Antisense-Technik in der Gentherapie

Hallo !

Ich habe das Gefühl, dass ich bei der (theoretischen)Beschäftigung mit der Antisense-Technik eher verwirrter als schlauer werde … Aber bestimmt gibt es hier kluge Köpfe, die da mehr Durchblick haben als ich !?

Eigentlich dachte ich, mir wäre alles klar, und zwar hatte ich das Beispiel der Anti-Matsch-Tomate (Flavr-Savr - oder so) im Kopf: hinter das entsprechende Gen baut man ein DNA- Fragment mit umgekehrter Basenfolge ein, so dass aber noch der gleiche Promotor wirkt wie für das erste Gen. Wird das erste transkribiert, so geschieht gleiches auch mit dem Antisense-Gen, die komplementären RNA’s lagern sich zusammen und nix-ist mit der Translation.

Dann kam der erste Gedankenknoten: Wie integriert man das DNA-Fragment eigentlich so präzise ? Es muss ja in ALLEN Zellen des Organismus vorhanden sein - also muss die Pflanze vegetativ aus einer Kallus-Kultur einer derart manipulierten Zelle gezogen werden - und ich würde vermuten, dass man es in diese Zelle mit agrobacterium tumefaciens (oder wie der sich jetzt schreibt…) integriert hat - was anderes würde mir nicht einfallen.
Problem daran: So ein Bakterium integriert das Plasmid doch IRGENDWO in der DNA, und wohl nicht grade hinter dem gesuchten Gen und dem Promotor ?
„Per Hand“ wird das ja wohl auch nicht gehen …
Das Einzige, was ich mir jetzt noch vorstellen könnte wäre das Schrotschuss-Verfahren - zig-tausend Kallus-Kulturen und da, wo die Tomaten nicht matschen, hat`s dann wohl geklappt ?

Noch undurchsichtiger wird mir das Verfahren dann beim Menschen, beispielsweise bei der Krebs-Bekämpfung.
Es wird auf manchen internet-Seiten von „Antisense-Präparaten“ gesprochen.
Ich schließe daraus, dass der Betroffene ständig Spritzen mit Mitteln bekommt, welche die komplementäre RNA enthalten und man hofft, dass diese in alle Körperzellen aufgenommen wird und eben „da ist“, wenn das unerwünschte Gen transkribiert wird.
Liege ich da richtig ?
Häufig wird in derartigen Texten aber von DNA-Fragmenten (auch einsträngig) gesprochen - welchen Sinn macht das ? Erstens dürfte Hybridisierung doch nicht ganz so gut klappen, und zweitens werden die weniger schnell abgebaut als die RNA - oder ist das Sinn und Zweck -> dass der RNA-Strang abgebaut wird und der DNA-Strang ein zweites Mal zur Verfügung steht ?

Außerdem könnte man ja mit dieser Technik den Krebs mit nichten heilen, sondern nur das Weiterwuchern der Zellen behindern, oder ?

Ok, jetzt der dritte Teil der Frage:
Ich habe bezüglich der Krebsbehandlung noch von zwei weiteren Methoden gehört, die mir schleierhaft sind (es handelt sich hier um Bekämpfung der Leukämie):

a) Entnahme von Tumorzellen, Behandlung dieser mit Antisense-Molekülen, danach zurück mit den Zellen in den Körper

b) Knochenmarkszellen werden dem Patienten entnommen, mit einem Virus infiziert, dem das Antisense-Gen eingebaut wurde, Kultivierung dieser Zellen und dann Injektion zurück ins Rückenmark.

Ein Bekannter hat mir das neulich in einer alten Abitur-Aufgabe gezeigt und wir haben beide nicht wirklich was damit anfangen können.
Was zum Teufel soll denn mit a) bewirkt werden ??? Doch nur, dass DIESE Zellen nicht wuchern - aber dann muss man sie doch auch nicht zurück in den Körper geben - was soll das ? Denn der Formulierung nach wird ja nicht mal ein Gen eingebaut, sondern nur ein Präparat mit komplemetären Einzelsträngen injiziert.

Auch b) würde für mich nur einen Sinn machen, wenn gleichzeitig die amok-laufenden anderen Zellen entfernt werden könnten - oder ?

Jedenfalls bin ich froh, dass ich kein Abi mehr machen brauch und und solche Aufgaben präsentiert bekomme !
Freue mich aber nichts-desto-trotz auf alle Antworten und bin sehr gespannt !!!

Viele Grüße,
Britt

Hallo!

Bisher habe ich damit auch fast nur theoretische Erfahrungen. Unsere AG hat aber angefangen, verschiedene Antisensetherapien für Tumore bei Mäusen zu entwickeln.
Zu Pflanzen kann ich überhauptnichts sagen, weil mir da der Hintergrund fehlt. Aber was Du für die Tomate beschreibst, das wäre bei der Maus directed gene targeting und mit homologer Rekombination bei embryonalen Stammzellen zu machen. Ob man homologe Rekombination auch bei Pflanzen machen kann, keine Ahnung.

Noch undurchsichtiger wird mir das Verfahren dann beim
Menschen, beispielsweise bei der Krebs-Bekämpfung.

Da gibt es unterschiedliche Ansätze.

Es wird auf manchen internet-Seiten von „Antisense-Präparaten“
gesprochen.
Ich schließe daraus, dass der Betroffene ständig Spritzen mit
Mitteln bekommt, welche die komplementäre RNA enthalten und
man hofft, dass diese in alle Körperzellen aufgenommen wird
und eben „da ist“, wenn das unerwünschte Gen transkribiert
wird.
Liege ich da richtig ?

Begrenzt. Jedenfalls Tiere zeigen RNA Interferenzmechanismen über siRNA oder micro RNA. Da wird einzelsträngige RNA in Proteine gebracht, die zusammen mRNAs aktiv abbauen können oder die Translation oder sogar die Transkription stoppen können. Dieser Mechanismus ist teilweise selbstverstärkend und dadurch bei C.elegans sogar vererbbar.

Häufig wird in derartigen Texten aber von DNA-Fragmenten (auch
einsträngig) gesprochen - welchen Sinn macht das ?

Ein Beispiel könnte es sein, die DNA als Vektor zu nutzen, so dass short hairpin RNAs (das sind die, die danach RNA Interferenz machen) abgschrieben werden. Warum auch einzelsträngige DNA? Da bin ich gerade überfragt. Als Antisense Technik (bevor RNA Interferenz bekannt war) wurde zumindest in der Forschung normalerweise nicht DNA genommen sondern von DNA abgeleitete Moleküle, die stabiler sind wie Morpholino Ansense Moleküle. Manche Forscher setzen die noch immer ein, weil RNA Interferenz unspezifischer sein kann als Morpholinoantisense.

Außerdem könnte man ja mit dieser Technik den Krebs mit
nichten heilen, sondern nur das Weiterwuchern der Zellen
behindern, oder ?

Ähm, man kann mit Antisensetechniken Gene ausschalten, die die Krebszellen brauchen, um zu wachsen oder zu überleben. Beides sind sehr angestrebte Ziele. Außerdem sind viele Tumore von Wachstumssignalen abhängig und sterben sonst. Ein Ziel der Krebstherapie ist es auch, mit dem Krebs leben zu können durch leichter verträgliche Medikamente. Such mal im Netz nach Imatinib. Das ist eine der „topselling“ drugs.

Ok, jetzt der dritte Teil der Frage:
Ich habe bezüglich der Krebsbehandlung noch von zwei weiteren
Methoden gehört, die mir schleierhaft sind (es handelt sich
hier um Bekämpfung der Leukämie):

a) Entnahme von Tumorzellen, Behandlung dieser mit
Antisense-Molekülen, danach zurück mit den Zellen in den
Körper

Das könnte dazu dienen, das Immunsystem (erst gegen die entnommenen Zellen und dann auch) gegen die anderen Tumorzellen scharfzumachen.

b) Knochenmarkszellen werden dem Patienten entnommen, mit
einem Virus infiziert, dem das Antisense-Gen eingebaut wurde,
Kultivierung dieser Zellen und dann Injektion zurück ins
Rückenmark.

Sicher ins Rückenmark? Nicht ins Knochenmark? OK, was das jetzt speziell gegen Krebs bringen soll, erschließt sich mir gerade nicht.
Da würde ich erstmal lesen wollen, was da genau steht.
Gentherapie von Krebs, auch durch Antisense (u.a. durch Viren), kann an unterschiedlichen Stellen angreifen. An Immunzellen oder deren Vorläufern, den Stromazellen um die eigentlichen Tumorzellen, an den Endothelzellen oder den Tumorzellen selbst.

Bevor ich da mehr zu sagen kann, würde ich die Abiaufgabe lieber ganz genau lesen wollen.

Gruß, Stefan

Hallo Britt,

Problem daran: So ein Bakterium integriert das Plasmid doch
IRGENDWO in der DNA, und wohl nicht grade hinter dem gesuchten
Gen und dem Promotor ?

genau so ist es. Und das wurde tatsächlich mit A. tumefaciens gemacht. Die cDNA wurde in Antisense-Richtung zwischen einen Promotor und einen Terminator in ein Plasmid kloniert, der wurde in Agrobakterien gebracht und damit wurden dann Tomatenpflanzen infiziert.

Es ist überhaupt nicht erforderlich, das Antisense-Gen auf Teufel komm raus direkt hinter das herunterzuregulierende Gen (PG = Polygalacturonase) zu kleben. Es genügt, das Antisense-Gen samt eigenem Promotor irgendwo zu integrieren, optimalerweise nicht gerade in einem anderen Gen, das durch die Insertion zerschossen würde. Der Promotor (CaMV35S des Blumenkohlmosaikvirus) bewirkt dann, dass das Antisense-Gen konstitutiv exprimiert wird und sofort silencen kann, sobald die Sense-RNA transkribiert wird. Alternativ kann auch der PG-Promotor verwendet werden, dann wird die Antisense-RNA zum gleichen Zeitpunkt (reifungsspezifisch) und je nach Insertionsstelle (Positionseffekte) etwa in gleichem Maß wie die Sense-RNA transkribiert. Meinen Quellen zufolge wurde aber der 35S-Promotor verwendet. Das Antisense-Gen braucht übrigens kein Vollängengen zu sein. Ein Fragment von 730 Nukleotiden (_Hinf_I-Fragment), das noch einen kurzen untranslatierten Bereich enthält, genügt bereits.

Im WWW gibt es aber tatsächlich Seiten, die das so schildern, wie du es gesagt hast. Denen ist meines Erachtens nicht zu trauen. Verlässliche Quellen findest du beispielsweise hier:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7803691?ordinalpo…
http://www.nature.com/nature/journal/v334/n6184/abs/…
http://www.freepatentsonline.com/5413937.html

LG
Huttatta