Antike Literatur über das Christentum?

Hallo,

mich interessiert, wie Philosophen der Antike das Aufkommen des Christentums gesehen haben. Wisst ihr, ob es römische Autoren gab, die sich in jender Zeit in ihren Texten mit der „neuen“ Religion auseinandergesetzt haben? (außer Augustinus, der war auch später). Ich würde gerne etwas über das Christentum aus Sicht der Römer erfahren, als es noch nicht etabliert war. Kann mir jemand weiterhelfen?

Grüße, Jenna

Hi!

mich interessiert, wie Philosophen der Antike das Aufkommen
des Christentums gesehen haben. Wisst ihr, ob es römische
Autoren gab, die sich in jender Zeit in ihren Texten mit der
„neuen“ Religion auseinandergesetzt haben?

Meinst du sowas wie die beiden Briefe bei Plinius (Minor):
X 96: Anfrage des Plinius, damals (112) Statthalter in Bithynien, wie mit Leuten zu verfahren sei, die als Christen angezeigt wurden;
X 97: brieflichen Anweisung des Kaisers Trajanus.
Gruß!
Hannes

Hi Hannes,

Danke für diese Quellen; beide kannte ich vorher nicht.

Was ich genau suche, hattest du mich gefragt. Ich würde gerne wissen, wie die Römer (solche, die selbst noch nicht Christen waren) die christliche Religion gesehen haben. Ihre Bräuche beschrieben, die Bibel und die römische und christliche Religion verglichen haben.
Oder gibt es solche Texte gar nicht?

Grüße, Jenna

Da fällt mir auf Anhieb nur der „Octavius“ von Minucius Felix ein. Der ist zwar aus christlicher Sicht geschrieben, aber da es ein Dialog mit einem Heiden ist, fließen natürlich auch dessen Perspektiven mit ein. Ansonsten gibt es eben die üblichen eher beiläufigen Quellen: Sueton, Tacitus und den schon genannten Plinius.

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Hallo Armin,

danke für deinen Hinweis auf den „Octavius“. Wäre ich nie im Leben darauf gekommen. Hätte gar nicht gewusst, welche Stichwörter ich bei Google eingeben muss.
Falls es noch jemand anders interessiert (der sich den Text nicht kaufen möchte), hab eben schnell eine deutsche Übersetzung ergoogelt.

http://www.unifr.ch/bkv/kapitel393.htm

Nu bin ich ma gespannt!

Grüße, Jenna

Hallo Jenna,

Ich würde gerne
wissen, wie die Römer (solche, die selbst noch nicht Christen
waren) die christliche Religion gesehen haben. Ihre Bräuche
beschrieben, die Bibel und die römische und christliche
Religion verglichen haben.
Oder gibt es solche Texte gar nicht?

stell Dir mal die Welt im Jahr 3000 vor - nachdem um das Jahr 2300 Scientology weltweit zur unangefochten dominierenden Religion geworden ist. Fast alle Staaten der Erde (auf jeden Fall die mächtigsten und fortgeschrittensten) werden von Scientologen regiert; Ethics Officers legen in Gutachten fest, welche Literatur veröffentlicht werden darf und welche vernichtet werden soll - ggf. gleich zusammen mit deren Autor.

Da interessiert sich nun jemand dafür, wie Scientology im Jahr 2000 in Europa und den USA eingeschätzt wurde. Dummerweise existiert keine Literatur mehr von Autoren, die sich mit Scientology kritisch auseinandergesetzt haben (dreimal darf man raten, warum). Bestenfalls haben wir aus dieser Zeit Werke von Scientologen, die sich mit solcher Kritik auseinandersetzen und wo wir dann ein paar vereinzelte aus dem Zusammenhang gerissene Zitate finden, von denen wir nicht einmal wissen, ob sie überhaupt korrekt sind. Denkst Du, man könnte sich so ein korrektes Bild machen?

Genau so geht es uns mit antiker Literatur, die sich mit dem Christentum auseinandersetzt. Nicht nur mit der Literatur von Nichtchristen - auch die zahlreichen unterlegenen Strömungen des Christentums, also sog. ‚Häresien‘ wie Donatisten, Novatianer, Markioniten, Pelagianer, Eunomianer usw. usf. kennen wir nicht aus ihren eigenen Schriften, sondern nur aus den Polemiken ihrer ‚orthodoxen‘ Gegner. Die Literatur der Antike wurde in einem fast schon orwell’schen Ausmaß von mißliebigen Schriften gereinigt.

Wie verbreitet und fundiert die zeitgenössische Kritik am Christentum war, wissen wir schlicht und einfach nicht, weil die geschichtliche Überlieferung zensiert wurde. Wir kennen nur wenige prominente Kritiker. Noch am besten sind wir über die Kritk des platonischen Philosophen Celsus in seiner Schrift ‚Alethes logos‘ (Die Wahre Lehre, wahrscheinlich 178 erschienen) informiert. Die Schrift selbst wurde natürlich vernichtet, wir kennen nur die Entgegnung des Kirchenlehrers Origenes, die 248 erschien. Dass Origenes die Argumente des Celsus fair und sachlich darstellt, mag glauben, wer will … Falls doch, muss man sich schon fragen, warum sämtliche Exemplare von Celsus Schrift, deren man habhaft werden konnte, verbrannt wurden.

Anderes Beispiel: der Neuplatoniker Porphyrios (um 233 - 301/305) und seine Schrift ‚Contra Christianos‘ (‚Gegen die Christen‘). Diese Schrift hatte die Ehre, als erste antichristliche Streitschrift zum Objekt einer offiziell angordneten Bücherverbrennung zu werden - angeordnet von Kaiser Konstantin „dem Großen“ während des Konzils von Nicäa. Wir kennen ein paar bruchstückhafte Zitate aus ‚Entgegnungen‘ diverser Apologeten. Diese scheinen aber wenig überzeugend gewesen zu sein - jedenfalls ordneten 448 die Kaiser Theodosius II. und Valentinian III. jeweils für den ost- und weströmischen Reichsteil erneut die Vernichtung sämtlicher Exemplare an - diesmal erfolgreicher.

Noch ein Beispiel: Kaiser Flavius Claudius Iulianus (der sog. ‚Abtrünnige‘, ‚Apostata‘, 332 - 363) Schrift ‚Contra Galilaeos‘ (Gegen die Galiläer). Eine partielle und zweifelhafte Rekonstruktion ist nur durch die ‚Widerlegung‘ des Kirchenlehrers Cyrillos von Alexandrien möglich.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Tychiades,

danke, dass du mir geantwortet hast. Ich habe jetzt eine Ahnung, wie es in der Zeit damals gewesen sein muss.
Deine Analogie zu Scientology hat mir geholfen, die Zusammenhänge besser zu verstehen. Aber wollen wir mal hoffen, dass dies nicht die Zukunft der Menschheit ist. Ein Gott sollte keinen Geld von seinen Kindern nehmen.

Schöne Grüße, Jenna