'Anthropische Prinzipien'

Im Brett „Naturwissenschaften allgemein“ und hier weiter unten („Schwarze Löcher“) kamen die so genannten „anthropischen Prinzipien“ von B. Carter, in einem Buch beschrieben/diskutiert von Barrow, Tippler, Wheeler, ins Gespräch. Metapher zitierte sie wie folgt:

Das schwache AP hat dabei die Form: „Weil es in dieser Welt Beobachter gibt, muß das Universum durch Gesetze regiert sein, die die Existenz solcher Beobachter zulassen.“

Das starke Ap dagegen: „Eine Welt muß in ihren Gesetzen so beschaffen sein, daß sie zu irgendeinem Zeitpunkt einen Beobachter hervorbringt“

Was ist das? Philosophie? Naturwissenschaft? Wenn ich ein streng wissenschaftsgläubiger Mensch wäre, würde ich sagen, das ist schliesslich von gestandenen (?) Leuten formuliert worden. Da ich aber kein Physiker und auch kein Philosoph bin, sondern Ingenieur, frage ich mich schon, ob nicht mindestens das schwache AP eine schlichte Plattheit ist, nach dem Muster: „Es gibt mich, also sind die Randbedingungen für meine Existenz gut!“ In die Richtung geht ja auch die Kritik, ja: der Verriss, des ersten Rezensenten auf der von Metapher genannten Amazon-Website zum Buch.

Hätte gerne mal ein paar Meinungen dazu.
Gruss, Stucki

Hi,

Das starke Ap dagegen: „Eine Welt muß in ihren Gesetzen so
beschaffen sein, daß sie zu irgendeinem Zeitpunkt einen
Beobachter hervorbringt“

Meines Wissens ist das so nicht ganz richtig formuliert. Die mir bekannte Form (von Hawking) lautet in etwa:
Von allen nach den Naturgesetzen moeglichen Universen leben wir ausgerechnet in einem derartigen das die Entwicklung von Beobachtern zulaesst, …
Ich hoffe ich habe es nicht falsch verstanden.

Was ist das? Philosophie? Naturwissenschaft?

Diese Begriffe waren urspruenglich nicht getrennt - genauso wenig wie Kunst und Handwerk.
Naturwissenschaft beschaeftigt sich nicht mit der Findung und Verbreitung von Wahrheit sondern mit der Entwicklung von theoretischen Modellen, die gewisse Beobachtungen erklaeren und nachpruefbare Prognosen treffen koennen. Da kommt ein Naturwissenschaftler nicht umhin, sich mit Philosophie, mindestens aber mit Erkenntnistheorie zu befassen … wenn er was taugt :wink:

das schwache AP eine schlichte Plattheit ist, nach dem Muster:

„Zirtkelschluss“ waere meiner Ansicht nach treffender als „Plattheit“.
Die Physiker, die mit dem AP argumentieren, sind darueber i.d.R. nicht gerade gluecklich und versuchen Theorien zu entwickeln, die das unnoetig machen.
Man kann nur das aktuelle Universum beobachten und vielleicht ein bischen in die Vergangenheit schauen. Daraus kann man dann gewisse Theorien entwickeln, die erklaeren, was man da sieht. Nach den meisten gaengigen Theorie, die ueberwiegend einen Urknall postulieren, ist es aber ein unfassbarer Zufall, dass das Universum so aussieht, wie es aussieht, und dass es die Existenz von Beobachtern erlaubt. Denn das Aussehen des Heutigen Universums haengt entscheidend vom Aussehen des Universums kurz nach dem Urknall ab. Wenn es sich zu diesem z.B. nur ein ganz kleines winziges bischen langsamer ausgedehnt haette, waere es schon lange wieder kollabiert. Wenn es ein bischen regelmaessiger gewesen waere, gaebe es vermutlich keine Sonnen, Galaxien und Planeten. Wenn es ein bischen weniger regelmaessig gewesen waere, waere alles voller schwarzer Loecher. Wieso war es genau so, wie es war. Physiker ziehen um das zu erklaeren meist entweder das AP oder einen Schoepfer (!) heran. Es wird aber an Theorien gearbeitet, nach denen die aktuelle Konfiguration des Universums eine sehr wahrscheinliche ist. Damit braeuchte man dann kein AP mehr.
Noch etwas interessantes dazu:
Der Urknall und schwarze Loecher sind Singularitaeten. Das heisst, das dort die momentan verwendeten „Naturgesetze“ zusammenbrechen (gewisse Groessen in den betreffenden Formeln werden unendlich und mathematisch nicht mehr handhabbar). Der Vatikan hat meines Wissens erklaert, dass die Urknalltheorie im Einklang mit der katholischen Lehre steht. Er hasst aber Theorien, die keine Singularitaeten enthalten (weil da kein Platz mehr fuer einen Schoepfer ist).

Das meiste was ich hier geschrieben habe ist von „A brief history of Time“ von S. Hawking gepraegt.

Gruss

Thorsten

keineswegs trivial
Hi Stucki

Das schwache AP hat dabei die Form: „Weil es in dieser Welt
Beobachter gibt, muß das Universum durch Gesetze regiert sein,
die die Existenz solcher Beobachter zulassen.“

Das starke Ap dagegen: „Eine Welt muß in ihren Gesetzen so
beschaffen sein, daß sie zu irgendeinem Zeitpunkt einen
Beobachter hervorbringt“

Was ist das? Philosophie? Naturwissenschaft?

Nun - Naturwissenschaftler, insbesondere Physiker, die mit Teilchenphysik und/oder Kosmologie befaßt sind, leihen sich die Vokabel „Philosophie“ gerne mal aus, ohne sich gründlich kundig zu machen. Aber das ist auch nicht so einfach, denn Philosophie hat und hatte immer ihre GESAMTE eigene Geschichte zum Gegenstand (im Unterschied zu den Naturwissenschaften), aber es ist schwierig, sich diese Geschichte in einer Wochenendlektüre reinzuziehen.

Zur Frage, „was eigentlich ist Philosophie“ hatte ich hier

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

mal was gepostet.

Da aber die gegenwärtigen Physiken genötigt sind, sehr gründlich einige Grundbegriffe neu aufzuarbeiten („Raum“, „Zeit“, „Realität“ bzw. „Existenz“, „Kausalität“, „Einzelding“, „Struktur“ und überhaupt zahlreiche erkenntnistheoretische Probleme) wäre ein Rückbezug auf phil. Traditionen manchmal höchst empfehlenswert. Denn die Phil. zeigt vor allem das, daß ALLE Begriffe eine Geschichte haben…

Dazu gehört eben auch das, was man unter dem Begriff „Viele-Welten-Theorie“ zusammenfassen könnte. Damit sind nämlich immer einige brisante logische Probleme verbunden, die man nicht mit der Rückhand bewältigen kann, es schleichen sich da sehr schnell bugs ein - und dann wird es tatsächlich trivial, oder es bleibt im Bereich bloßer Phantasie, die ja der Logik nicht verpflichtet ist - worin andererseits ihr Vorteil liegt… siehe dieses posting:

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Mit dem Viele-Welten-Problem hat aber bereits Leibniz hervorragende Erfahrung gesammelt (man erinnert sich vielleicht an seinen Ausdruck, die vorhandene Welt sei die beste aller möglichen…). Und Schrödingers sog. Beobachter-Paradoxon (Ein Beobachter, der das GANZE Universum beobachtet, muß notwendigerweise auch sich selbst beobachten) gehört ebenfalls in die diesbezüglichen Vorläufer-Ideen.

Und die Idee des Anthropischen Prinzips hat etwas mit Viele-Welten-Problemen zu tun. Wie Thorsten ja schon schrieb, entsteht Erklärungsbedarf für die (vermutliche) Tatsache, daß das vorhandene Universum mit seinen besonderen Eigenschaften und überhaupt in seiner ganzen Existenz supersensibel von einigen Parametern abhängt (Naturkonstanten, Anfangsbedingungen, lokale Randbedingungen etc.). Wenn diese Parameter (insbesondere die Anfangsbedingungen) auch nur minimal anders (gewesen) wären, könnte das Universum überhaupt nicht existieren oder wäre zumindest von einer solchen Art, daß solche Naturprodukte wie die Welt beobachtende Menschen nicht existieren könnten.

Daraus folgt sofort die (absolut nicht mehr triviale) Fragestellung: wie kommt es, daß unter den unendlich vielen Möglichkeiten der primordialen Parametereinstellung für mögliche Universen ausgerechnet diese sich einstellten, die wir haben?
Da aber unter den physikalisch möglichen Universen nur eine Teilmenge überhaupt Eigenschaften hat, so zu sein und solange zu existierien, daß sich Wesen darin entwickeln, die eben dieses jeweilige Universum beobachten können, kann man folgenden Schluss
ziehen:

Ein Universum, in dem ein Beobachter existiert, der feststellt, daß ein Beobachter in ihm NICHT existieren kann, ist unmöglich.

Da aber in dem vorhandene Universum Beobachter existieren, muß notwendigerweise die Feineinstellung der Parameter SO sein, daß Beobachter existieren können, so daß wir sagen können: die Welt ist so, wie sie ist, WEIL wir feststellen, daß sie so ist, wie ist.

Das ist aber keineswegs mehr ein triviale Aussage. Denn man muß sie immer vor dem Hintergrund sehen, daß eine minimale Variation der Parameter dafür sorgen würde, daß in dieser Welt DIESER SATZ NICHT GESAGT WERDEN KÖNNTE.

Das ist im wesentlichen die Grundidee des Anthropischen Prinzips.
Zumindest des sog. „schwachen“ AP.

Das „starke“ AP scheint mir dagegen eine Kategorienverwechslung zu enthalten, aber das ist ein bißchen subtil und diffizil zu argumentieren: Es verwechselt möglicherweise den Begriff „Existenz des Universums“ mit dem Begriff „WISSEN von der Existenz des Universums“ bzw. „BEHAUPTUNG der Existenz des Universums“. Aber um das zu klären, muß man tatsächlich die Nase tief in die Philosophiegeschichte stecken…

Schönen Sonntag
M.G.

Salü Stucki,
Zumindest sind wir hier in der Naturphilosophie. Aber immer stosse ich auf dieses „arrogante anthropozentrische Denken“. Ja glaubt man denn tatsächlich, dass irgend ein Wesen das Universum erschaffen hat, damit wir Menschen in Planung dahinein kommen.
Mit Sicherheit wird ja unsere Gattung und vieles mehr einmal untergehen. Das passt so gar nicht in eine geplante Ausgangs-Situation mit den so exakt abgestimmten Naturkonstanten. Was hält man denn vom Zufall und von allen möglichen Rückkoppelungen im Naturgeschehen. Der Mensch ist irgend ein Zufalls-Produkt und zufällig ist er auch in der Lage über sich selbst und über das Universum zu reflektieren. Es könnte auch ganz anders sein !
Mit Gruss : hardy

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