Apportieren vs.Jagen

Hallo,

unser ca. zweijähriger Mischling apportiert mit Leidenschaft Stöckchen.
Gleichzeitig hat er aber auch eine, nun ja, deutliche Jagdleidenschaft.

Man kann einerseits feststellen, dass das Apportieren ihn vom Jagen ablenkt, weil er beschäftigt ist. Andererseits, fördert es nicht auch sein Interesse, sich schnell bewegenden Objekten zuzuwenden?

Immer will man den Hund bei einem Spaziergang ja auch nicht „bespielen“.
Wo liegt der Mittelweg?

Herzlichen Dank für Tipps
aqua~alta

Hallo,

wenn der Hund sauber apportiert, hast du im Prinzip ein gutes Mittel, um den Jagdeifer des Hundes unter Signalkontrolle zu bringen. Schwierig ist hingegen, wenn du Dinge wirfst, hinter denen der Hund herrennt und sie dann aufnimmt und damit rumrennt. Damit befriedigt er sich letzten Endes selbst und du förderst tatsächlich seine Bereitschaft zum Hetzen.

Der erste Schritt wäre also, dem Hund beizubringen, dass alles, was mit Jagen zu tun hat, unter deinem Kommando zu erfolgen hat. Nimmt der Hund z.B. selbstständig Stöcke auf und schleppt sie mit, solltest du das sofort unterbinden.

Vorgehen könntest du so:
Apportieren ist eine Handlungskette (Apportel finden, aufnehmen, bringen und abgeben). Handlungsketten baut man immer von hinten auf, was bedeutet, dass dein Hund als erstes lernen muss, alles widerspruchslos auszugeben, was er im Maul hat. Gleichzeitig lernt er auch, Beutegegenstände im Maul zu behalten, bis das Kommando (z.B. „Aus“ erfolgt).

Der nächste Schritt wäre das Bringen. Du setzt den Hund ab, gibst ihm den Beutegegenstand ins Maul, entfernst dich ein Stück und rufst ihn. Daraufhin muss er mit dem Gegenstand im Maul zu dir düsen. Das ist übrigens oft der schwierigste Teil der Ausbildung, da viele Hunde nicht gerne einen Gegenstand ins Maul nehmen und halten, ohne dass sie ihn vorher „gejagt“ haben. Ob er sich nach dem Herbringen vor dich hinsetzen muss oder nicht, kannst du entscheiden, ich rate dazu. Das Kommando hierfür ist dasselbe, das du später auch fürs Apportieren an sich verwendest (z.B. „Brings“).

Nun hast du also Bringen und Ausgeben gefestigt. Als Letztes folgt das Aufnehmen des Apportels.

Dazu setzt (einfacher ist: legst) du den Hund neben dir ab. Anfangs angeleint, damit du ihn festhalten kannst. Dann wirfst du den Gegenstand, wobei der Hund liegen bleiben muss. Steht er auf, legst du ihn wieder hin. Nur wenn er ruhig liegt, gibst du ihn schließlich frei und schickst ihn mit „Brings“ los.

Ist die Kette sauber aufgebaut, wird er nun den Gegenstand aufnehmen, postwendend zu dir kommen und warten, bis du „Aus“ sagst.

Was du nie tun solltest ist, deinem Hund hinterherzulaufen, wenn er mit dem Gegenstand um dich rumrennt. Solange er das tut, besteht Beutekonkurrenz, bei der der Hund das Bestreben hat, seine Beute vor dir zu sichern. Gleichzeitig ist das ein Dominanzspiel, bei dem der Hund gewinnt. Der Hund MUSS lernen, das Apportel direkt und widerspruchslos bei dir abzugeben.

Vor Stöckchen würde ich übrigens grundsätzlich abraten. Ich habe schon einige übel verletzte (z.T. mit Todesfolge) Hunde gesehen, die sich einen schief aufgenommenen Stock versehentlich beim Rennen in den Rachen gerammt haben. Zudem ist das Risiko höher, dass der Hund „Selbstbedienung“ betreibt. Verwende lieber eine Beißwurst (die meisten Nicht-Jagdhunde bevorzugen weiche vor harten) oder einen Futterbeutel.

Schöne Grüße,
Jule

Hallo Jule,

ganz herzlichen Dank für deine auführiche Anleitung.

Ich habe tatsächlich die Handlungkette genau anders herum aufzubauen ersucht.

Stöckchen gibt er gerne ab, aber den gefüllten Futterbeutel nicht (zwei wurden schon zerfetzt). Hier ist es für ihn vermutlich besser, wenn ich ihm einen „neutralen“ Gegenstand anbiete?
Stöckchen (die mir auch nicht geheuer sind) trägt er tatsächlich gerne mit ich herum, beim Futterbeutel tut er das nicht.

Er hat einen heißgeliebten Gummiknochen. Würde ich diesen beim Neuaufbau der Handlungkette ausschließlich für dieses Bewegungsablauf benutzen und beim Spazierengehen dann mitnehmen?

Nochmal Danke für deine Anregungen.

Herzliche Grüße
aqua

Hallo,

Stöckchen gibt er gerne ab, aber den gefüllten Futterbeutel nicht (zwei wurden schon zerfetzt).

Das sieht nach einem Rangproblemchen aus :smile:. Ressourcen, die einen hohen Wert für ihn haben, gibt er nicht an dich ab. Stöcke, die haufenweise zu haben sind, stellen kein Problem dar. Möglicherweise handelt es sich auch noch um Stöcke, die er von sich aus angeschleppt hat. Damit hätte er es dann auch noch geschafft, das Spiel zu bestimmen.

Hier ist es für ihn vermutlich besser, wenn ich ihm einen „neutralen“ Gegenstand anbiete?

Eher im Gegenteil. Ich würde beim Futterbeutel bleiben und dabei nicht zulassen, dass er ihn sichert.

Das kannst du in der Wohnung üben: Hund anleinen, damit er sich nicht verselbstständigen kann und die Leine am besten um deinen Bauch binden, damit du beide Hände frei hast. ZWEI möglichst identische Futterbeutel haben. Wenn du einen neuen dazu kaufst, musst du den möglicherweise erst ein wenig mit Futter einsauen, damit er interessant genug riecht. Das „Maulgefühl“ sollte möglichst identisch sein, es ist nicht gut, wenn der Hund einen Futterbeutel lieber mag als den anderen. Zur Not gleich zwei identische Neue kaufen.

Hund einen Futterbeutel ins Maul geben. Der Hund wird vermutlich versuchen, ihn zu sichern, kann aber wegen der Leine nicht weg. Nun kommt der zweite Futterbeutel ins Spiel: Du zeigst ihm den Hund und wenn er den ersten loslässt, sagst du „Aus“ und gibst ihm sofort den zweiten. Diesen Beutetausch wiederholst du drei-viermal, beim vierten „Aus“ öffnest du gleichzeitig den Futterbeutel, den du gerade hast und lässt den Hund daraus fressen (Futterbeutel dabei nicht hergeben, Futter gibts NUR von dir).

Das machst du ein-zweimal am Tag. Wenn der Hund bereitwillig den Futterbeutel sofort ausspuckt, kommt der nächste Schritt: Der ist davon abhängig, ob der Hund bereits „Sitz und Bleib“ beherrscht und ob er es kennt, dass er beim Gerufenwerden vor dir absitzt. Wenn nein musst du erst das üben (ohne Futterbeutel im Maul). Tipp: Zum Üben immer die Leine dran machen, damit er nicht die Erfahrung macht, dass er abhauen kann. Kommt er nicht aufs erste Mal, einfach per Leine ranholen, Loben, „Sitz“ sagen, loben, füttern (aus dem Futterbeutel).

Klappt das, kriegt er nun beim Sitzen den Futterbeutel ins Maul und du rufst ihn ab. Von Anfang an darauf achten, dass er den Futterbeutel bis zu dir trägt. Wenn er ihn unterwegs ausspuckt, brichst du die Übung ab und wiederholst die Übung. Futter gibts nur, wenn er den Beutel bis zu dir getragen und dort abgegeben hat.

Mit dem Klicker geht das Ganze auch prima, aber dazu solltet ihr beide schon ein wenig Erfahrung damit haben.

Schöne Grüße,
Jule

2 Like

Hallo! Mischling=aus was? (Jagdhund?) cu kai

Hallo Jule,

„Sitz“, „Platz“ und Abrufen (ohne Jagdobjekt) klappen hervorragend und auch unser Üben mit „Sitz“ aus der Entfernung fruchtet so langsam :wink:

Ich könnte vielleicht den ganzen Belohnungsmechanismus auf den (die) Futterbeutel umstellen? Momentan flippt er schon rum, wenn ich den Futterbeutel nur mit rausnehme.

Vielen Dank! Ich werde das Tauschen ausprobieren.

Herzliche Grüße
aqua

Hallo Kai,

Fewawi heißt die Rasse, glaube ich :wink:

Er sieht aus wie ein zu groß geratener Jack Russell mit Labrador-Brust. Ich denke, es ließen sich so einige andere genetische Rasseschnipsel bei ihm nachweisen…

Er ist kein „leidenschaftlicher“ Jäger und kehrt nach wenigen Minuten zu mir zurück. Aber sobald sich etwas im Gebüsch regt, schaut er nach.

Die bekannten jagdproblematischen Stellen beim Spazierengehen lassen sich durch das Stöckchen-Spielen mitunter entschärfen.

Nur möchte ich eben seine Aufmerksamkeit durch „falsches“ Spielen nicht verstärken.

Lieben Dank für dein Interesse
aqua

Hallo,

Er ist kein „leidenschaftlicher“ Jäger und kehrt nach wenigen Minuten zu mir zurück.

Um Wild zu beunruhigen und während der Setz- und Brutzeit Muttertiere von ihren Kindern zu trennen, reicht das.

Aber sobald sich etwas im Gebüsch regt, schaut er nach.

Der Weg zum Hetzen, wenn das „Etwas“ wegrennt, ist ein kurzer.

Die bekannten jagdproblematischen Stellen beim Spazierengehen lassen sich durch das Stöckchen-Spielen mitunter entschärfen.

Ich würde an diesen Stellen eine Leine bevorzugen. Je öfter ein Hund die Erfahrung macht, dass er ungehindert „nachschauen“ gehen kann, desto größer das Risiko, dass er irgendwann halt doch fündig wird und hetzt.

Ich persönlich finde es sinnvoller, mit einem Hund, der Interesse am Jagen zeigt - und das tut deiner - das Apportieren in unverfänglichen Situationen zu festigen, um eventuell für den Fall der Fälle, wo man überrascht wird, ein Hilfsmittel an der Hand zu haben. Dort, wo man mit Gefahr rechnet, würde ich ihn einfach anleinen.

Schöne Grüße,
Jule

Die bekannten jagdproblematischen Stellen beim Spazierengehen lassen sich durch das Stöckchen-Spielen mitunter entschärfen.

Ich würde an diesen Stellen eine Leine bevorzugen. Je öfter
ein Hund die Erfahrung macht, dass er ungehindert
„nachschauen“ gehen kann, desto größer das Risiko, dass er
irgendwann halt doch fündig wird und hetzt.

Wir schaffen es mittlerweile, problemlos an diesem bekannten Wäldchen vorbei zu kommen. Ich kenne das Verhaltensmuster jetzt auch ein bisschen. Auf fremden Strecken habe ich ihn genau dann an der Leine!

Ich persönlich finde es sinnvoller, mit einem Hund, der
Interesse am Jagen zeigt - und das tut deiner - das
Apportieren in unverfänglichen Situationen zu festigen, um
eventuell für den Fall der Fälle, wo man überrascht wird, ein
Hilfsmittel an der Hand zu haben.

Genau so versuche ich das momentan. Den unkritischen Teil läuft er frei, wir üben dort in kleinen Portionen das Apportieren. Am Wäldchen schleuse ich ihn vorbei mit seiner Freude am Zurückbringen des, naja bisher, Stöckchens.

Wir haben gerade den Futterbeutel dabei gehabt. Er hat ihn die ganze Zeit getragen und… erstmal drauf gepinkelt:smile:

Wir werden noch ein bisschen üben müssen.

Lieber Gruß
aqua

Besitzansprüche
Hallo aqua,

Wir haben gerade den Futterbeutel dabei gehabt. Er hat ihn die ganze Zeit getragen und… erstmal drauf gepinkelt:smile:

Wäre er ein Mensch hätte er dir den Stinkefinger gezeigt und gesagt: „Damit das klar ist: Das ist MEINS!“ Die nächste Stufe ist übrigens, dass er dich anknurrt, wenn du es haben willst.

Heißt: NICHT mehr tragen lassen. Der Hund kriegt die Beute NUR dann, wenn ihr damit arbeitet. Ihm alleine gehört absolut gar nichts mehr. Sonst kannst du das Training knicken - und mittelfristig auch jeglichen Gehorsam.

Ich vermute stark, dass dein Hund auch jetzt bereits nur dann sofort gehorcht, wenn er grade nichts Besseres zu tun hat.

Wir werden noch ein bisschen üben müssen.

Das denke ich auch :smile:. Vor allem solltest du an der richtigen Stelle ansetzen.

Schöne Grüße,
Jule

Hallo Jule,

Wir haben gerade den Futterbeutel dabei gehabt. Er hat ihn die ganze Zeit getragen und… erstmal drauf gepinkelt:smile:

Wäre er ein Mensch hätte er dir den Stinkefinger gezeigt und
gesagt: „Damit das klar ist: Das ist MEINS!“

zu seiner Entschuldigung muss ich sagen, dass genau in dem Moment ein anderer Hund entgegen kam, dem diese Geste meiner Meinung nach gegolten hat. Während des Spaziergages hat er den Beutel immer wieder zu mir gebracht und mich auch, allerdings in freudiger Erwartung des Werfens, aufnehmen lassen.

Die nächste Stufe
ist übrigens, dass er dich anknurrt, wenn du es haben willst.

Wir haben wie du beschrieben hast (bisher noch ohne zweiten Beutel bis ich in die Stadt komme)im Garten geübt. Der Beutel wurde zunächst mal eingebuddelt. Er ließ sich ihn dann aber problemlos abnehmen.
Ich habe ihm den Beutel ein paar mal gegeben, der wurde geschüttelt, nach ein paar mal „Aus“ aber abgelegt. Nun gut, das ist bei weitem noch nicht perfekt.

Heißt: NICHT mehr tragen lassen. Der Hund kriegt die Beute NUR
dann, wenn ihr damit arbeitet.

Ja, wir werden das erstmal nur in Haus und Garten weiterüben.

Ich vermute stark, dass dein Hund auch jetzt bereits nur dann
sofort gehorcht, wenn er grade nichts Besseres zu tun hat.

Nein, dass ist zum Glück nicht so.
Wir machen auf unseren Spaziergängen häufig Aufmerksamkeitsübungen („Stopp“, „Kehr um“ oder ich bleibe einfach stehen und warte auf Reaktion, „sitz“, „Platz“ sowieso zu allen Gelegenheiten auch ohne Ansage), die auch vor dem Mauseloch immer besser funktionieren. Ich habe vor ca. 6 Wochen mit dem Clickern begonnen, was uns bei diesen Übungen wirklich weiter gebracht hat.

Wir werden noch ein bisschen üben müssen.

Das denke ich auch :smile:. Vor allem solltest du an der richtigen
Stelle ansetzen.

Ich werde mich bemühen :wink:
Grüße
aqua