Wir achten bei uns in der Firma stark auf Nachhaltigkeit und versuchen das auch bei Dienstleistern mitzudenken. Jetzt steht ein Wechsel bei der Büroreinigung an, und da kam die Frage auf, ob „nachhaltige Gebäudereinigung“ überhaupt realistisch ist. Hat jemand Erfahrung damit? Kann man als Reinigungsfirma wirklich ressourcenschonend arbeiten oder ist das nur ein nettes Schlagwort? Klar, im Büro geht vieles vielleicht mit milden Reinigungsmitteln, aber wie schaut’s aus bei härteren Verschmutzungen? Bin gespannt auf Einschätzungen aus der Praxis. Danke euch schon mal!!
Sicher wäre das möglich.
Du musst nur eine solche Firma finden und dann ist es eine Frage des Preises. Ganz billig wird das nicht.
Was verstehst Du unter „mild“?
Ja, natürlich geht das und natürlich gibt es Anbieter für Reinigungsdienstleistungen (Beispiel), die diesen Markt bedienen. Die Frage ist halt nur, ob es die bei Euch in der Nähe gibt und ob am Ende nicht doch - wie so oft - der Preis das ausschlaggebende Kriterium ist.
Selbstverständlich ist das realistisch. Ihr seid ja nun nicht die Einzigen, für die das Thema ein relevanter Faktor ist. Ich war schon vor 20 Jahren an der Einführung eines Umweltmanagementsystems nach EMAS in einer Uniklinik beteiligt. Da gehört der Komplex Facility Management und Reinigung zu den Top Themen. Kein Unternehmen, das solche Systeme einführt, kommt aus, ohne auch gesicherte Nachweise zu haben, dass die Dienstleister “sauber” (sic!) sind. Vor 20 Jahren ist das noch über Einzelnachweise, Dokumentation, Kontrolle gelaufen, weil es tatsächlich schwierig war, zertifizierte Dienstleister zu finden. Das ist schon seit einigen Jahren anders.
Es gibt einige Label, an dem man sich orientieren kann. Neben dem genannten EMAS, ein europäisches Umweltmanagementsystem, quasi der Mercedes unter den Systemen (wird auch eher von großen (auch Reinigungs-)Unternehmen praktiziert, gibt es noch das EU Ecolabel und den blauen Engel mit etwas anderen Schwerpunkten. Außerdem noch die DIN EN ISO 14001 als internationales Umweltmanagementsystem aus der DIN ISO-Reihe. Wenn man nach diesen Labeln guckt, hat man schon mal einen ersten Anhaltspunkt. Wenn einem die Sache wichtig ist, sollte man auf irgendeine dieser Zertifizierungen achten, weil nur die einigermaßen Gewähr liefern, dass da auch gelegentlich einer von außen mal drauf guckt und das nach echten Standards abläuft.
Was das Thema Ressourcen Schonung und “milde” Mittel angeht, ist mir das aus der genannten Erfahrung vor 20 Jahren schon nachhaltig (sic) in Erinnerung. Natürlich gibt es ökologische und nicht ökologische Reinigungsmittel. Aber man grundsätzlich sagen, dass, egal welches Reinigungsmittel, die Devise Viel hilft viel nicht taugt. Auch die Temperatur spielt eine Rolle. So greifen zu viel oder zu scharfe Reinigungsmittel auch Oberflächen an und sind auch deshalb nicht sinnvoll und nachhaltig. Zu hohe Temperaturen sind nicht nur unökologisch, sondern auch deshalb schlecht, weil die Reinigungsmittel auf eine bestimmte Temperaturzone optimiert sind. Wer zu hohe Temperaturen verwendet, bekommt also sogar u.U. schlechtere Reinigungswirkung. Kleine Tipps auch für den eigenen Haushalt.
Die Wahl vernünftiger Reinigungsmittel ist eigentlich weniger eine des Preises, sondern dass man nur darauf achtet und sich mit der Anwendung auch unter ökologischen Aspekten auskennt. Der Preis der ja nun weit überwiegend am Faktor Arbeit hängenden Dienstleistung wird eher darüber bestimmt, ob auch soziale Standards eingehalten werden. Wer ein Reinigungsunternehmen nur nach dem günstigsten Preis aussucht, übernimmt quasi zwangsläufig die Verantwortung dafür, dass es Defizite an dieser Stelle gibt. Es ist möglich, diese Standards zu verletzen, auch wenn man teuer ist. Es ist aber unmöglich, diese Standards einzuhalten, wenn man sehr billig ist.
Noch ein paar Stichworte, auf die es u.a. noch ankommt: Hygiene sollte immer auch eine Rolle spielen. Denn Hygiene und Nachhaltigkeit stehen in enger Wechselbeziehung, positiv so wie negativ korrelierend. Wasser. Eine blöde Kiste ist der Einsatz von Microfasern. Die sind ökologisch in dem Sinne, dass sie helfen, drastisch Wasser und u.U. sogar vollständig Reinigungsmittel zu reduzieren, aber kacke wegen Mikroplastik. Das Thema kann man mal ansprechen, um zu testen, wie so ein Unternehmen drauf ist. Ansonsten noch Umgang mit Abfall.
Wow, danke für euren Input. Was ich unter mild verstehe? Ich meinte damit weniger „nur mit warmem Wasser drüber“, sondern eher Reinigungsmittel, die Oberflächen nicht angreifen, keine aggressiven Tenside haben und sparsam dosiert werden können. Dass Temperatur und Dosierung so einen massiven Einfluss auf Reinigungswirkung UND Nachhaltigkeit haben, war mir wirklich nicht bewusst. Der Hinweis mit „viel hilft viel“ funktioniert nicht – trifft wahrscheinlich auf die Hälfte der Haushalte zu, die Badezimmerspray wie Scheuermilch benutzen.
Dein Beuspiel klingt ganz spannend. Ich bin allerdings aus Österreich (Raum Wien). Bin heute mal über Blitzblank gestossen, vielleicht hat damit ja jemand anders schon konkret Erfahrung gemacht? Ich glaub der Preis ist meinem Arbeitgeber relativ egal, solang sie wirklich umsetzen, was sie versprechen und man sich nicht auf mehrere Jahre verpflichtet haha. Preis ist halt leider oft das erste Ausschlusskriterium, aber wie du sagst: Sehr billig und trotzdem nachhaltig & fair wird schwierig bis unmöglich. Ich glaub, das ist letztlich das, was man intern auch vermitteln muss, wenn man nachhaltige Reinigung durchsetzen will:
Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur bessere Mittel, sondern faire Arbeitsbedingungen + Ausbildung + vernünftige Abläufe.
Ich hatte ehrlich gesagt nicht auf dem Radar, dass es im Bereich Facility Management schon so weitgehende Standards gibt. Vor allem EMAS sagt mir bisher gar nichts, ich hab’s jetzt mal gegoogelt, und wenn ich das richtig verstanden habe, geht’s dabei ja nicht nur um „wir nehmen ein paar öko-zertifizierte Putzmittel“, sondern um ein komplettes Umweltmanagement inklusive Kontrolle, Dokumentation und externen Audits. Das klingt auf jeden Fall nach mehr als nur grünen Labels im Prospekt.
Gibt es bei nachhaltiger Gebäudereinigung eigentlich auch Konzepte für „Tagreinigung“? Hintergrund: Bei uns wurde das als Argument gebracht, weil weniger Nachtbeleuchtung nötig wäre und Reinigungskräfte bessere Arbeitszeiten hätten. Klingt logisch, aber ich frage mich, ob das wirklich ein relevanter Teil von Nachhaltigkeit ist oder eher eine HR/organisatorische Komponente.
Danke dir auf jeden Fall ulischnee!! das war echt super hilfreich und vor allem verständlich erklärt. Gerade den Teil zu Hygiene vs. Nachhaltigkeit fand ich spannend, weil ich auch lange dachte „weniger Mittel = weniger sauber“, aber wie du schreibst, geht’s ja eher um richtig dosieren und das passende Mittel für die passende Oberfläche. Die Idee, dass viel Chemie am Ende sogar schlechter reinigt und Oberflächen beschädigt, leuchtet total ein.
Und ich glaub, da passiert bei vielen ehrlich gesagt die erste Fehlannahme: „Öko = lauwarmes Wasser und bisschen Essig“, aber eigentlich steckt dahinter ja echt Fachwissen, Temperaturbereiche, Materialkunde usw.
Schönen Abend euch schonmal und danke für weiteren Input!
LIGRÜ aus Wien
Das kannst du laut sagen.
Die weniger (aus)gebildete Putzfrau mit nassem Lappen und Wischeimer ist schon längst passé, zumindest im Profibereich. Ausbildungszeit 2 bis 3 Jahre.
Genau das. Deshalb sprach ich vom Mercedes unter den Umweltmanagementsystemen Wobei man fairerweise sagen muss, dass die Metapher “Mercedes” ja schon länger nicht mehr stimmt für Qualität. Aber das steht auf einem anderen Blatt.
EMAS ist sehr umfangreich, etwa vergleichbar mit dem, was EFQM im Bereich Qualität ist. Wobei bei EMAS Kontrolle eine etwas größere Rolle spielt. Das hat auch damit etwas zu tun, dass es im Bereich Umwelt wesentlich restriktivere rechtliche Vorgaben gibt von Emmissionen bis zu Hygiene und Arbeitssicherheit.*
Kein Wissen, nur eine Einschätzung Aufgrund gewisser Erfahrungen: Ich schätze, dass der Aspekt unter Umweltgesichtspunkten keine Rolle spielt. Das bisschen Stromverbrauch, dass bei Nachtbeleuchtung erforderlich ist, macht den Kohl nicht fett und schon gar nicht, wenn die Beleuchtung Energie arm ist. Beim Thema bessere Arbeitszeiten ergibt das schon mehr Sinn. Allerdings gibt es Menschen, die in den Abendstunden arbeiten wollen. Insofern täte ich mich jetzt schwer, das pauschal zu berurteilen.
Das ist genauso wie immer, wenn es um “Chemie” geht: Es wird unter dem Begriff sofort negativ assoziiert und der grüne Schaum im Fluss vor dem inneren Auge erscheint, während man bei “natürlich” sofort die Blumenwiese im Kopf hat. Der “Trick” funktioniert ja auch bei Medikamenten und Co. Beides ist so völliger Quatsch.
Wisch mal mit Essig eine Marmoroberfläche. Die ist hinüber. Eine zerstörte Oberfläche ist aber das Gegenteil von nachhaltig, weil nicht Ressourcen schonend.
Ein Umweltmanagementsystem, egal ob EMAS oder DIN EN ISO hat den Vorteil, dass man als Laie sich doch ziemlich zuverlässig darauf verlassen kann, dass Nachhaltigkeit ernst genommen wird. Natürlich kann man im Detail immer Schindluder betreiben. Aber Schnitzer fallen bei den regelmäßigen Audits auf. Auch macht sich eigentlich nicht jemand die Mühe, ein solches System einzuführen und aufrechtzuerhalten (man muss sich regelmäßig externer Prüfung unterziehen!), der das nicht ernst meint.
*Nachtrag zum Thema Arbeitssicherheit: Die spielt bei EMAS eine Rolle! Grundsätzlich wird schon geprüft, ob Kriterien für Arbeitssicherheit eingehalten werden. Das betrifft dann indirekt auch die Arbeitszeiten.