Angeklagte im antiken römischen Reich

Hallo,

ich versuche seit geraumer Zeit in Erfahrung zu bringen, mit welchem Procedere Angeklagte im römischen Reich (~ 200 v.Chr. - 200 n. Chr.)vor Gericht konfrontiert wurden.
Ich kenne nicht mehr genau die Quelle, meine aber mal gehört zu haben, daß Angeklagten silberne Gegenstände und/oder rosafarbene Steine vom Priester vorgehalten wurden, während dieser gleichzeitig auf die Fragen des Priesters antworten mußte. Die Antwort/en des Angeklagten hatten angeblich unmittelbaren Einfluß auf das Urteil.

Über Eure Tipps freue ich mich, wäre schön, wenn ich in dieser Sache mal weiterkomme. Bin für jeden Hinweis dankbar…

Gruß
Metae

mit
welchem Procedere Angeklagte im römischen Reich (~ 200 v.Chr.

  • 200 n. Chr.)vor Gericht konfrontiert wurden.
    Ich kenne nicht mehr genau die Quelle, meine aber mal gehört
    zu haben, daß Angeklagten silberne Gegenstände und/oder
    rosafarbene Steine vom Priester vorgehalten wurden, während
    dieser gleichzeitig auf die Fragen des Priesters antworten
    mußte.

Hallo,

Metae!

Im Prinzip ging das so vor sich: Kläger (und zwar Privatkläger, es gab keinen Staatsanwalt) und Angeklagter führten vor dem Richter den Prozess als kontradiktorischen Prozess, am ehesten vergleichbar mit dem Verfahren im angelsächsischen Bereich. Der Richter wachte als eine Art Schiedsrichter über den Ablauf des Verfahrens, führte aber den Prozess eigentlich nicht selbst. Zur Sprache kam, was die Parteien vorbrachten.
Silberne Gegenstände und rosafarbene Steine kamen im Prozess nur dann vor, wenn es um sie ging: als Besitztum, als Mordwaffe usw. Ein Priester konnte natürlich auch Kläger oder Angeklagter sein, aber sonst hatte er in einem Prozess keine andere Rolle als jeder andere Zuschauer auch.
Vielleicht hast du die Sache mit den Steinen aus dem Prozess im Alten Athen nicht ganz richtig in Erinnerung: Da gab es die Volksrichter, je nach Bedeutung des Prozesses in mehr oder weniger großer Zahl, und die stimmten mit weißen und schwarzen Steinen (oder Bohnen) über schuldig und unschuldig ab.
Gruß!
Hannes

Hallo Hannes,

wenn es damals noch keinen „Staatsanwalt“ gab, wie Du schreibst, kannte dann das Recht noch nicht das, was wir heute als Offizialdelikt bezeichnen? Wer vertrat die Interessen der „öffentlichen Ordnung“ gegenüber Einzeltätern?

Gruß
Cassius

Hallo Cassius,

wenn es damals noch keinen „Staatsanwalt“ gab, wie Du
schreibst, kannte dann das Recht noch nicht das, was wir heute
als Offizialdelikt bezeichnen? Wer vertrat die Interessen der
„öffentlichen Ordnung“ gegenüber Einzeltätern?

jeder, der sich selbst als Privatmann zum Anwalt des Gemeinwesens machen wollte. Das war schon als Einstieg in eine politische Karriere durchaus üblich. Vergleiche z.B. Cicero als Anwalt der Gemeinden der Provinz Sizilien gegen den ehemaligen Statthalter Verres.

Freundliche Grüße,
Ralf

1 Like

Hallo Hannes,

danke für Deine Info!
Ich habe zu diesem Thema schon sehr viel gegoogelt, z.B. hier:

Zitat:
„Zu Beginn der römischen Rechtsgeschichte zeigt sich besonders im Prozess, dem Legisaktionenverfahren, die starke Bindung der Römer an Formalien. In diesem zweigeteilten Prozess mussten Kläger und Beklagter bestimmte Wortformeln sprechen, diese galten als heilig, jegliches Versprechen führte zum Unterliegen.
(vgl. Cicero, Murena, 25 ff.)“

In solch einer Situation, wie o.g., habe ich auch die bereits erwähnten Gegenstände mal zugeordnet. Aber na ja, daß wird wohl nicht mehr rausfindbar sein.

Mich würde auch weiterhin interessieren, ob bekannt ist, wie ein Prozeß ablief, in dem ein Angeklagter zum Tod in der Arena verurteilt wird. Ist Dir bekannt wie solch ein Prozeß ablief oder kannst Du mir Info-Quellen mitteilen?

Vielen Dank schon mal…

Gruß
Metae

Hallo,
man kann das damalige „Strafrecht“ nur sehr eingeschränkt mit dem heutigen vergleichen. Es gab nur wenige öffentiche Straftaten (crimina, z.B. Hochverrat), die meisten Straftaten - teilweise bis zum Mord - waren Privatdelikte (privata), die von der Sippe des Geschädigten verfolgt wurden. Die Strafgerichtsbarkeit wurde bis zur späteren Klassik mehr als Sache der politischen Staatsverwaltung gesehen und unterlag weniger juristischen als mehr politischen Maßstäben. Auch Ciceros berühmte Anklagen (z.B. in C. Verrem) sind eher unter politischen als unter juristischen Gesichtpunkten zu betrachten.
Grüße, Peter

1 Like

wenn es damals noch keinen „Staatsanwalt“ gab, wie Du
schreibst,
Wer vertrat die Interessen der
„öffentlichen Ordnung“ gegenüber Einzeltätern?

Hallo,

Cassius!
kannte dann das Recht noch nicht das, was wir heute
als Offizialdelikt bezeichnen?

Der Privatprozess (und wie du sehen kannst, bezog ich mich darauf) wurde vom Privatkläger gegen den Beklagten geführt. Der Staat hielt sich da raus: kein Staatsanwalt, keine Polizei, der Kläger musste den Beklagten selbst vorführen. Schon das Zwölftafelgesetz schreibt das Procedere dafür vor.
Allerdings blieb Rechtsunkundigen nichts andere übrig als sich für Anklage oder Verteidigung einen Anwalt (advocatus/der Dazugerufene) zu nehmen. Denn die Prozessordnung war streng formalistisch und setzte die Kenntnis des Vorgehens und der zu verwendenden Formeln voraus. Cicero macht sich (in „de oratore“) über Anwälte lustig, deren Prozesse wegen Verstoßes gegen die Formeln oder wegen falscher Subsumption des Falles vom Richter abgeschmettert wurden.
Das Fehlen der Institution Staatsanwalt bedeutet aber nicht, dass es - außerhalb des Privatrechts - nicht auch Prozesse von Staats wegen gab. Da trat ein Magistrat auf als Sachwalter von SPQR: z. B.
bei Verwendung falscher Maße und Gewichte der Ädil als Marktaufsicht. (Auf dem Forum in Pompeji sieht man ein Eichgefäß);
oder im Jahr 63 v. Chr. der Konsul Cicero im Hochverratsprozess gegen Catilina wg. Verschwörung;
oder in der Spätantike die Behörden wg. Verstoßes gegen das Höchstpreisedikt oder wg. Vernachlässigung der Lieferungen der Bauern und Handwerker für das Heer.
Aber es bleibt dabei: die Justiz wird im Alten Rom nicht von sich aus tätig. Wo kein Kläger, da kein Richter (nullo actore nullus iudex).
Schönen Gruß!
Hannes

2 Like

[…]starke Bindung
der Römer an Formalien. In diesem zweigeteilten Prozess mussten
Kläger und Beklagter bestimmte Wortformeln sprechen, diese
galten als heilig, jegliches Versprechen führte zum
Unterliegen.
(vgl. Cicero, Murena, 25 ff.)

Hallo, Metae!
Da darf man sich von unserer Vorstellung des Begriffs „heilig“ nicht auf ein falsches Gleis führen lassen. Das lat. „sanctus“ ist von sancire/(ein-für-allemal) festsetzen hergeleitet und bedeutet nur „nicht veränderbar“, bei formelhaften Wendungen also soviel wie „verpflichtend“.

Mich würde auch weiterhin interessieren, ob bekannt ist, wie
ein Prozeß ablief, in dem ein Angeklagter zum Tod in der Arena
verurteilt wird.

Das war ein ganz gewöhnlicher Strafprozess (privat oder von Staats wegen z. B. wie später bei Verweigerung des Kaiseropfers) mit der Verurteilung zum Tod. Da war dann die Verurteilung ad bestias eine Art Begnadigung: im Fall des Sieges konnte ja das Publikum die Freilassung verfügen.

[…]Info-Quellen mitteilen?

Du wirst im Zusammenhang mit dem Römischen Recht/Todesstrafe sicher noch mehr herausfinden können.
Gruß!
Hannes

Vielen Dank euch Dreien! -owT
.

Literaturtipp:
Belletristik: Imperium - Es geht um Cicero. Dort werden viele Prozesse und alles rumherum beschrieben aus den Augen des Privatsekretärs von Cicero

…guter Tipp!
Danke.
Metae