche.

Liebe Grüße,
Nike

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Hallo Nike,

Findest Du?

ich finde, daß es zwar eine wichtige Fertigkeit ist, Kompliziertes in wenigen Sätzen zusammenfassen zu können, aber ich finde, daß das Vorhandensein dieser Fertigkeit keine hinreichende Bedingung ist, um sich für einen Bewerber zu entscheiden (" […] es davon abhängig zu machen […]").

Wenn alle Bewerber annähernd die gleiche Qualifikation gehabt hätten, dann würde ich es nachvollziehen können, aber in diesem Fall hätte die Geschichte für mich auch keinen Reiz.

Versuch es mal: Versuche, die Handlung eines beliebigen Buches
auf vier Sätze zu reduzieren und dennoch alles Wesentliche
wieder zu geben.

Mache ich das nicht ständig hier im Forum? :wink:

Beste Grüße,

Oliver Walter

PS: Danke für die Grüße von neulich. :smile:

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Hallo Nike,

du hast es doch geschafft, mich zu provozieren! *g*

Aus der Sicht der Journalisitik, der Feuilletonistik und einer TV-Redaktion hast du Recht. Dieses Brett heißt nun aber einmal Philosophie und du bist dabei eine Moderatorin.

Zuerst war es ein gut pointierter Witz, der sich auch tatsächlich anders interpretieren ließe - als eine Beschreibung der Irrwege von Philosophen, die keine Arbeit finden und ihre geistigen Fähigkeiten und Fertigkeiten einsetzen, um nicht zu verhungern*. Oder als ein Pfeil in die andere Richtung, wo ähnliche Philosophen lieber im Elfenbeinturm bleiben, um sich nicht zu verkaufen und weiter frei denken zu können. Oder aber als ein Hinweis auf das Ende der Philosophie und der Literatur, weil sie sich bitte schön kurz auszudrücken haben. Ein Leo Tolstoj, ein Hegel etc. hätte bei deinem bewundernswerten Lektor keine Chance. Bei dir?

Gut gemeinte, wenn auch empörte Grüße


* Was sagt ein arbeitsloser Philosoph zu einem arbeitenden Philosophen?
„Einmal Pommes mit Mayo!“

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Hallo, Oliver,

ich finde, daß es zwar eine wichtige Fertigkeit ist,
Kompliziertes in wenigen Sätzen zusammenfassen zu können, aber
ich finde, daß das Vorhandensein dieser Fertigkeit keine
hinreichende Bedingung ist, um sich für einen Bewerber zu
entscheiden (" […] es davon abhängig zu machen […]").

Das kommt sicherlich auch auf den Job an. Hier war es Assistenz der Geschäftsleitung. Und da finde ich die Fähigkeit wichtig und vor allem bezeichnend für die Denkweise des Bewerbers. Es geht ja nicht nur darum, Kompliziertes in wenigen Worten erklären zu können, sondern es zeigt, daß der Bewerber schnell reagieren und logisch denken kann, daß er flexibel ist und Prioritäten zu setzen weiß.

Versuch es mal: Versuche, die Handlung eines beliebigen Buches
auf vier Sätze zu reduzieren und dennoch alles Wesentliche
wieder zu geben.

Mache ich das nicht ständig hier im Forum? :wink:

Jein. Auf vier Sätze hast Du es noch nicht geschafft. :smile:)

Liebe Grüße,
nike

Hiho, Peet,

du hast es doch geschafft, mich zu provozieren! *g*

Hurra! … war aber gar nicht meine Absicht. :wink:

Aus der Sicht der Journalisitik, der Feuilletonistik und einer
TV-Redaktion hast du Recht. Dieses Brett heißt nun aber einmal
Philosophie und du bist dabei eine Moderatorin.

Stimmt - vor allem, weil wir hier immer off-topicer werden. :smile: Aber daß ich - und das ist jetzt wieder philosophisch zu verstehen - jedweden Zusammenhang immer nur diskutieren kann auf der Basis dessen, was ich gelernt habe und bin, läßt sich ohnehin nicht vermeiden.

Oder aber als ein Hinweis auf das Ende
der Philosophie und der Literatur, weil sie sich bitte schön
kurz auszudrücken haben. Ein Leo Tolstoj, ein Hegel etc. hätte
bei deinem bewundernswerten Lektor keine Chance. Bei dir?

Oh, ich glaube schon, daß es Hegel gelungen wäre, diesen Lektoren zu überzeugen. Schließlich wollte er ja nicht, daß das Buch dergestalt formuliert sei, sondern nur die Ankündigung desselben am Telefon.

Das Ende der Literatur - mitnichten. Ich lese sehr gerne Bücher, die mehr als 4 Sätze enthalten. :smile: Es ging bei meinen Anmerkungen lediglich um die Tatsache, daß es wünschenswert - und ein Ausdruck von Scharfsinn - ist, wenn jemand so minimieren kann. Das heißt nicht, daß er das immer tun soll.

Capiche? :stuck_out_tongue:

So, und jetzt ziehe ich mich beschämt aus der off-topic-Falle zurück.
Liebste Grüße,
Nike

P.S.: Übrigens glaube ich tatsächlich daß Tolstoj und Hegel als Assistenz der Geschäftsleitung eines Wirtschaftsunternehmens fehl am Platz gewesen wären. *fg*

Hegel completely offtopic :wink:
Liebe Nike

P.S.: Übrigens glaube ich tatsächlich daß Tolstoj und Hegel
als Assistenz der Geschäftsleitung eines
Wirtschaftsunternehmens fehl am Platz gewesen wären. *fg*

gottseidank für ihn selbst hat Hegel das erst gar nicht versucht (du weißt sicher, worauf ich anspiele *zwinker*)

In den stillen Räumen des zu sich selbst gekommenen und nur in sich seienden Denkens schweigen die Interssen, welche das Leben der Völker und der Individuen bewegen“ [Vorrede zur Wissenschaft der Logik]

*wink*

Metapher

Hallo, Lieber,

gottseidank für ihn selbst hat Hegel das erst
gar nicht versucht (du weißt sicher, worauf ich anspiele
*zwinker*)

Das meinte ich ja. Kafka hingegen wäre viel eher geeignet gewesen. :smile:

Liebe Gryße,
Nike