Anspruch auf Altteil bei Reparatur

Ich wäre dann eher mal daran interessiert, auf welches Urteil
sich derjenige bezieht, der der Meinung ist, sich hier auf den
§ 929 stützen zu können.

ich fühle mich hier irgendwie angesprochen, da ich § 929 S.2 bgb bzw. die dereliktion in den raum geworfen habe.
es ist aber nie die behauptung aufgestellt worden, dass eine übereignung konkludent mit vertragsschluss erfolgt.
sondern es war lediglich die rede von einer möglichen übereignung nach vornahme des austausches etwa bei einfachen handwerksarbeiten.

urteile, entfalten -solange nicht oberinstanzlich ergangen- für das gericht keine bindung. daher ist auch ein zitat überflüssig.

bei größeren austauscharbeiten, insbes. beim kfz, würde schon eine konkludente übereignung regelmäßig daran scheitern, dass der auftraggeber ein interesse daran hat, dass sich das mangelhafte ersatzteil weiterhin in seinem eigentum befindet (z.b. durchsetzung gewährleistungsrechte).

Der Kunde hat jederzeit einen
Anspruch auf Aushändigung der ausgebauten Teile, ab dem
Zeitpunkt, in dem er davon Kenntnis erlangt. Der § 929 würde
maximal greifen, wenn der Kunde z. B. auch nach 2 Monaten die
Teile nicht zurückverlangt hat, da man dann davon ausgehen
muss, dass er nicht daran interessiert ist oder es
anderenfalls hätte unmittelbar äußern müssen.

§ 929 bzw. § 959 bgb greifen nicht erst nach 2 monaten, sondern bereits dann, wenn das verhalten des auftraggebers als entsprechende willenerklärung auszulegen ist.
das kann bei vertragsschluss oder auch danach erfolgen, je nach einzelfall.

Im Übrigen schließt schon allein der Fakt, dass Unklarheit
über die gängige Regelung besteht, aus, dass hier das Eigentum
durch ein konkludentes Handeln übertragen wird. Konkludentes
Handeln setzt nämlich voraus, dass die Absicht des Handelnden
für einen normal denkenden Menschen zweifelsfrei erkennbar
ist. Ich glaube kaum, dass jeder normal denkende Mensch, der
sich mit der Rechtslage nicht auskennt, bei einer
Auftragserteilung auch ohne vorherige Teileeinforderung das
Eigentum an den eventuell zu erneuernden Teilen, von denn er
noch nicht einmal weiß, welche dies sind, in jedem Fall an die
Werkstatt übertragen will. Sonst würde es Situationen wie in
der Fragestellung beschrieben, nicht geben!

das ist nur teilweise richtig. es kommt nicht auf den willen des auftraggebers an, der meinetwegen rechtlicher leihe ist, sondern wie ein verständiger dritter gemessen am objektiven empfängerhorizont das verhalten verstehen durfte.

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Aber wie wäre es denn mit
‚Geschäftsführung ohne Auftrag‘?

Die hilft hier nicht weiter, da die Folge der GoA allein der Aufwendungsersatzanspruch ist, sie macht aber nicht aus einem rechtswidrigen ein rechtmäßiges Verhalten.

Denn Voraussetzung der GoA ist noch immer der vermutete Wille des Geschäftsherrn und von dem kann man eben gerade nicht einfach so ausgehen. Und man muss das auch bei seinem Eigentum nicht positiv erklären.

Immerhin müssen elektronische
Bauteile fachgerecht entsorgt werden.

Ja, wenn man sie entsorgen will. Es gibt aber kein Pflicht, dies zu wollen. Wenn man ein Altteil, und sei es defekt, aufheben will, darf man das. Man darf es nur nicht einfach in den Wald stellen, wenn man es loswerden will.

Und diese Mühe nimmt man
dem Kunden wohlmeinend ab.

Aber nur, wenn der Kunde das auch will.

Gruß
Dea

urteile, entfalten -solange nicht oberinstanzlich ergangen-
für das gericht keine bindung.

Urteile entfalten in Deutschland nie gerichtliche Bindung, auch keine des BGH.

daher ist auch ein zitat
überflüssig.

Sie sind der Ansicht, dass es in einem Rechtsforum überflüssig da offensichtlich keine substantielle Argumentationsgrundlage ist, für eine rechtliche These ein Urteil als Beleg zu bringen? Interessante These…

Gruß
Dea

Danke und * für die Aufklärung (owt)
nix

Es sei mal dahin gestellt, ob es für Werkstätten überhaupt
eine gesetzliche Verpflichtung zur fachgerechten Entsorgung
ausgebauter Teile gibt

Für elektronische Bauteile? Aber sicher doch.

  • ich sagte ja nur, dass für den Fall,
    dass es sie gibt, damit eine Grundlage für die Vorenthaltung
    des Eigentums gegeben wäre, wenn nicht vorher ausdrücklich
    etwas anderes vereinbart worden wäre,

Nö, nö, - andersrum wird ein Schuh draus.

urteile, entfalten -solange nicht oberinstanzlich ergangen-
für das gericht keine bindung.

Urteile entfalten in Deutschland nie gerichtliche Bindung,
auch keine des BGH.

lernt man nicht im studium, dass man das wörtchen „nie“ lieber nicht benutzen sollte ?!
ausnahmen, in denen bgh-urteile bindungswirkung entfalten sind z.b.:

  • natürlich im instanzenzug selbst, z.b. § 563 II zpo

  • gesetzlich festgelegte bindungswirkungen:
    § 16 RsprEinhG, § 17a II 3 GVG und § 281 II 4 ZPO

  • echte bindungswirkung ohne divergenzvorlage(§ 541 ZPO a.F., § 28 II FGG a.F.): § 16 KapMuG

  • fälle der offenen rechtsfortbildung, z.b. zur existenzvernichtungshaftung der gmbh

daher ist auch ein zitat
überflüssig.

Sie sind der Ansicht, dass es in einem Rechtsforum überflüssig
da offensichtlich keine substantielle Argumentationsgrundlage
ist, für eine rechtliche These ein Urteil als Beleg zu
bringen? Interessante These…

nein. es ist aber sinnlos, urteile über dieses „problem“ herauszusuchen, das ausschließlich von den umständen des einzelfalls abhängt.

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lernt man nicht im studium, dass man das wörtchen „nie“ lieber
nicht benutzen sollte ?!
ausnahmen, in denen bgh-urteile bindungswirkung entfalten sind
z.b.:

  • natürlich im instanzenzug selbst, z.b. § 563 II zpo

Hat denn hier jemand ein solches Verfahren laufen?

  • gesetzlich festgelegte bindungswirkungen:
    § 16 RsprEinhG, § 17a II 3 GVG und § 281 II 4 ZPO

Relevanz für diesen Fall?

  • echte bindungswirkung ohne divergenzvorlage(§ 541 ZPO a.F.,
    § 28 II FGG a.F.): § 16 KapMuG

Relevanz für diesen Fall?

  • fälle der offenen rechtsfortbildung, z.b. zur
    existenzvernichtungshaftung der gmbh

Wo besteht da die allgemeine Bindungswirkung für andere Gerichte?

Vor allem lernt man im Studium, Argumentationen auf das Grundlegende und die für den Fall relevanten Inhalte zu reduzieren. Was oben genanntes mit diesem Fall zu tu haben soll, erschließt sich mir nicht.

Sie werden in Jura immer zu jeder Aussage eine Rückausnahme heraussuchen und stolz präsentieren können. Ob das der Diskussion irgendwie hilfreich ist oder grundlegende Prinzipien tatsächlich widerlegt, ist eher fraglich.

Insb. aber haben Sie behauptet, Urteile entfalten -solange nicht oberinstanzlich ergangen- für das Gericht keine bindung. Was also im Umkehrschluss bedeutet, dass (grundsätzlich) obergerichtliche Rechtsprechung (was ist das eigentlich, fängt das schon beim OLG an?) Bindung entfalten würde. Diese Aussage ist im deutschen Recht so (trotz immer und überalle bestehender einzelnder Ausnahmen) falsch.

nein. es ist aber sinnlos, urteile über dieses „problem“
herauszusuchen, das ausschließlich von den umständen des
einzelfalls abhängt.

Jedes Urteil hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, so dass das eine Tautologie ist. Das Entscheidende an einem Urteil ist daher nicht der dortige Sachverhalt, sondern der allgemeine Rechtsgrundsatz, denn das Gericht auf diesen anwendet.

Gruß
Dea

Hat denn hier jemand ein solches Verfahren laufen?
Relevanz für diesen Fall?
Relevanz für diesen Fall?

es scheint nicht zum ausdruck gekommen zu sein:
die behauptung „Urteile entfalten in Deutschland nie gerichtliche Bindung, auch keine des BGH.“ ist falsch, wie die (missverstandenen) beispiele zeigen.


- fälle der offenen rechtsfortbildung, z.b. zur
existenzvernichtungshaftung der gmbh

Wo besteht da die allgemeine Bindungswirkung für andere
Gerichte?


ist das eine rhetorische frage ?
richterrecht ist zwar keine der anerkannten rechtsquellen, sie ist aber teil der juristischen methodenlehre.
als solche dient sie auch der schließung von rechtslücken bzw. dem verständnis abstrakter rechtsbegriffe.

die dazu etwa vom bgh entwickelten grundsätze entfalten für die gerichte bindungswirkung. nur in ausnahmefällen kann unter abweichung vom gleichbehandlungsgebot bzw. des vertrauensschutzes davon abgewichen werden.

achja, ich könnte natürlich noch auf Art.20 III gg verweisen: bindung der judikative an gesetz und RECHT und wie viele stimmen vertreten, dass unter diesen begriff auch das richterrecht fällt (Maunz/Dürig Art. 20 Rn.65 mwN). aber das würde wohl wiederum eine neue diskussion eröffnen und darauf habe ich keine lust.


Insb. aber haben Sie behauptet, Urteile entfalten -solange
nicht oberinstanzlich ergangen- für das Gericht keine bindung.
Was also im Umkehrschluss bedeutet, dass (grundsätzlich)
obergerichtliche Rechtsprechung (was ist das eigentlich, fängt
das schon beim OLG an?) Bindung entfalten würde.


nein, eben diesen rückschluss muss man nicht ziehen und er unterstellt mir auch etwas, was ich nicht gemeint habe.

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es scheint nicht zum ausdruck gekommen zu sein:
die behauptung „Urteile entfalten in Deutschland nie
gerichtliche Bindung, auch keine des BGH.“ ist falsch, wie die
(missverstandenen) beispiele zeigen.

Und es erscheint umgekehrt nicht zum Ausdruck gekommen zu sein, dass eine derartige Haarspalterein in einer Wissenschaft, die nur von Rückausnahmen lebt, keinen Sinn macht und dass zudem die gannten Beispiele ohnehin nichts mit dem Fall zu tun haben. Schließlich war die umgekehrte Behauptung, Obergerichtliche Urteile würden Bindungswirkung entfalten, gänzlich falsch.

Ich kann mich hier auch zum eigenen Spaß hinstellen und jede, wirklich jede rechtliche Aussage relativieren, indem ich irgendeine Ausnahmeregelung finde, und dann sagen, die Behauptung sei falsch. Das ist im Recht aber sinnlos (insb., wenn es nur um solche geht, die Sie hier meinten), verwirrt nur und ändert nichts am Grundsatz.

Wir habe kein Case-law System. So ist es nunmal. Und genau das war das, wie Sie fälschlicher Weise erklärt haben.

  • fälle der offenen rechtsfortbildung, z.b. zur
    existenzvernichtungshaftung der gmbh

Wo besteht da die allgemeine Bindungswirkung für andere
Gerichte?

ist das eine rhetorische frage ?

Nein, das ist eine ganz konkrete Frage. Das Rechtsinstitut ist eine Rechtsprechung des BGH, die im Wege der Rechtsfortbildung entwickelt wurde. Sie bindet kein Gericht (außer den hoch relevanten von Ihnen genannten Ausnahmen in bestimmten Einzelfällen), denn sie ist kein Gesetz und Gerichte sind nur an Gesetz gebunden. Jedes AG kann anders entscheiden.

richterrecht ist zwar keine der anerkannten rechtsquellen, sie
ist aber teil der juristischen methodenlehre.

Sie fällt dennoch nicht unter die gesetzliche Bindungswirkung.

als solche dient sie auch der schließung von rechtslücken bzw.
dem verständnis abstrakter rechtsbegriffe.

Richtig, dennoch bindet sie kein Gericht.

die dazu etwa vom bgh entwickelten grundsätze entfalten für
die gerichte bindungswirkung.

Nein.

nur in ausnahmefällen kann unter
abweichung vom gleichbehandlungsgebot bzw. des
vertrauensschutzes davon abgewichen werden.

Nein.

achja, ich könnte natürlich noch auf Art.20 III gg verweisen:
bindung der judikative an gesetz und RECHT und wie viele
stimmen vertreten, dass unter diesen begriff auch das
richterrecht fällt (Maunz/Dürig Art. 20 Rn.65 mwN).

Das sieht das BVerfG anders (Beschluss vom 26.06.1991, Aktenzeichen: 1 BvR 779/85): „Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Von ihnen abzuweichen, verstößt grundsätzlich nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG.“ (ebenso Beschluss vom 19.02.1975, Aktenzeichen: 1 BvR 418/71).

nein, eben diesen rückschluss muss man nicht ziehen und er
unterstellt mir auch etwas, was ich nicht gemeint habe.

Nun, wie man den Satz:

urteile, entfalten -solange nicht oberinstanzlich ergangen- für das gericht keine bindung

anders verstehen kann, als dass umgekehrt oberinstanzliche Urteile Bindungswirkung entfalten sollen, wird wohl Ihr Geheimnis bleiben. Der gemeine Leser kann sich denke ich selbst die Bedeutung des Satzes und dessen Sinninhalt vergegenwärtigen. Es ist eine rein sprachliche Frage.

Lassen Sie`s gut sein. Auch Sie werden nichts daran ändern, dass es im Recht bestimmten Grundsätze gibt, die trotz Ausnahmen per se als richtig gelten, und ich glaube, weder Sie noch ich, sonst noch wer hier hat Lust, jede rechtliche Aussage nur im Zusammenhang mit allen Rückausnahmen darzustellen, damit mit man nicht, wie Sie es jetzt machen, mit Verweis auf diese als falsch dargestellt wird.

Aber wenn Sie dennoch so gerne darauf bestehen, kann ich mir ja demnächst mal Ihre Beiträge hier unter die Lupe nehmen, genau analysieren, jeden kleinen Fehler und natürlich jede Rückausnahme aufführen, alles als falsch darstellen und Sie bis zum St. Nimmerleins Tag damit nerven. Das ist mein Beruf, ich kann das verdammt gut und es macht mir sogar Spaß.

Gruß
Dea

nur abschließend von meiner seite:

wenn man schon zitiert, dann kann man sich die mühe machen, den gesamten absatz zu zitieren. denn bei ihrem zitat kann bei einem gemeinen leser der eindruck entstehen …den rest kennen sie ja…

Das sieht das BVerfG anders (Beschluss vom 26.06.1991,
Aktenzeichen: 1 BvR 779/85): „Höchstrichterliche Urteile sind
kein Gesetzesrecht und erzeugen keine damit vergleichbare
Rechtsbindung. Von ihnen abzuweichen, verstößt grundsätzlich
nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG.“ (ebenso Beschluss vom
19.02.1975, Aktenzeichen: 1 BvR 418/71).

es ging um die abweichung des bag von seiner rspr. und es heißt weiter:

Es bedarf deswegen nicht des Nachweises wesentlicher Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen, damit ein Gericht ohne Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG von seiner früheren Rechtsprechung abweichen kann.

der vorgänger in 1 BvR 418/71 bringt übrigens auch nichts neues zu tage…

Aber wenn Sie dennoch so gerne darauf bestehen, kann ich mir
ja demnächst mal Ihre Beiträge hier unter die Lupe nehmen,
genau analysieren, jeden kleinen Fehler und natürlich jede
Rückausnahme aufführen, alles als falsch darstellen und Sie
bis zum St. Nimmerleins Tag damit nerven. Das ist mein Beruf,
ich kann das verdammt gut und es macht mir sogar Spaß.

wenn so der alltag eines richters aussieht, dann kann ich die hinausgeschobenen verhandlungstermine verstehen.

p.s. das vg frankfurt (NVwZ 1982, 143) hat es folgendermaßen formuliert:

Eine Verläßlichkeit auf die höchstrichterliche Rechtsprechung und die Sicherheit, daß die Untergerichte davon nicht abweichen, kann im übrigen auch für die Entlastung der Gerichtsbarkeit und damit für einen effektiveren Rechtsschutz von Bedeutung sein.

Die Kammer hält sich deshalb an ein höchstrichterliches Judikat jedenfalls dann für gebunden , wenn dieses alle relevanten Gesichtpunkte berücksichtigt - auch dann, wenn diese Gesichtspunkte möglicherweise anders bewertet wurden, als die Kammer sie von sich aus bewertet hätte - und wenn keine konträren Entscheidungen desselben oder eines anderen obersten Bundesgerichts vorliegen oder über diese konträren Auffassungen der Große Senat des betreffenden Bundesgerichts oder der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes bereits entschieden hat (vgl. VG Darmstadt…).

Die Kammer folgt mit dieser methodischen Regel gewichtigen Stimmen aus der Literatur (vgl. Fikentscher, Methoden des Rechts IV, 1977, S. 241 ff.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 1967, S. 263 ff.; Hilger, in: Festschr. f. Larenz, 1973, S. 115). Demzufolge war das Feststellungsinteresse der Kl. zu bejahen.

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Das sieht das BVerfG anders (Beschluss vom 26.06.1991,
Aktenzeichen: 1 BvR 779/85): „Höchstrichterliche Urteile sind
kein Gesetzesrecht und erzeugen keine damit vergleichbare
Rechtsbindung. Von ihnen abzuweichen, verstößt grundsätzlich
nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG.“ (ebenso Beschluss vom
19.02.1975, Aktenzeichen: 1 BvR 418/71).

es ging um die abweichung des bag von seiner rspr. und es
heißt weiter:

Es bedarf deswegen nicht des Nachweises wesentlicher
Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen,
damit ein Gericht ohne Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG von
seiner früheren Rechtsprechung
abweichen kann.

der vorgänger in 1 BvR 418/71 bringt übrigens auch nichts
neues zu tage…

Ich dachte mir schon, dass Sie das anbringen. Die Antwortet lautet ganz einfach: Na und?

Das BVerfG hat einen ganz einfachen und ganz klar formulierten Rechtsgrundsatz aufgestellt, dass Rechtsprechung nicht Teil der Gesetzes- und Rechtsbindung iSd. Art. 20 Abs. 3 GG ist.

Wie ich schon zwei Beiträge vorher aufgezeigt habe, kommt es allein darauf an, welchen Rechtsgrundsatz das Gericht aufstellt, das ist der vorstehend zitierte, nicht darauf, worauf es ihn anwendet.

Sie begehen denselben Fehler, wie so viele andere, indem Sie auf den konkreten Sachverhalt, also die Subsumtion, und nicht auf den Obersatz abstellen. Genau so funktioniert es aber nicht.

Und aus eben diesem Grunde findet sich diese Entscheidung auch in der GG-Kommentar Literatur als Quelle dafür, dass die Rechtsprechung eben nicht hierunter fällt.

Erneut, der Rechtsgrundsatz des BVerfG ist eindeutig:

„Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Von ihnen abzuweichen, verstößt grundsätzlich nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG.“

Wenn Sie einen anderen abstrakt-generellen Grundsatz finden, dass das nur für die eigene Rechtsprechung gilt (und nicht nur einen Fall, in dem eben dies der Anlass für die Entscheidung war), dann her damit. Die inhaltliche Auslegung eines Rechtsgrundsatzes aufgrund des konkreten Sachverhaltes, auf den er angewendet wird, ist dogmatisch nicht möglich.

wenn so der alltag eines richters aussieht, dann kann ich die
hinausgeschobenen verhandlungstermine verstehen.

Sie kennen meinen Verhandlungskalender? Interessant, dann erzählen Sie uns allen doch mal, was da konkret drin steht.

p.s. das vg frankfurt (NVwZ 1982, 143) hat es folgendermaßen
formuliert:

Eine Verläßlichkeit auf die höchstrichterliche Rechtsprechung
und die Sicherheit, daß die Untergerichte davon nicht
abweichen, kann im übrigen auch für die Entlastung der
Gerichtsbarkeit und damit für einen effektiveren Rechtsschutz
von Bedeutung sein.

Die Kammer hält sich deshalb an ein höchstrichterliches
Judikat jedenfalls dann für gebunden
, wenn dieses alle
relevanten Gesichtpunkte berücksichtigt - auch dann, wenn
diese Gesichtspunkte möglicherweise anders bewertet wurden,
als die Kammer sie von sich aus bewertet hätte - und wenn
keine konträren Entscheidungen desselben oder eines anderen
obersten Bundesgerichts vorliegen oder über diese konträren
Auffassungen der Große Senat des betreffenden Bundesgerichts
oder der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes
bereits entschieden hat (vgl. VG Darmstadt…).

Die Kammer folgt mit dieser methodischen Regel gewichtigen
Stimmen aus der Literatur (vgl. Fikentscher, Methoden des
Rechts IV, 1977, S. 241 ff.; Kriele, Theorie der
Rechtsgewinnung, 1967, S. 263 ff.; Hilger, in: Festschr. f.
Larenz, 1973, S. 115). Demzufolge war das
Feststellungsinteresse der Kl. zu bejahen.

Diese Ansicht und das „sich für gebunden halten“ an die obergerichtliche Rechtsprechung aus Gründen der Rechtssicherheit und der Verfahrensökonomie teile ich völlig und praktiziere sie auch. Mit der Frage des tatsächlichen Inhalts und Anwendungsbereichs von Art. 20 Abs. 3 GG hat das freilich rein garnichts zu tun.

Sie habennämlich die Entscheidung gänzlich missverstanden und nicht erkannt, dass diese Ihre Ansicht gerade nicht wieder gibt. Denn das VG Frankfurt sieht sich fraglos gerade nicht rechtlich, bzw. sogar über Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich an die Bundesrechtsprechung gebunden, weil es sonst nicht dargelegt hätte, dass es sich gebunden „hält“ (also auch anders entscheiden könnte) und nicht erklärt hätte, warum es dieser Ansicht ist. Vielmehr bestätigt diese Entscheidung - und insofern vielen Dank, dass Sie sie angebracht haben - genau das Gegenteil Ihrer Auffassung. Denn wäre das VG der Ansicht, dass Recht iSd. Art. 20 Abs. 3 GG auch die Rechtsprechung der Bundesgerichte sei, hätte es einfach gesagt, dass es an diese Entscheidungen verfassungsrechtlich gebunden ist. Ein Gericht, dass jedoch darlegt, sich nur für gebunden zu „halten“ und - noch entscheidender - auch noch in den Entscheidungsgründen als Gründe hierfür Rechtssicherheit und Verfahrensökonomie anführt, erklärt umgekehrt, dass es verfassungsrechtlich überhaupt nicht gebunden ist, dem Bundesgericht aber dennoch aus anderen Gründen folgt (oder meinen Sie, die Gerichte schreiben auch sonst in die Urteile, dass sie sich bei Entscheidungen über z.B. Kaufpreisklagen an § 433 Abs. 2 BGB oder bei Verkehrsunfällen an § 7 Abs. 1 StVG gebunden halten und ihre Urteile aus Gründen der Rechtssicherheit und der Verfahrensökonomie auf diese Gesetze stützen? Ich denke, spätestens jetzt wird der entscheidende Unterschied zwischen Bindung und „für gebunden halten“ deutlich).

Im Übrigen müssten Sie einmal erklären, wie die Regelung des § 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO in Ihre Bindungstheorie reinpasst. Denn:

„Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Revision immer dann zuzulassen, wenn das Berufungsgericht von einer höherrangigen Entscheidung des BGH, des GmS-OBG, des BVerfG, des EuGH oder eines anderen obersten Bundesgerichts abweicht.“ (MüKo zur ZPO § 543 Rdn. 13).

Nach Ihrer Auffassung wäre diese Vorschrift völlig sinnlos, da das Gericht ja überhaupt nicht von der höherrangigen Entscheidung abweichen dürfte, weil es gem. Art. 20 Abs. 3 GG ja an diese gebunden wäre.

Gut auch erklärt bei Musielak ZPO § 543 Rdn. 8:

„Hierher gehören zunächst die Fälle der Divergenz im strengen Sinne, die nur dann gegeben ist, wenn in der angefochtenen Entscheidung ein die Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem tragenden abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung eines höherrangigen oder gleichrangigen anderen Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts abweicht. Eine bewusste Abweichung ist dazu nicht erforderlich; auch ein Rechtssatz, der in Unkenntnis entgegenstehender höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellt wird, kann die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefährden.“

Das höherrangige Gericht ist hier natürlich ganz überwiegend der BGH (da die Berufungskammer des LG aufgrund der umfangreichen Alleinzuständigkeiten der AGs regelmäßig über Sachmaterien entscheiden, die nie zum OLG kommen). Das Berufungsgericht muss also die Reivision zulassen, wenn es von der Rechtsprechung des BGH abweicht. Abweichen (iSd. zitierten Kommentierung) bedeutet natürlich nicht „ein verfassungswidriges Urteil fällen, da es durch Abweichung von der Rechtsprechung des BGH gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstößt.“ Genau das aber wäre der zwingende Schluss aus Ihrer These. Zudem steht am Ende, dass divergierende Entscheidung die Einheitlichkeit der Rechtsprechung „gefährden können“. Das meint also natürlich auch nicht, dass eine Abweichung von der BGH-Rechtsprechung verfassungswidrig wäre. Der BGH soll nur die, an sich völlig rechtmäßige, Entscheidung des Berufungsgericht vorgelegt bekommen, wenn diese von seiner bisherigen Rechtsprechung abweicht. Mit einer verfassungsrechtlichen inhaltlichen Bindung der Instanzgerichte an seine Urteile hat auch das rein garnichts zu tun.

Nochmal einfach: Jedes Gericht darf vom BGH abweichen. Handelt es sich aber um ein Berufungsgericht, muss es dann die Revision zulassen (aus der dann was auch immer wird), ein Verfassungsverstoß wegen inhaltlicher Bindung an die BGH-Rechtsprechung wird hieraus nicht. Der BGH darf dann die Entscheidung iRd. Revision aufheben und anders entscheiden oder zurück verweisen oder sie so lassen. Das aber nicht, weil das Urteil wegen Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 3 GG rechtswidrig wäre, sondern ganz einfach, weil die ZPO ihm als höheres Instanzgericht diese Befugnis zuspricht (so wie den Berufungsgerichten gegenüber den erstinstanzlichen).

Bin mal gespannt, was Ihnen jetzt wieder einfällt. Ich hoffe wirklich, Sie kommen jetzt nicht auf die Idee, dass das Gericht die Revision nach der Vorschrift deswegen zulassen muss, weil es eine verfassungswidrige Entscheidung treffen will (also quasi eine Regelung für die Rechtsmittelzulassung für das Gericht, wenn es schon weiß, dass es eine verfassungswidrige Entscheidung trifft, da es die Revision ja nach § 543 ZPO dann schon im Urteil selbst zulassen muss).

Nein, der Hintergrund ist natürlich der, dass Gerichte nun mal einfach nicht an Bundesrechtsprechung gebunden sind und auch jedes Berufungsgericht so entscheiden darf, wie es meint, dass das Gesetz sei, was zugleich bedeutet, dass es ganz anders entscheiden darf als der BGH. Dann aber muss es zugleich die Revision zulassen, damit der BGH das ggf. abändern kann, oder aber, und auch das gibt es häufig, seine Rechtsprechung ändert.

Womit wir beim nächsten Punkt wären. Denn ohne die Möglichkeit der Instanzgerichte, von der Rechtsprechung der Bundesgerichte abzuweichen, gäbe es nie eine Rechtsprechungsänderung (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO betrifft die Rechtsfortbildung, also die Fälle, in denen es noch gar keine BGH-Entscheidung gibt). Wenn der BGH einmal entschieden hat, dürfte nach Ihrer Theorie ein Berufungsgericht nie anders entscheiden und die Frage käme nie wieder zum BGH. Rechtsprechungsänderungen des BGH aufgrund zunächst abweichender LG und OLG Rechtsprechung sind jedoch Alltag, und das eben aus dem Grund, dass kein Gericht an Bundesrechtsprechung gebunden ist.

Jetzt mal ehrlich: Dass kein Instanzgericht über Art. 20 Abs. 3 GG an Bundesrechtsprechung gebunden ist, ist eine derartig grundlegende rechtliche Tatsache, dass ich auch nicht wirklich Lust habe, noch weiter hierüber zu diskutieren und auch noch weitere Rechtsprechung und Literatur rauszusuchen. Die übrigen Leser, die Sie hier vielleicht verwirrt haben, dürften das nun auch erkannt haben. Tun Sie sich und uns allen einen Gefallen, wenn Sie mir schon nicht glauben, dass es eine solche Bindung nicht gibt, dann fragen Sie bitte einen Rechtsanwalt, Richter oder sonstigen Juristen Ihrer Wahl, anstelle weiter Subsumtionen in Urteilen als Obersätze anzusehen oder Urteile zu zitieren, aus denen sich schon aufgrund der gerichtlichen Argumentation selbst ergibt, dass sie genau das Gegenteil aussagen, als dass, was Sie meinen (und auch das ist eine rein sprachliche und nicht juristische Verständnisfrage). Alternativ hilft auch einfaches Grundlagenlehrbuch.

Gruß
Dea