Angestellter oder freier Mitarbeiter?

Hi,

habe gerade ein interessantes Gespräch mit einem Freund geführt und uns würde folgendes interessieren:

Eine ausländische Firma (Schweiz) beschäftigt in Deutschland einen Mitarbeiter im Vertrieb, der grossteils selbstständig Kunden telefonisch aber auch persönlich akquiriert, teilweise aber auch allgemeine Marketingsachen (Folder designen) macht, die ihm aus der Firmenzentrale in der Schweiz vorgegeben werden.

Dieser erhält 25% seines Gehalts fix (500€) und 75% Variabel (wobei das logischerweise variiert).
Die Firma hat in Deutschland keine UST ID & keine Niederlassung, weshalb sich der Mitarbeiter selbst um die Sozialversicherung kümmern muss.

Ist dieser nun als Selbständiger (inkl. Gewerbeanmeldung) zu betrachten oder steht dieser in einem normalen Angestelltenverhältnis?
Dies wäre doch hypothetisch ein super Kostensparmodell, um die Sozialversicherung zu umgehen?

Bin für eure Antworten super dankbar, ist nämlich ein recht komplexer Fall.

Hallo,
wenn er sich schon selbst darum kümmern muss, deutet dies auf eine selbständige Tätigkeit hin. Da wird übrigens nicht umgangen, das ist ganz normaler Alltag - das geht auch bei Firmen, die ihren Sitz in Deutschland haben.
Gruss
Czauderna

Hallo,
wenn er sich schon selbst darum kümmern muss, deutet dies auf
eine selbständige Tätigkeit hin. Da wird übrigens nicht
umgangen, das ist ganz normaler Alltag - das geht auch bei
Firmen, die ihren Sitz in Deutschland haben.

das mag ein indiz sein, für die abgrenzung zur (schein-)selbstständigkeit kommt es allerdings auf die gesamtumstände (etwa den vertragsinhalt: weisungsrecht etc., vgl. § 7 Abs.1 SGB IV) an. so ist die fixe vergütung ein indiz für die gegenteilige ansicht…

es besteht die möglichkeit, das anfrageverfahren nach §7a SGB IV bei der drv zu starten. gegen diese entscheidung kann widerspruch/klage eingelegt werden…

Hallo,
ja, dem will ich nicht widersprechen, nur wenn der Arbeitgeber
seinen Sitz im Ausland hat und keine Vertretung/Niederlassung oder Filiale in Deutschland, dann wird das mit einer Arbeitnehmertätigkeit
im Sinne des SGB V. nix werden, oder hat sich da etwas geändert im Gesetz, und wenn ja, wie funktioniert das dann in der Praxis ?
Gruss
Czauderna

Hallo,

ja, dem will ich nicht widersprechen, nur wenn der Arbeitgeber
seinen Sitz im Ausland hat und keine Vertretung/Niederlassung
oder Filiale in Deutschland, dann wird das mit einer
Arbeitnehmertätigkeit
im Sinne des SGB V. nix werden, oder hat sich da etwas
geändert im Gesetz, und wenn ja, wie funktioniert das dann in
der Praxis ?

warum soll das nichts werden können? Wenn man gedanklich die Ländergrenzen wegwischt, ist es ein stino Beschäftigungs-/Auftragsverhältnis.

Wo jemand zu versichern ist, bzw. nach welchem Recht er überhaupt zu beurteilen ist, richtet sich danach, wo der wesentliche Teil der Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Da dies in Deutschland ist, kann der AG eigentlich sitzen wo er will, der Arbeitnehmer ist ausschließlich nach deutschem Recht zu beurteilen.

Bei diesen Ein-Mann-Vertretungen ist es üblich, dass der Arbeitnehmer sich um alles selber kümmert. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich dadurch etwas an der Beurteilung des Status ändert und ich würde es auch nicht als Kriterium heran ziehen.

Er muss zunächst seine eigene Betriebsnummer beantragen (ich meine mal gehört zu haben, da gibt es für solche Fälle sogar spezielle) und sich dann um alles kümmern, was die deutsche Sozialversicherung angeht (Beiträge zahlen, Meldungen machen, etc.). Wenn der Arbeitgeber nicht lustig ist, dass aus dem Ausland für ihn zu erledigen, bzw. er auch keine Lust hat, sich überhaupt mit dem ausländischen Sozialversicherungsrecht auseinander zu setzen, lässt er das seinen Arbeitnehmer machen. Gerüchteweise ist das an der schweizer Grenze alltäglich Praxis, kann ich aber nicht mitreden, weil ich zuweit nördlich wohne.

LG
S_E

Hallo,
also da bin ich doch skeptisch - kannst du das anhand der „Ein- und Ausstrahlungstheorie“ belegen ??
Ich bin jetzt drei Wochen im Urlaub, kann also nicht an meine Unterlagen, aber dass ein „Arbeitnehmer“ in Deutschland für sich selbst „Arbeitgeberaufgaben“, wie Anmeldung beim Arbeitsamt (BNR), Erstellung und Übermittlung der Beitragsnachweisung, Erstellung der DEUEV-Meldungen und natürlich auch den anfallenden Schriftwechsel (z.B. Entgeltbescheinigung bei Krankengeldbezug) **in eigener Verantwortung machen muss, weil sein Arbeitgeber in Deutschland nicht vertreten ist, das halte ich doch für unwahrscheinlich.

**

Da ist es eher so, dass er in diesem Fall nach dem Sozialversicherungsrecht des Staates beurteilt werden muss, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, und wenn dieser keine „Versicherungspflicht“ kennt, dann muss er sich in Deutschland eben freiwillig bzw. privat versichern.
Gruss
Czauderna

Hallo,

also da bin ich doch skeptisch - kannst du das anhand der
„Ein- und Ausstrahlungstheorie“ belegen ??

Nein, kann ich nicht, weil es nichts mit Ein- oder Ausstrahlung zu tun hat. Wir haben hier keine Entsendung, weil es keine befristete Tätigkeit ist, sondern auf Dauer angelegt. Da scheidet jede Form von Entsendung aus.

Ich bin jetzt drei Wochen im Urlaub, kann also nicht an meine
Unterlagen, aber dass ein „Arbeitnehmer“ in Deutschland für
sich selbst „Arbeitgeberaufgaben“, wie Anmeldung beim
Arbeitsamt (BNR), Erstellung und Übermittlung der
Beitragsnachweisung, Erstellung der DEUEV-Meldungen und
natürlich auch den anfallenden Schriftwechsel (z.B.
Entgeltbescheinigung bei Krankengeldbezug) **in eigener
Verantwortung machen muss, weil sein Arbeitgeber in
Deutschland nicht vertreten ist, das halte ich doch für
unwahrscheinlich.

**

Gibt es aber. Nach längerem rumkrempeln in den tiefen meines Hirns ist mir so ein Fall tatsächlich noch eingefallen, kann ich aber schlecht präsentieren, Datenschutz und so. Aber ich glaube da war es so, dass der Arbeitnehmer die AG-Beiträge mit ausgezahlt bekommen hat und diese dann überwiesen hat. Wie gesagt, ich meine mich zu erinnern, dass es da so etwas wie ein vereinfachtes Verfahren gab, also nicht das übliche Beitragsnachweis-/Meldeverfahren. Vielleicht finde ich noch dazu etwas in meinem Kruscht.

Da ist es eher so, dass er in diesem Fall nach dem
Sozialversicherungsrecht des Staates beurteilt werden muss, in
dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, und wenn dieser keine
„Versicherungspflicht“ kennt, dann muss er sich in Deutschland
eben freiwillig bzw. privat versichern.

Widerspricht VO EG 883/2004 (die seit 01.04.2012 auch in der Schweiz gilt, aber in der VO EWG 1408/71 wars diesbezüglich nicht anders):

Grundsatz Art. 11: eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit
ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats

Da steht nichts von Sitz des Arbeitgebers. Da es nur einen Arbeitgeber gibt, brauchen wir uns die folgenden Artikel, insbesondere Art. 13, erst gar nicht anschauen. Zum Glück, mit der Änderung zum 28.06.2012 ist das Ding wunderherrlich geworden, es war so schön einfach =(

LG
S_E

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Nachtrag
So, jetzt hab ich was gefindet, von einer Kollegin aus dem Süden.

Es gibt für Sachverhalte mit der Schweiz eine Pseudo-Betriebsnummer: 100 000 01. Es sind die Arbeitgeber-Daten anzulegen. Grundsätzlich ist der ausländische Arbeitgeber mitteilungspfichtig (Meldungen und Nachweise, Beiträge abführen), aber der Arbeitnehmer kann die Zahlung der Beiträge vornehmen.

Die AOK sei wohl diesbezüglich recht auskunftsfreudig, aber ich spare mir jetzt mal den Anruf da.

LG
S_E

Hallo,
okay, da du das wirklich sehr ausführlich beschrieben hast, denke ich das du recht hast und ich etwas dazugelernt habe - danke dafür.
Gruss
Czauderna