anstandslos - gut! beanstandungslos - bitte nicht!
Lieber Torsten,
an deinen Ausführungen ist zu beanstanden, dass du bei der Analyse der Wörter nicht genau genug geguckt hast.
Darum hier die drei, wie sie vom Großen Duden definiert werden:
_an|stands|los [zu älter Anstandÿ= Einwand, Aufschub; vgl. Anstand ( 2 )]: ohne weiteres; ohne Schwierigkeiten zu machen: etw. a. bezahlen, anerkennen, umtauschen.
be|an|stan|den, (österr. auch:smile: be|an|stän|den [zu veraltet Anstand( 2 )= Einwand, Aufschub]: als mangelhaft, als nicht annehmbar bezeichnen [u. zurückweisen, nicht akzeptieren]: eine Rechnung, eine Ware b.; der TÜV hat die Bremsen beanstandet; ich habe an ihrer Arbeit nichts zu b. (zu tadeln, zu kritisieren); der Kunde hat beanstandet, dass die Ware nicht ordnungsgemäß verpackt war.
An|stand, der; -[e]s, Anstände [mhd. anstand = Waffenstillstand; Aufschub, zu: an(e)stan = zum Stehen kommen; sich gehören; 2 : zu älter Anstand = Einwand, Aufschub]:
- gute Sitte, schickliches Benehmen: A. haben; keinen A. besitzen; das erfordert der A., ist gegen allen A.; etw. mit A. hinter sich bringen.
- (südd., österr.) Schwierigkeit, Ärger: Anstände bei der Zollkontrolle; es hat keinen A. gegeben; *[keinen] A. an etw. nehmen ([keinen] Anstoß nehmen, sich [nicht] an etw. stoßen): die Nachbarn haben an dem nächtlichen Lärm A. genommen.
- (Jägerspr.) Ansitz (1).
© Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2001_
Aus deinen Ausführungen entnehme ich, dass du die unterschiedliche Bedeutung von Anstand 1 und 2 nicht berücksichtigst und Anstand nur als den allgemein akzeptierten und anerkannten und geforderten, sittlich korrekten Verhaltensregeln entsprechend kennst und die zweite, zugegebenermaßen schon veraltende und, glaubt man dem Duden, fast nur noch in Süddeutschland allgemein bekannte Bedeutung unterschlägst.
Wenn ich etwas anstandslos oder beanstandungslos
– zu diesem Wort ist zu bemerken, dass es im Großen Duden nicht angeführt ist, was darauf deutet, dass es sich hierbei um eine regionale oder milieuspezifische, vielleicht gar individuelle Formbildung handelt; um eine dieser unnötig aufbauschenden Wortschöpfungen, mit denen manche „Schön“- und Vielschreiber und typische Schreibtischtäter in Ämtern und Behörden glauben, die deutsche Sprache beglücken zu müssen,
- tue, so ist an die zweite Bedeutung: Einwand, Widerstand zu denken. Und da sollte man sich davor hüten, die Bedeutung von Anstand 1 dem Anstand 2 unterzuschieben.
Beide Wörter bestehen selbstständig nebeneinander und habe ihre eigene Genese.
Der Anstand 1 im sittlich-moralischen Sinn hat sich aus der ganz konkreten Bedeutung: „das steht dir gut an“ in der Bedeutung, „das (Kleidungsstück) steht dir gut, passt dir gut“ entwickelt, indem man es auch auf menschliche Verhaltensweisen übertragen hat.
Anstand 2 als Einwand, Widerstand hat sich aus dem Verb „anstehen“ in der Bedeutung „zum Stehen kommen, warten, zögern“ entwickelt.
Vielleicht helfen diese Erklärungen, dein Unbehagen an den von dir beanstandeten „Ungenauigkeiten“ der deutschen Sprache zu lindern.
Gruß Fritz