keineswegs trivial
Hi Stucki
Das schwache AP hat dabei die Form: „Weil es in dieser Welt
Beobachter gibt, muß das Universum durch Gesetze regiert sein,
die die Existenz solcher Beobachter zulassen.“
Das starke Ap dagegen: „Eine Welt muß in ihren Gesetzen so
beschaffen sein, daß sie zu irgendeinem Zeitpunkt einen
Beobachter hervorbringt“
Was ist das? Philosophie? Naturwissenschaft?
Nun - Naturwissenschaftler, insbesondere Physiker, die mit Teilchenphysik und/oder Kosmologie befaßt sind, leihen sich die Vokabel „Philosophie“ gerne mal aus, ohne sich gründlich kundig zu machen. Aber das ist auch nicht so einfach, denn Philosophie hat und hatte immer ihre GESAMTE eigene Geschichte zum Gegenstand (im Unterschied zu den Naturwissenschaften), aber es ist schwierig, sich diese Geschichte in einer Wochenendlektüre reinzuziehen.
Zur Frage, „was eigentlich ist Philosophie“ hatte ich hier
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
mal was gepostet.
Da aber die gegenwärtigen Physiken genötigt sind, sehr gründlich einige Grundbegriffe neu aufzuarbeiten („Raum“, „Zeit“, „Realität“ bzw. „Existenz“, „Kausalität“, „Einzelding“, „Struktur“ und überhaupt zahlreiche erkenntnistheoretische Probleme) wäre ein Rückbezug auf phil. Traditionen manchmal höchst empfehlenswert. Denn die Phil. zeigt vor allem das, daß ALLE Begriffe eine Geschichte haben…
Dazu gehört eben auch das, was man unter dem Begriff „Viele-Welten-Theorie“ zusammenfassen könnte. Damit sind nämlich immer einige brisante logische Probleme verbunden, die man nicht mit der Rückhand bewältigen kann, es schleichen sich da sehr schnell bugs ein - und dann wird es tatsächlich trivial, oder es bleibt im Bereich bloßer Phantasie, die ja der Logik nicht verpflichtet ist - worin andererseits ihr Vorteil liegt… siehe dieses posting:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Mit dem Viele-Welten-Problem hat aber bereits Leibniz hervorragende Erfahrung gesammelt (man erinnert sich vielleicht an seinen Ausdruck, die vorhandene Welt sei die beste aller möglichen…). Und Schrödingers sog. Beobachter-Paradoxon (Ein Beobachter, der das GANZE Universum beobachtet, muß notwendigerweise auch sich selbst beobachten) gehört ebenfalls in die diesbezüglichen Vorläufer-Ideen.
Und die Idee des Anthropischen Prinzips hat etwas mit Viele-Welten-Problemen zu tun. Wie Thorsten ja schon schrieb, entsteht Erklärungsbedarf für die (vermutliche) Tatsache, daß das vorhandene Universum mit seinen besonderen Eigenschaften und überhaupt in seiner ganzen Existenz supersensibel von einigen Parametern abhängt (Naturkonstanten, Anfangsbedingungen, lokale Randbedingungen etc.). Wenn diese Parameter (insbesondere die Anfangsbedingungen) auch nur minimal anders (gewesen) wären, könnte das Universum überhaupt nicht existieren oder wäre zumindest von einer solchen Art, daß solche Naturprodukte wie die Welt beobachtende Menschen nicht existieren könnten.
Daraus folgt sofort die (absolut nicht mehr triviale) Fragestellung: wie kommt es, daß unter den unendlich vielen Möglichkeiten der primordialen Parametereinstellung für mögliche Universen ausgerechnet diese sich einstellten, die wir haben?
Da aber unter den physikalisch möglichen Universen nur eine Teilmenge überhaupt Eigenschaften hat, so zu sein und solange zu existierien, daß sich Wesen darin entwickeln, die eben dieses jeweilige Universum beobachten können, kann man folgenden Schluss
ziehen:
Ein Universum, in dem ein Beobachter existiert, der feststellt, daß ein Beobachter in ihm NICHT existieren kann, ist unmöglich.
Da aber in dem vorhandene Universum Beobachter existieren, muß notwendigerweise die Feineinstellung der Parameter SO sein, daß Beobachter existieren können, so daß wir sagen können: die Welt ist so, wie sie ist, WEIL wir feststellen, daß sie so ist, wie ist.
Das ist aber keineswegs mehr ein triviale Aussage. Denn man muß sie immer vor dem Hintergrund sehen, daß eine minimale Variation der Parameter dafür sorgen würde, daß in dieser Welt DIESER SATZ NICHT GESAGT WERDEN KÖNNTE.
Das ist im wesentlichen die Grundidee des Anthropischen Prinzips.
Zumindest des sog. „schwachen“ AP.
Das „starke“ AP scheint mir dagegen eine Kategorienverwechslung zu enthalten, aber das ist ein bißchen subtil und diffizil zu argumentieren: Es verwechselt möglicherweise den Begriff „Existenz des Universums“ mit dem Begriff „WISSEN von der Existenz des Universums“ bzw. „BEHAUPTUNG der Existenz des Universums“. Aber um das zu klären, muß man tatsächlich die Nase tief in die Philosophiegeschichte stecken…
Schönen Sonntag
M.G.