Ankauf ital. und span. Staatsanleihen durch EZB

Hallo Forum,

soeben las ich, dass sich die EU weiter zu einer Transferunion entwickelt, wenn die EZB anfängt, italienische und spanische Staatsanleihen anzukaufen. Nun frage ich mich, wieso das wohl der Fall sein könnte. Bisher habe ich das Szenario so verstanden:
Ein Land ist so lange liquide, wie Anleger und Investoren erwarten, ihr dem Staat geliehenes Kapital mit Zinsen zurück zu erhalten. Normalerweise zahlt der Staat seine Gläubiger aus, indem er bei anderen (oder denselben Gläubigern) weitere Kredite aufnimmt und sich weiter verschuldet. Das geht so lange gut, bis der Schuldenstand und damit die Schuldenlast eines Staates so hoch ist, dass die Anleger nicht mehr darauf vertrauen, dass sie ihr Geld noch voll zurückgezahlt bekommen. Dann steigt die Risikoprämie, d.h. der Zins für Staatsanleihen und die Refinanzierung des Staates wird zunächst teurer, bald unmöglich und der Staatsbankrott tritt ein. Damit das nicht passiert, werden Rettungsschirme gebastelt, die dann zum Tragen kämen, wenn ein Land zahlungsunfähig wäre. Im günstigsten Fall vertrauen die Anleger auf Grund des Rettungsschirmes wiederum darauf, dass sie ihr in Staatsanleihen investiertes Kapital sicher wiederbekommen und alles ist wieder in Butter. Funktioniert das jedoch nicht und kein Anleger will mehr Staatsanleihen zu für den Staat bezahlbaren Konditionen, kann die Zentralbank einspringen und anstelle der Anleger die Anleihen ankaufen. Folge daraus ist, dass sich die Geldmenge erhöht, denn die Anleger haben ja jetzt die bisher von ihnen gehaltenen Staatsanleihen an die Zentralbank „verkauft“ und haben dafür ihr Geld erhalten.

Sind meine Annahmen bis hierhin soweit richtig?
Und über den beschriebenen Inflationsdruck hinaus? Wie kommt hier die Transferunion ins Spiel? Wieso trägt ein Anleihenkauf der EZB zum Transfer bei?

Ich bin gespannt auf eure Antworten!

Vielen Dank!

Christian

Hallo,

bezahlbaren Konditionen, kann die Zentralbank einspringen

kleine Korrektur: sie kann es, darf es aber eigentlich nicht. Die EZB hat sich eine haarsträubende Erklärung dafür gebastelt, daß sie es eigentlich vielleicht möglicherweise doch darf.

anstelle der Anleger die Anleihen ankaufen. Folge daraus ist,
dass sich die Geldmenge erhöht, denn die Anleger haben ja
jetzt die bisher von ihnen gehaltenen Staatsanleihen an die
Zentralbank „verkauft“ und haben dafür ihr Geld erhalten.

Angeblich will die EZB wie beim letzten mal die dafür ausgezahlten Beträge durch die Reduzierung von Offenmarktgeschäften kompensieren.

Sind meine Annahmen bis hierhin soweit richtig?

Ja, durchaus (bis auf die beiden kleinen Korrekturen).

Und über den beschriebenen Inflationsdruck hinaus? Wie kommt
hier die Transferunion ins Spiel? Wieso trägt ein Anleihenkauf
der EZB zum Transfer bei?

Weil an der EZB alle Staaten der Euro-Zone beteiligt sind und so eventuelle Verluste auf alle Länder entfallen - was nicht nur die Ankäufe der Staatsanleihen betrifft, sondern auch die von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt gebliebene Kreditvergabe durch das Target2-System.

Hinzu kommt, daß über die diversen Rettungsschirme und Rettungsaktionen auch alle Euroländer ihre Beiträge geleistet haben und Schuldner der schwachen Länder geworden sind.

Gruß
Christian

Hallo,

Hinzu kommt, daß über die diversen Rettungsschirme und Rettungsaktionen auch alle Euroländer ihre Beiträge geleistet haben und Schuldner der schwachen Länder geworden sind.

Prima erklärt. Nur den letzten Aspekt kann ich nicht nachvollziehen. Wir, also Deutschland, sind dadurch jetzt Schuldner gegenüber Griechenland, Italien und Italien? Ich dachte, wir hätten dafür unsererseits Schulden aufgenommen, aber nicht auchgerechnet bei diesen Staaten, die ja selbst kaum noch was haben, sondern bei anderen Geldgebern . Bestenfalls sind wir doch durch die ganzen Aktionen (noch größere) Gläubiger dieser Staaten geworden.

Grüße

Hallo,

Hinzu kommt, daß über die diversen Rettungsschirme und Rettungsaktionen auch alle Euroländer ihre Beiträge geleistet haben und Schuldner der schwachen Länder geworden sind.

Prima erklärt. Nur den letzten Aspekt kann ich nicht
nachvollziehen. Wir, also Deutschland, sind dadurch jetzt
Schuldner gegenüber Griechenland, Italien und Italien?

nein, da habe ich mich einfach nur vertan. Ich habe den Satz mehrfach umgebaut und irgendwann die Übersicht verloren. Es muß natürlich Gläubiger heißen.

Gruß
Christian

Hallo und erstmal vielen Dank für die Antwort!

Ich verstehe, dass wenn die EZB Verluste macht, diese Verluste von allen Mitgliedsländern getragen werden müssen. Aber dazu gleich die nächste Frage: Wieso kann die EZB denn eigentlich Verlust machen bzw. wie läuft das ab? Sie ist doch die Zentralbank, die das Geld schafft. Könnte sie mögliche Verluste nicht einfach weg"drucken" und den sich dadurch ggf. aufbauenden Inflationsdruck wieder kompensieren, z.B. wiederum durch die Reduzierung von Offenmarktgeschäften?

Und dann noch zu dem letzten diskutierten Satz, dass alle Euroländer Gläubiger der schwachen Länder geworden sind: Waren wir nicht schon vorher Gläubiger dieser schwachen Länder? Das war doch die wirtschaftliche Erklärung dafür, dass wir die Länder nicht pleite gehen lassen dürfen. Denn dann hätten alle, die Forderungen ggü. den betreffenden schwachen Ländern haben, diese zu einem beachtlichen Teil abschreiben müssen. Und das sollte doch vermieden werden.

Hallo,

nein, da habe ich mich einfach nur vertan. Ich habe den Satzmehrfach umgebaut und irgendwann die Übersicht verloren. Es muß natürlich Gläubiger heißen.

Na da fällt mir aber ein Stein vom Herzen. Denn nach den ganzen Kapriolen mit Rettungsschirmen und Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB usw. hätte es mich jetzt fast ein bißchen nicht gewundert, wenn es doch so gewesen wäre.

Grüße

Hallo,

Ich verstehe, dass wenn die EZB Verluste macht, diese Verluste
von allen Mitgliedsländern getragen werden müssen.

zunächst einmal vom Eigenkapital.

gleich die nächste Frage: Wieso kann die EZB denn eigentlich
Verlust machen bzw. wie läuft das ab?

Sie bucht wie jedes andere Unternehmen. Wenn ihre Anlagen an Wert verlieren bzw. sie echte Verluste realisiert, werden Aufwendungen gebucht, die den Gewinn reduzieren oder eben zu einem Verlust führen.

Zentralbank, die das Geld schafft. Könnte sie mögliche
Verluste nicht einfach weg"drucken"

Sagen wir es so: die EZB ist nicht insolvenzfähig, so daß sie ein negatives Eigenkapital haben kann und das auch dauerhaft. Ist das irgendwann nicht mehr gewollt, führt man eine „Kapitalerhöhung“ durch.

und den sich dadurch ggf.
aufbauenden Inflationsdruck wieder kompensieren, z.B. wiederum
durch die Reduzierung von Offenmarktgeschäften?

Dadurch verschwinden ja die Verluste nicht. Mit einer Reduzierung der Offenmarktgeschäfte reduziert man ja nur die Geldmenge, was ja angeblich auch getan wird, um die Aufkäufe der Staatsanleiehen zu kompensieren.

Und dann noch zu dem letzten diskutierten Satz, dass alle
Euroländer Gläubiger der schwachen Länder geworden sind: Waren
wir nicht schon vorher Gläubiger dieser schwachen Länder?

Natürlich.

Das
war doch die wirtschaftliche Erklärung dafür, dass wir die
Länder nicht pleite gehen lassen dürfen. Denn dann hätten
alle, die Forderungen ggü. den betreffenden schwachen Ländern
haben, diese zu einem beachtlichen Teil abschreiben müssen.
Und das sollte doch vermieden werden.

Das Problem ist, daß die Gläubigerposition bisher nicht die Bundesrepublik Deutschland innehatte, sondern Unternehmen, d.h. Banken, Versicherungen usw., die die Staatsanleihen hielten und für das Risiko mit Zinsen bezahlt bekamen. Nun stellt sich heraus, das Risiko war zwar eigentlich größer als die gezahlten Zinssätze. In jedem anderen Fall hieße das "Pech gehabt und abgeschrieben. Das ist nun einmal das Anlagerisiko.

Wenn nun die Staaten die Anschlußfinanzierung Griechenlands sicherstellen, ist das für die Anleger wunderbar: null Risiko bei immer noch überdurchschnittlich hohen Zinsen. Inzwischen beteiligen sich an der Spekulation auf den Politikerstarrsinn auch in größeren Umfang Privatpersonen.

Jedenfalls schützt die Bundesrepublik mit der Beteiligung am Rettungsschirmchen nicht ihre eigenen Interessen, sondern die derjenigen, die die Anleihen bisher hielten bzw. nun gekauft haben.

Das kann man machen, wenn man das für richtig hält, aber man sollte dafür gute Gründe haben und die vermisse ich. Die ständige Wiederholung von „um den Euro zu retten, müssen wir die Griechen helfen“ ist mir in der Hinsicht ein bißchen zu vage.

Gruß
Christian