Aphorismus Nietzsche

Hi!
Ich würde mal gerne eure Meinung zu diesem Textausschnitt hören.
Der Aphorismus ist von Nietzsche ( Menschliches Allzumenschliches)

Der Erfolg heiligt die Absichten.— Man scheue sich nicht, den Weg zu einer Tugend zu gehen, selbst wenn man deutlich einsieht, dass nichts als Egoismus—also Nutzen, persönliches Behagen, Furcht, Rücksicht auf Gesundheit, auf Ruf oder Ruhm—die dazu treibenden Motive sind. Man nennt diese Motive unedel und selbstisch: gut, aber wenn sie uns zu einer Tugend, zum Beispiel Entsagung, Pflichttreue, Ordnung, Sparsamkeit, Mass und Mitte anreizen, so höre man ja auf sie, wie auch ihre Beiworte lauten mögen! Erreicht man nämlich das, wozu sie rufen, so veredelt die erreichte Tugend, vermöge der reinen Luft, die sie atmen lässt, und des seelischen Wohlgefühls, das sie mitteilt, immerfort die ferneren Motive unseres Handelns, und wir tun dieselben Handlungen später nicht mehr aus den gleichen gröbern Motiven, welche uns früher dazu führten.— Die Erziehung soll deshalb die Tugenden, so gut es geht, erzwingen, je nach der Natur des Zöglings: die Tugend selber, als die Sonnen- und Sommerluft der Seele, mag dann ihr eigenes Werk daran tun und Reife und Süssigkeit hinzuschenken.

Diesen Satz würde ich als Kernaussage herausstellen, wie deutet ihr ihn?
"Die Erziehung soll deshalb die Tugenden, so gut es geht, erzwingen, "

Hi Schaffender
Obgleich Nietzsche zu meinen Lieblingsphilosophen gehört, finde ich den von Dir vorgestellten Text ziemlich nichtssagend. Da gibt es unter seinen Aphorismen aber hundertmal geistreichere, mit Verlaub.
Gruß,
Branden

Die Erziehung soll deshalb die Tugenden, so gut es geht,
erzwingen, je nach der Natur des Zöglings:

Hallo, Carsten,
ja, Recht hat er.

Denn nicht anders als durch Lob, Belohnung,

also Nutzen, persönliches Behagen, Furcht, Rücksicht
auf Gesundheit, auf Ruf oder Ruhm

… wird man Erziehungsziele erreichen. Wenn er das „erzwingen“ nennt, so sehe ich das nicht einmal allzusehr negativ. Vielleicht hätte er „herbeizwingen“ schreiben sollen um noch mehr zu verdeutlichen, dass wir nicht nur durch negative sondern auch durch positive (wenn auch egoistische) Anreize dazu motiviert werden das Richtige zu tun und es auch noch als befriedigend zu empfinden.

Gruß
Eckard

Die Meinung teile ich sogar weitgehend, aber ich soll halt gewisse Stellen bearbeiten und diese gehört dazu. Außerdem kannst du auch gerne andere passende Aphorismen von Nietzsche vorstellen. Ich habe einen im Kopf in dem er sagt, dass die Tugenden Werkzeuge sein sollen. Ich weiß aber nicht mehr wo ich das her hab. Zarathustra?

Im Zarathustra sind ja einige von Nietzsches Weisheiten in petischer Form, die er zuvor eher in Prosa oder in Aphorismen gegossen hatte.
Wo das mit den Tudenden als Werzeugen noch auftaucht, bin ich im Moment überfragt, aber hier einer meiner Lieblings-Aphorismen:
Der Enttäuschte spricht. Ich suchte nach großen Menschen, ich fand immer nur die Affen ihres Ideals.
Gruß,
Branden

Hab die Stelle gefunden, sie war auch in Menschliches Allzumenschliches

Du sollst Herr über dich werden, Herr auch über die eigenen Tugenden. Früher waren sie deine Herren; aber sie dürfen nur deine Werkzeuge neben andren Werkzeugen sein. Du sollst Gewalt über dein Für und Wider bekommen und es verstehen lernen, sie aus- und wieder einzuhängen, je nach deinem höheren Zwecke. Du sollst das Perspektivische einer jeden Wethschätzung begreifen lernen.

Ne schöne Stelle habe ich auch noch im Zarathustra gefunden:

Das euer Selbst in der Handlung sei, wie die Mutter im Kinde ist: das sei mir euer Wort von Tugend !

Gruß Der Schaffende

Hallo DS,

Der Erfolg heiligt die Absichten.

und

Diesen Satz würde ich als Kernaussage herausstellen, wie
deutet ihr ihn?
"Die Erziehung soll deshalb die Tugenden, so gut es geht,
erzwingen, "

IMHO meint Nietzsche hier lediglich:

„Gewöhne Dich an Disziplin, egal wie …“

was er aber vielleicht noch nicht so klar sieht -
sondern zeitgemäß mit eigenartigen Floskeln
umschreibt :wink:

Er ahnt vielleicht in dieser Schaffensperiode
schon, dass ein „Werk“ nur durch Disziplin zu
erreichen ist. Wen wunderts? :wink:

Später wird er sich über seine Formulierungen
lustig machen:

... ich bin sogar eine Gegensatz-Natur zu der Art
Mensch, die man bisher als tugendhaft verehrt 
hat.
 (Ecce Homo)

und herausstellen, dass „Tugend“ auch nur einen
sonderbarer Begriff darstellt.

 Ich widerlege die Ideale nicht, ich ziehe bloss
 Handschuhe vor ihnen an … Nitimur in vetitum: 

Mein Senf,

Grüße

CMБ

wäre Nietzsche nicht ein Verächter des normalen Menschen gewesen, könnte man ihn als den Vorläufer der heutigen „Autonomen“ sehen…-)
Friedhelm

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Nietzsches Flucht vor Stirner ?
Hallo,

Du sollst Herr über dich werden, Herr auch über die eigenen
Tugenden. Früher waren sie deine Herren; aber sie dürfen nur
deine Werkzeuge neben andren Werkzeugen sein. Du sollst Gewalt
über dein Für und Wider bekommen und es verstehen lernen, sie
aus- und wieder einzuhängen, je nach deinem höheren Zwecke.

Klingt sehr wie ein Beleg zu einer neueren, allerdings ziemlich
unkonventionellen Studie, wonach Nietzsches Philosophieren und sein
schliesslicher Zusammenbruch ihre Wurzel in seiner Flucht vor den
Ideen Stirners hatten: http://www.lsr-projekt.de/nietzsche.html
Obiges Zitat als Verwurstung von Stirners Figur des „Eigners“.

wäre Nietzsche nicht ein Verächter des normalen Menschen
gewesen, könnte man ihn als den Vorläufer der heutigen
„Autonomen“ sehen…-)

Du meinst aber doch nicht die anarchoiden Grüppchen von „Autonomen“,
sondern die modernen, westlichen Massenmenschen, oder ?

Servus
Nescio

Hallo,

Du sollst Herr über dich werden, Herr auch über die eigenen
Tugenden. Früher waren sie deine Herren; aber sie dürfen nur
deine Werkzeuge neben andren Werkzeugen sein. Du sollst Gewalt
über dein Für und Wider bekommen und es verstehen lernen, sie
aus- und wieder einzuhängen, je nach deinem höheren Zwecke.

Klingt sehr wie ein Beleg zu einer neueren, allerdings
ziemlich
unkonventionellen Studie, wonach Nietzsches Philosophieren und
sein
schliesslicher Zusammenbruch ihre Wurzel in seiner Flucht vor
den
Ideen Stirners hatten:
http://www.lsr-projekt.de/nietzsche.html

Danke für den Link nach Stirner:
http://www.lsr-projekt.de/nietzsche.html#k2.

Obiges Zitat als Verwurstung von Stirners Figur des „Eigners“.

wäre Nietzsche nicht ein Verächter des normalen Menschen
gewesen, könnte man ihn als den Vorläufer der heutigen
„Autonomen“ sehen…-)

Du meinst aber doch nicht die anarchoiden Grüppchen von
„Autonomen“,

genau an die dachte ich. :wink: Vielleicht, weil ich in solcher Wohngemeinschaft mal Zettelchen mit ähnlichen Nietzschezitaten an den Wänden gesehen habe.

sondern die modernen, westlichen Massenmenschen, oder ?

Diese Normalmenschen heute - ohne Vorzeichen - sind für mich das Interessanteste, was ich erleben kann. In der rapiden Umbruchzeit heute, wo die alten Begriffe nicht mehr recht passen, muß sich jeder, ob Papst, Präsident, Manager, Arbeitnehmer, Vater, Mutter oder Kind seine jeweilige Sicht selbst irgendwie zurechtfummeln, ohne sie schon formulieren zu können. Hier in Pankow vielleicht etwas dramatischer als z.B. in Köln oder Paris. Eine gewisse Anfälligkeit für neue Wörter und Begriffe ist da ganz normal, d.h. verständlich.

ganz herzlich
Friedhelm

wäre Nietzsche nicht ein Verächter des normalen Menschen
gewesen, könnte man ihn als den Vorläufer der heutigen
„Autonomen“ sehen…-)
Friedhelm

naja die Liste der Gruppierungen, welche sich Nietzsche auf die Fahnen geschrieben haben, um samit sonnst was rechtzufertigen ist so lang wie auch widersprüchlich
"Anarchisten, Feministen, Nazis, religiöse Sektiker, Sozialisten, Marxisten, Vegetarier, Avantgardekünstler, Anhänger der körperlichen Ertüchtigung sowie Erzkonservative und das sind längst noch nicht alle…

Wenn man nen einzelnen Aphorismus rausreißt und diesen dann nach seiner Ideologie deutet, ist das gar kein Problem.

Hier ist noch ne wirklich gute Nietzscheseite:
http://www.virtusens.de/walther/

wäre Nietzsche nicht ein Verächter des normalen Menschen
gewesen, könnte man ihn als den Vorläufer der heutigen
„Autonomen“ sehen…-)
Friedhelm

naja die Liste der Gruppierungen, welche sich Nietzsche auf
die Fahnen geschrieben haben, um samit sonnst was
rechtzufertigen ist so lang wie auch widersprüchlich
"Anarchisten, Feministen, Nazis, religiöse Sektiker,
Sozialisten, Marxisten, Vegetarier, Avantgardekünstler,
Anhänger der körperlichen Ertüchtigung sowie Erzkonservative
und das sind längst noch nicht alle…

ist schon klar! Andererseits, wer ist heute nicht von Hegel, Feuerbach, Marx, Weber, Nietzsche oder auch Papst Johannes, Mutter Theresa beeinflußt; und diese Liste läßt sich ebenfalls verlängern.

Wenn man nen einzelnen Aphorismus rausreißt und diesen dann
nach seiner Ideologie deutet, ist das gar kein Problem.

Hier ist noch ne wirklich gute Nietzscheseite:
http://www.virtusens.de/walther/

Danke für den Link!
ganz herzlich
Friedhelm