Zunächst einmal gibt es bei den venationes (‚Tierhetzen‘, besser: Jagden) drei Typen zu unterscheiden. Außer dem Kampf von Tier gegen Tier natürlich (wie der Name ‚Jagd‘ schon sagt) der Kampf Mensch (bestiarii oder venatores) gegen Tier und schließlich die Hinrichtung von (ad bestias) verurteilten Verbrechern, die ebenfalls bestiarii genannt wurden.
Im Unterschied zu den Gladiatoren gab es für die professionellen Tierkämpfer keine festgelegte Bewaffnung. Von breiten Lederbändern, die Arme und Beine schützten, über Brustpanzer oder Schulterpanzer (wie der galerus der retiarii) bis hin zum Kettenhemd. Letzteres vor allem bei venatores, die mit einem Schwert an Stelle eines Jagdspießes bewaffnet waren, also in den ‚Nahkampf‘ gehen mussten. Ad bestias Verurteilte waren unbewaffnet und entsprechend chancenlos. Es gab allerdings auch professionelle Tierkämpfer, die mit bloßen Händen töteten – wie, ist nicht ganz klar.
Die venationes entwickelten sich im ersten vorchristlichen Jahrhundert aus Tierschauen/ Zurschaustellung privater Menagerien. Cäsar (der auch einmal 500 Legionäre gegen 500 Elefanten antreten ließ, nachdem Pompeius gaetulische Jäger (Berber) öffentlich 20 Elefanten abschlachten ließ) machte Furore, als er in Rom als erster eine Giraffe zeigte. Augustus hatte einen Privatzoo von etwa 3500 Tieren – gemessen an späteren Imperatoren war das noch bescheiden.
Tierschauen und dann venationes waren ursprünglich das Vormittagsprogramm zu den am Nachmittag stattfindenden Gladiatorenkämpfen (ich muss da immer an die ‚children’s matinee‘ in ‚the Life of Brian‘ denken). Sie wurden erst mit steigender Popularität (und Blutrünstigkeit) Teil des Hauptprogrammes.
Das ‚Material‘ wurde zur Republikzeit durch Vermittlung der Provinzmagistrate von Händlern und Tierfängern in den Provinzen besorgt. Der Bedarf war enorm, er führte zur Ausrottung des Elefanten in der Provinz Africa (bei Elefanten war die Paarung mit dem Rhinozeros beliebt) und zur starken Dezimierung des Berberlöwen. Der Berberlöwe (neben dem ebenfalls ausgestorbenen Kap-Löwen die größte Löwenrasse) war beliebt in der Paarung mit dem Kaspischen Tiger oder Turantiger – beide waren in etwa dieselbe Gewichtsklasse.
In der Kaiserzeit wurde zunehmend das Militär zur Beschaffung von Tieren eingesetzt, etwa die in Gemania inferior stationierte Legio I Flavia Minervia zum Fang von Braunbären. Ob Germanien, Afrika oder Vorderasien - es wurden bevorzugt Jungtiere gefangen, weil deren Transport einfacher war und sie speziell für die venationes abgerichtet werden konnten. ‚Kooperationsunwillige‘ Tiere wurden vor dem Kampf gereizt (etwa durch Schläge oder Lanzenstiche), was die Aufgabe der magistri (‚Tierpfleger‘) war, die ggf. auch unwillige Tiere durch brennendes Stroh aus den Käfigen in die Arena trieben. Eine sichere Methode, die Tiere dazu zu bringen, sich gegenseitig anzufallen, war es, sie mit einer kurzen Kette aneinander zu fesseln. Die ‚Notschlachtung‘ der schwerverletzten Tiere besorgten confectores.
Die Quellen sind sehr verstreut und in erst in der Summe ergiebig. Angaben finden sich bei fast jedem zeitgenössischen Autor (Cicero, Juvenal, Martial, Seneca, Sueton, Tacitus usw. usf.) was die Bedeutung der Spiele in der öffentlichen Kultur Roms verdeutlicht.
Eine populärwissenschaftliche Darstellung der Spiele (einschließlich der venationes) bietet Alan Baker, The Gladiator, Ebury Press, London 2000 (ISBN 0091886546 Buch anschauen). Eine deutsche Übersetzung erschien 2002 bei Goldmann als Taschenbuch unter dem Titel ‚Gladiatoren‘ (ISBN 3442151570 Buch anschauen). Das Standardwerk zum Thema ist Roland Auguet, Cruauté et civilisation, Flammarion, Paris 1970. Eine englische Übersetzung (Cruelty and Civilization) erschien 1994 bei Routledge in New York (ISBN 041510453X Buch anschauen). Der ‚Klassiker‘ moderner Geschichtsschreibung zu diesem Thema ist natürlich Michael Grants 1967 erschienenes ‚Gladiators‘ (New York, Barnes and Noble Books, ISBN 1566199581 Buch anschauen).
Freundliche Grüße,
Ralf