Antiautoritäre Erziehung, Waldorfkinder, Probleme?

Probleme mit antiautoritärer Erziehung - Waldorfkinder?

Wer kennt sie nicht, die kleinen Witzchen über die antiautoritär erzogenen Kinder. Geht ja immer wieder mal durch Bild und Funk.

Aber mal ernsthaft.
Haben solche Kinder später Probleme im Leben mit Autorität zu recht zu kommen? Sind Waldorfkinder dieser antiautoritären Erziehung ausgesetzt? Kennen sie wegen der nicht erlebten Autorität keinen Respekt? Ist das demnach eine zukunftsweisende kindgerechte Erziehung? Denn später muss es ja selbständig durch Leben kommen…

…arbeiten gehen und machen was der Chef sagt. Also sich unterordnen. Vorgegebene Zeiten einhalten; z.B. Mittag 30 Min; und nicht so lange wies halt dauert. Also sich einordnen in eine Gemeinschaft. Es gäbe noch viele andere Beispiele des Lebens und unserer Leistungsgesellschaft. Ist so ein Erwachsener nachher respektlos gegenüber jeder Autorität, die es ja tagtäglich im Leben gibt? Scheidet er für gewisse Berufsbilder gleich aus?

Der Volksmund sagt ja: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.
Ist es besser dem Kind Grenzen zu setzen und bei Überschreiten zu disziplinieren? Was nicht gleich heißt den Hintern zu versohlen, sondern auch mal 14 Tage Gummibärchenentzug. Statt dem Kind ausführlich zu erklären warum jetzt dieses Verhalten so unkollegial war. Es entspricht doch dem normalen kindlichen Heranwachsen seine Grenzen auszutesten…nur wenn es auf keine stößt?

Kann man überhaupt ohne jede Autorität erziehen? Wäre es die richtige Vorbereitung auf das Leben unserer heutigen Gesellschaft?

Vielleicht kennt jemand diese Problematik? Hat es selbst erlebt, als Eltern oder ist ein solches Kind.

Oder ist das ganze völlig aus der Luft gegriffen? Eigentlich ist ja am Volksmund immer irgendwas dran, weil irgend woher muss es doch kommen.

Vielen Dank vorab für euren Beitrag.

P.S. Welche Möglichkeiten gibt es noch sein Kind nicht auf die allg. Schule schicken zu müssen, weil die nicht den besten Ruf hat (wegen Gewalt, Deals, hoher Lehrerausfallzeiten, schlechter Ausstattung usw.)?

Hallo Jocky,
ich verstehe nicht, wie du „Waldorfkinder“ mit antiautoritärer Erziehung zusammen bringst. Da scheinst du einiges zu verwechseln.
Grüße
Ulf

Hallo!

Ich denke, das größte Problem sind die Pauschali(sie)rungen. Wer sagt denn, dass Waldorfkinder, antiautoritär erzogene Kinder keine Regeln kennenlernen? Auch diese Kinder dürfen nicht über „rot“ gehen, dürfen nicht die ganze Nacht wegbleiben wie sie möchten und dürfen anderen Menschen nicht den Schädel einschlagen. Sie unterliegen also auch gewissen Regeln. Der Unterschied: Sie stellen diese Regeln SELBST mit auf! Es wird abgeklärt, wie der Umgang untereinander auszusehen hat. Aber sie merken, dass sie keine schwachen Geschöpfe sind, die nun mal zu tun haben, was ihnen die „Autorität“ sagt, sondern sie merken, dass sie gehört werden und auch alles hinterfragen dürfen.
Und ich habe die Erfahrung gemacht (ich kenne ein paar „dieser“ Kinder), dass diese Kinder sich GERADE besser in Job u.ä. einfügen konnten. Gerade weil sie sich sonst sehr frei fühlen und eigenständig handeln können. Und sie verstehen viel eher, warum es diese oder jene Regeln gibt, gerade weil sie sie ihr Leben lang mit aufstellen durften.
Und immer diese „Vorbereitung“ auf das spätere Leben! Man kann sie doch ruhig ihre Kinderzeit genießen lassen, ohne zu viele Regeln und Gesetze. Das kommt doch früh genug! Ich sag doch auch nicht zu meinem Kind: „Jetzt mach mal meine Steuererklärung, das mußt Du später schließlich auch mal machen/Ich hau Dir jetzt mal eine rein, bestimmt kriegst Du später auch mal was in die Fresse, deshalb mußt Du Dich wehren können/Du stehst jetzt regelmäßig um 8 Uhr auf, Du mußt Dich daran gewöhnen, dass… und blablabla“.
Und Respekt lernen Sie GERADE dadurch. Weil ihnen selbst Respekt entgegengebracht wird. Vorbildfunktion.
Es kommt immer darauf an, was man möchte. Will ich, dass mein Kind ohne größere Probleme und Querelen den einfachsten Weg ohne Widerstand einschlägt und auf Autoritäten blind hört? Oder möchte ich, dass mein Kind nachdenkt, auch hinterfragt und ggf. Unannehmlichketen in Kauf nimmt? Dafür aber frei ist?
Und: Die Kinder/Jugendlichen,die ich kenne, die in der Pubertät so richtig „ausgebrochen“ sind, das waren die, die autoritär erzogen wurden und „gehorchen“ mußten - auch wenn sie nicht wußten weshalb.

Soviel kurz dazu, ich würde gerne noch viel mehr und strukturierter schreiben, aber ich muß mich um mein verwöhntes Kind kümmern :wink:

Lieben Gruß!
N.

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Hallo Jocki,

mit Waldorf-Einrichtungen kenne ich mich nicht aus. Aber ich bin davon überzeugt, dass kein Erzieher oder Lehrer ohne Vorgaben, Grenzen und Sanktionen auskommt. Sonst kann man sich Erziehungsarbeit gleich sparen.

Kann man überhaupt ohne jede Autorität erziehen? Wäre es die
richtige Vorbereitung auf das Leben unserer heutigen
Gesellschaft?

Ohne Richtungs- und Zielangaben kann man nicht erziehen, das hat noch nie funktioniert. Da Kinder von klein auf an neugierig sind, suchen sie nach Neuigkeiten und nach Grenzen. Erziehung ist anstrengend.

Auf das Wie im Beibringen kommt es an: Stillt man die Neugier der Kinder, indem man ihnen das lehrt, was sie interessiert oder man hält sich an einen Lehrplan und nutzt ihre ausgeprägte Lern- und Merkfähigkeit, indem man
ihnen soviel wie möglich beibringt. Dazu gibt es verschiedene Überzeugungen unter den forschenden Pädagogen.

Haben solche Kinder später Probleme im Leben mit Autorität zu
recht zu kommen? Sind Waldorfkinder dieser antiautoritären
Erziehung ausgesetzt? Kennen sie wegen der nicht erlebten
Autorität keinen Respekt? Ist das demnach eine
zukunftsweisende kindgerechte Erziehung? Denn später muss es
ja selbständig durch Leben kommen…

Es gibt Erwachsene, die nie in einer Waldorfschule waren, und schlicht und ergreifen teamunfähig sind. Meiner Ansicht nach haben solche Leute gar keine Erziehung erfahren.
Und es gibt viele ehem. Waldorfschüler, die ihren Weg ins Berufsleben erfolgreich gemacht haben, sonst würden diese Schule nicht mehr existieren (können).
Mir wäre nicht so sehr die von Dir beschriebene Obrigkeitshörigkeit als anzustrebendes Ziel wichtig, sondern es geht meiner Ansicht nach um die Entfaltung von rationaler und emotionaler Intelligenz, später mit dem erworbenen Knowhow sein Geld zu verdienen. Wenn nicht als Angestellter dann als Selbstständiger. Aber ohne Anpassungsfähigkeit kommt keiner aus.
Auf der anderen Seite ist Selbstbewußtsein im wahren Sinn des Wortes wichtig, nämlich die Fähigkeit seine Zweifel äußern zu können, zu wissen was man kann und was man nicht kann. Wann ist der Zeitpunkt für Alleingänge richtig und wann braucht man Hilfe… Verteufle die Waldorfschule nicht!

P.S. Welche Möglichkeiten gibt es noch sein Kind nicht auf die
allg. Schule schicken zu müssen, weil die nicht den besten Ruf
hat (wegen Gewalt, Deals, hoher Lehrerausfallzeiten,
schlechter Ausstattung usw.)?

Wenn ich mir eine Schule aussuchen könnte, dann würde ich mir deren Philosophie und Ideale genau anschauen, nämlich ob sie zu meinem Familienleben passen. Mir wären kleine Klassen wichtig, und die Fähigkeit der Lehrer auf verschiedene Lerntypen bzw. auf die Individualitäten von Kindern einzugehen. Ich würde nachfragen, was sie für den Klassenzusammenhalt tun, und mir die Menschen und die Stimmung in der Schule genau anschauen.
Es muss nicht eine Waldorf- oder Montessorischule sein, denn es gibt auch noch andere Privatschulen, die sich aus den verschiedensten Erziehungsidealen das herauspicken, welches sie erfolgreich umsetzen können.

Mit Grüßen
Reni

Hallo,

mit Waldorf-Einrichtungen kenne ich mich nicht aus.

Hat nichts mit anti-autoritärer Erziehung zu tun.

Aber ich
bin davon überzeugt, dass kein Erzieher oder Lehrer ohne
Vorgaben, Grenzen und Sanktionen auskommt.

Es gab mal einen. Der konnte das. A.S. Neill.

Sonst kann man sich
Erziehungsarbeit gleich sparen.

Nein, er konnte wirklich. Und hat erreicht, richtig gute Erwachsene aus seinen Schützlingen zu machen (zumindest nicht weniger als andere Erzieher).

Kann man überhaupt ohne jede Autorität erziehen?

Jetzt käme die wichtige Frage danach ,was Autorität eigentlich ist. Man kann ohne Strafen und Sanktionen erziehen. Aber man sollte Autorität haben.

Wäre es die

richtige Vorbereitung auf das Leben unserer heutigen
Gesellschaft?

Auch hier die Frage, ob man „für diese Gesellschaft“ überhaupt erziehen will.

Ohne Richtungs- und Zielangaben kann man nicht erziehen, das
hat noch nie funktioniert.

Ja. Aber was hat das mit anti-autoritärer Erziehung zu tun?

Da Kinder von klein auf an
neugierig sind, suchen sie nach Neuigkeiten und nach Grenzen.
Erziehung ist anstrengend.

Ja.
Auch anti-autoritäre Erziehung. Die etwas anderes ist als Laissez-faire.

Dem anderen, was du schreibst, kann ich nur zustimmen.

Gruß
Elke

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Hallo,

Haben solche Kinder später Probleme im Leben mit Autorität zu
recht zu kommen? Sind Waldorfkinder dieser antiautoritären
Erziehung ausgesetzt?

Nein, und nein.

Ich habe Waldorfkindergarten und neun Jahre Waldorfschule besucht, und bin weder antiautoritär erzogen worden, noch habe ich groß Probleme mit Autoritäten. Und ich kenne genug Leute, denen es ähnlich geht.

HTH,
Moritz

Hi Jocki, (

den kenn ich sogar–summerhill hiess das internat.
eine meiner schwestern hatte in den 70ern ein buch von dem gelesen und wahrscheinlich ihre 3 söhne so erzogen.
zwei von denen(31,34)sind ein wenig durch geknallt und haben immer noch nicht ihren weg gefunden.

1 Like

Hallo,

eine meiner schwestern hatte in den 70ern ein buch von dem
gelesen und wahrscheinlich ihre 3 söhne so erzogen.

Das möchte ich bezweifeln.
Das kann nur funktioniert haben, wenn sie ihre Söhne in eine Schule gegeben hat, die nach Summerhill-Prinzipien funktioniert hat (und davon gab es, soweit ich weiß, nur ein einziges).

Neill hat vielen Menschen Anregungen gegeben, aber viele dachten auch nur, dass sie nach seinen Ideen handeln und haben was ganz anderes gemacht (siehe in diesem Thread wieder mal die Missverständnisse über anti-autoritäre Erziehung). Meiner Meinung nach ist es unmöglich, Kinder nach der Summerhill-Methode zu erziehen, wenn man nicht entweder im Urwald, fernab jeglicher zivilisatorischer Zwänge lebt oder eben in einem Umfeld, dass diese Mehtode total unterstützt.

Gruß
Elke

Hallo Elke,

von dem Summerhill-Internat habe ich schon einmal gehört, aber der Name Neill war mir bislang unbekannt, weil ich mich damit noch nicht beschäftigt habe. Da habe ich gleich mal via Internet ein paar Stichpunkte über A.S.Neill nachgelesen.

Neill hat vielen Menschen Anregungen gegeben, aber viele
dachten auch nur, dass sie nach seinen Ideen handeln und haben
was ganz anderes gemacht (siehe in diesem Thread wieder mal
die Missverständnisse über anti-autoritäre Erziehung). Meiner
Meinung nach ist es unmöglich, Kinder nach der
Summerhill-Methode zu erziehen, wenn man nicht entweder im
Urwald, fernab jeglicher zivilisatorischer Zwänge lebt oder
eben in einem Umfeld, dass diese Mehtode total unterstützt.

vorkurzem war ich Begleiterin bei einer Studienseminarfahrt in Frankreich mit 43 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren. In einigen Situationen wären wir Aufsichtspersonen mit einem Mach-weiter-so fahrlässig gewesen, zum Beispiel als der Reisebus sich durch den französischen Verkehr kämpfte, und es einige Leute gab, die im Bus hin- und herlaufen mußten. Nicht auszudenken, was passieren hätte können, wenn der Bus hätte scharf bremsen müssen.
Es ging bei unserer Anordnung nicht um bequem oder umbequem sondern um Vorsicht und Vernunft.
Mit Grüßen
Reni

Hallo,

Es ging bei unserer Anordnung nicht um bequem oder umbequem
sondern um Vorsicht und Vernunft.

Ich bin kein Verfechter der Ideen von A.S. Neill. Zwar finde ich sie genial, aber wie woanders erwähnt, nur im Dschungel wirklich zu verwirklichen. Man muss Neills Ideen aber auch historisch betrachten und sehen, was für Schüler er in welcher Zeit und aus welchen Situationen kommend, anvertraut bekam.
Aber es geht bei Neill nicht wirklich um eine Anordnungs-freie Welt, sondern darum, dass die Kinder die Regeln selbst finden. STraßenverkehr ist aber genau eine der Situationen, in denen das Selbst-Finden von Regeln durch zu hohe Preise bezahlt werden muss.

Gruß
Elke

Den dritten Weg gehen
Hallo Jocki,

ich möchte nur auf deine Hauptfrage eingehen. Die Nebenschauplätze (Waldorf ist nicht das gleiche wie antiautoritär, Autorität bedeutet nicht dasselbe wie Machtausübung usw.) sind ja schon hinreichend erörtert.

Als deine Hauptfrage habe ich rausgelesen: Müssen Kindern Grenzen gesetzt werden, müssen sie diszipliniert werden, um in unserer Gesellschaft bestehen zu können oder nicht?

Dazu möchte ich vor allem eines klären: Es gibt sehr verschiedene Arten, Grenzen zu setzen. Meine Freiheit endet dort, wo deine beginnt, nicht wahr? Das müssen Kinder lernen, ja. Die Streitfrage, um die es geht, ist allerdings: Auf welche Art lernen sie das am besten?
Du denkst, es gibt nur zwei Wege: Entweder autoritär: Macht ausübend, disziplinierend, strafend. Oder antiautoritär: das Kind darf tun was es will und keiner setzt Grenzen.
Diese Sichtweise ist falsch. Es gibt durchaus noch einen dritten Weg. Wenn du dich mit diesem auseinandersetzen willst, empfehle ich dir die Bücher von Gordon (Familienkonferenz).
Auf diesem Weg wird völlig auf Machtausübung verzichtet.
Aber darf das Kind deswegen tun was es will? Nein!
Es wird dazu angeregt, Verantwortung zu übernehmen. Es wird klar auf die Folgen seines Tuns hingewiesen. Wenn es jemand anderen beeinträchtigt, dann wird das dem Kind sehr deutlich gesagt, und zwar so, dass das Kind die Chance bekommt, auf die Gefühle anderer Rücksicht zu nehmen.
Ich kann das hier alles nicht in ein paar Sätzen zusammenfassen, aber du kannst sicher sein: Mit dieser Methode kommen sowohl Eltern als auch Kinder zu ihrem Recht, und die Kinder lernen, sich verantwortlich und rücksichtsvoll in der Gesellschaft zu bewegen.
Und sie lernen es weit besser, als wenn es ihnen unter Druck, Zwang und Disziplinarmaßnahmen (getarnt als „Grenzen“) eingetrichtert wurde, weil sie auf diese Art ihre Selbstachtung behalten durften.
Ich kann dir nur empfehlen, einmal einen Kurs zu besuchen, in dem du das lernen kannst.

P.S. Welche Möglichkeiten gibt es noch sein Kind nicht auf die
allg. Schule schicken zu müssen, weil die nicht den besten Ruf
hat (wegen Gewalt, Deals, hoher Lehrerausfallzeiten,
schlechter Ausstattung usw.)?

Irgendeine Privatschule halt, notfalls auf ein Internat.

Alles Gute,

Julia

Hi,

hier eine kliene überschaubare Lektüre über Erziehungsstile.

http://potsdamer-koepfe.de/u/sozpol/Erziehungsstile.pdf

Marion

Hallo, Jocki!

Ein paar Worte zu deiner Kernfrage:

Kann man überhaupt ohne jede Autorität erziehen? Wäre es die
richtige Vorbereitung auf das Leben unserer heutigen
Gesellschaft?

Zur Erziehung lässt sich eines ganz grundsätzlich sagen, das alle Stile betrifft: Instruktive Erziehung ist nicht möglich.

Das bedeutet: Man kann keine Verhaltensänderung oder Wissen in jemanden hineingießen. Jeder kann nur aus sich selbst heraus Verhalten ändern bzw. Wissen aufbauen.

Was von außen geschehen kann ist, jemandem etwas zu zeigen, ihn etwas erfahren zu lassen, sie etws tun lassen. Dadurch dass dies jemand dann wahrnimmt, etwas fühlt/erfährt, es tut, bekommt er von der Welt Feedback, das ihn verändert.

Dazu kommt: Verhalten/Wissen kann nur begrenzt „abstrakt“, d.h. unabhängig von der konkreten, relevanten physischen/geistigen (Um)Welt sein. Verhalten/Wissen passt eigentlich immer nur zur Umwelt - nicht mehr, nicht weniger.

Was bedeutet das für die Erziehung? Menschen (und vor allem Kinder) sind immer so, wie es für sie passt. Ganz subjektiv und für andere oft nicht nachvollziehbar. Ein trotziges Kind verhält sich in der Trotzphase optimal im Hinblick auf seine bisherige Lebensgesamterfahrung. Ein rebellierender Teenager genauso. Auch ein hilfsbereites Kind.

Abgesehen von gewissen genetischen Dispositionen und somatischen Problemen, spiegeln gerade Kinder also ihre Umwelt wider. Das ist umso verwunderlicher, je weiter ihr Verhalten von dem durch ihre Umwelt erwünschten entfernt ist. Aber es ist deshalb nicht minder wahr. Angesichts der Unmöglichkeit zur Instruktion (d.h. direkten Einflussnahme), kann deshalb nur der Schluss gezogen werden, dass offensichtlich das Problem größer ist als das Kind. Nicht das Kind allein ist also „schuld“. Der Kreis der „Schuldigen“ ist größer: Familie, Schule, Freunde usw.

Was bedeutet das für Autorität? Wie soll ein Kind auf Autorität reagieren, auf Machtausübung? Die Autorität kommt ja nicht direkt ins Kinderhirn rein (keine Instruktion ist möglich!), sondern das Kind nimmt ein autoritäres Verhalten wahr und entscheidet sich für ein aus seiner Sicht passendes Verhalten. Dabei bewegt es sich immer im Kräfteverhältnis von Zugehörigkeitswunsch und Eigenständigkeitswunsch.

Wenn ein Kind unausgesetzt Autorität wahrnimmt, passt es sein Verhalten dem an. Wenn ein Kind unausgesetzt Antiautorität wahrnimmt, passt es sich dem auch an.
Wie diese Anpassung dann aussieht, ist recht offen und individuell verschieden - aber immer noch passend im Gesamtzusammenhang. Rebellion kann in beiden Fällen die Reaktion sein. Aber auch Unterdrückung der eigenen Wünsche (z.B. Wunsch nach Sicherheit bei antiautoritärer Erziehung).

Salopp gesprochen ist nun aber weder das eine noch das andere per se schlecht oder gut. Die Frage ist vielmehr, inwiefern entspricht die eine oder andere Grundhaltung in der Erziehung, d.h. beim Kind die häufige Wahrnehmung von Elternverhalten dem späteren Leben? (Ich lasse Fragen der Ethik hier mal aus dem Spiel.)

Ein Kind, das vor allem Autorität kennenlernt und dann in einer pluralistischen Gesellschaft ohne Autorität aufwächst… das muss komplett umlernen. Das ist schwierig.

Ein Kind, das vor allem antiautoritär erzogen wird und dann in eine Gesellschaft entlassen wird, wo die Freiheit des einen bei Beschränkung der Freiheit des anderen enden muss… das muss wohl auch umlernen. Das ist schwierig.

Erziehung sollte daher berücksichtigen:
-Kinder müssen ein Umfeld bekommen, das der späteren Gesellschaft ähnelt, um sie auf das Leben vorzubereiten.
-Kinder können nicht instruiert werden, sondern sie lernen durch Beispiel (abgucken/nachmachen/kopieren) und Erfahrung.
-Kinder können nicht „besser“ als ihr Umfeld sein. Sie sind Spiegel ihres Umfeldes und wenn es mit ihnen nicht klappt, dann ist zu fragen, was im Umfeld daneben geht. Kinderprobleme sind insofern immer Symptome für Erwachsenenprobleme.

Und wem das alles zuviel intellektuelles Gerede ist:

-Kinder brauchen liebevolle Zuwendung
-Kinder brauchen Freiraum für eigene Entwicklung - auch mal gegen die Ansichten der Eltern
-Kinder und Eltern brauchen Mut
-Kinder brauchen Grenzen
-Kinder brauchen Akzeptanz ihrer wachsenden Persönlichkeiten
-Kinder sind anders als Erwachsene - vor allem viel weniger intellektuell
-Eltern brauchen Grenzen
-Eltern brauchen Verantwortungsgefühl

Gruß von Calvin und Hobbes