Arbeitsalltag eines Verfahrenstechnikers?

Hallo!

Voilà, eine kurze Vorstellung: Ich bin gelernte Kfz-Mechanikerin, studiere Verfahrenstechnik an der HS Mannheim, bin gerade im 3. Semester und muss mich jetzt fürs Praxissemester bewerben.

Ich habe schon viel auf Firmenhomepages gestöbert, habe Literatur zu Berufsbildern gelesen und habe Leute auf Firmenkontaktmessen befragt.

Trotzdem bin ich mir noch nicht so ganz darüber im Klaren, was den Arbeitsalltag eines Ingenieurs in der Verfahrenstechnik so ausmacht.(Klar- jede Firma ist unterschiedlich und Aufgaben im Praxissemester unterscheiden sich bestimmt auch von denen eines „fertigen“ Ingenieurs.)

Besser darüber bescheid zu wissen, würde mir auf jeden Fall helfen, ein besseres Bild davon zu haben, was von mir im Praktikum und auch später erwartet wird.

Deswegen würde ich mich freuen, wenn ihr mir vielleicht einfach ein bisschen eure Tagesroutine beschreiben könnt. Z.B.: sitze vor dem Rechner und konstruiere xy, berechne Reaktionsführung z, bespreche mich mit Kollegen usw.
Bzw. falls ihr Praktikanten betreut, was ihr denen für Aufgaben gebt.

Im Vorraus schon mal vielen Dank für eure Hilfe!

Jessi

Hallo Jessi!

Wie Du selbst gesagt hast, der Arbeitsalltag kann sehr unterschiedlich sein. Ich bis seit knapp 10 Jahren Verfahrenstechnikerin und seit etwa 5 Jahren bei der aktuellen Tätigkeit.

Mein Arbeitsalltag gestaltet sich relativ abwechlungsreich: Ich bin in meinem Bereich im Wesentlichen für die Versuchsplanung und -auswertung zuständig. Das heißt, Kollegen kommen mit speziellen Fragestellungen zu mir (Fluiddynamisch, materialtechnisch oder auch andere), für die sie eine experimentell bestimmte Antwort brauchen.

  1. Für einige dieser Fragestellungen haben wir hausinterne standardisierte Meßmethoden. Dann schaue ich einfach nur, wann diese Tests bei diesen Anlagen/Geräten eingeplant werden können. Die Versuche selbst werden von einem technischen Mitarbeiter (CTA) durchgeführt, der mir unterstellt ist. Die Auswertung wird dann entweder von ihm oder von mir durchgeführt.

  2. Für diese Fragestellung gibt es Standardmessverfahren, die allerdings nicht inhouse möglich sind. Hier kümmere ich mich dann darum, dass wir Angebote von entsprechenden Laboren bekommen. Wenn der Preis für den Anfrager okay ist, kümmere mich darum, dass Proben an das Labor gesandt (in der ausreichenden Menge und Form) werden und dann bewerte ich noch die Berichte, die wir zurück bekommen. Ich kümmere mich auch darum, dass Dinge nachverfolgt werden, wenn es irgendwelche Probleme mit dem Labor gibt.

  3. Manchmal (10-20% der Fälle) muss eine eigener Testaufbau entworfen werden. Dann mache ich Skizzen und rede mit einem Konstrukteur, der das dann in 3D-Zeichnungen umsetzt. Dann kann ich mir wieder Angebote einholen, um abzuschätzen, was der Testaufbau kosten würde. Außerdem halte ich oft Rücksprache mit den Fragestellern, um sicher zu stellen, dass der Testaufbau auch wirklich dem entspricht, was gewünscht wurde.
    Dann wird der Aufbau in Auftrag gegeben. Manchmal legen wir am Schluss auch noch selbst Hand mit an, damit auch alles richtig läuft. Die Versuche selbst führt dann mein Mitarbeiter durch, wobei ich bei diesen Sonderversuchen anfangs eigentlich immer dabei bin, um zu überprüfen, ob alles richtig klappt und mir meist auch täglich berichten lasse, wie es läuft.
    Das Erstellen der Berichte für diese Versuche wird dann normalerweise auch durch mich durchgeführt. Dabei erfolgt normalerweise neben der reinen Versuchsdarstellung auch eine Deutung (wie groß ist die Standardabweichung, gibt es eine Abhängigkeit von der Konzentration und welcher Funktionalität folgt diese Abhängigkeit? Wie muss man die Ergebnisse in Hinblick auf die Fragestellung deuten?) Neben den Berichten erstelle ich auch Präsentationen, wenn das Thema für einen größeren Kollegenkreis interessant sein könnte.

Bei allem ist es wichtig, Zeitpläne und Kostenpläne im Blick zu behalten. Man muss flexibel reagieren, weil es immer mal wieder Abweichungen zu Plan geben kann, die man meistern muss. Einige Fragestellungen tauchen kurzfristig auf, haben aber höchste Priorität, so dass man alles andere dafür zurückstellen muss.

Reisetätigkeiten treten auch auf, allerdings vor allem deswegen, weil nicht alle Kollegen am gleichen Standort sitzen. Manchmal besuche ich aber auch Lieferanten (insbesondere neue), um mir einen Eindruck über die Fähigkeiten (z.B. eines Labors) zu machen.

Hi Jessi!

Ich arbeite jetzt seit zwei Jahren in einer Entwicklungsabteilung in der Medizintechnik… Was ich da so mach hat mit klassischer Verfahrenstechnik (Mischen, Rühren, Destillieren, Rektifikation und was man da sonst alles dazu zählt) net wirklich was zu tun…

Ich hab mich während dem Studium über die breite technische Ausbildung gefreut… ohne danach sagen zu koennen, dass ich jetzt wirklich was kann… :smile:)) weiß net wies dir da geht…

Jedenfalls betreue ich im Moment eine Art Versuchsproduktionsanlage für Hohlfasermembranen. Ich arbeite mit Physikern und Chemikern zusammen und bin neben dem Produzieren von Fasern mit besseren Filtrationseigenschaften für die Wartung und Weiterentwicklung der Versuchsanlage zuständig.

Ich versuche mehr Mess- und Regelungstechnik überall dort einzubauen, wo es mir sinnvoll erscheint und hab mich deshalb jetzt schon einige Zeit in LabView, einer grafischen Programmiersprache eingearbeitet. Das macht ne Menge Spaß, da sich der Code leicht wiederverwerten lässt, wenn man mal n ähnliches Problem hat.

Ansonsten läuft auch viel nach Versuch und Irrtum. Wer eine Idee hat kann Komponenten bestellen und mit unserer Abteilungswerkstatt recht schnell was bauen lassen (… Skizze machen, durchsprechen und bauen lassen… dann ausprobieren und Ergebnisse vorstellen). :smile:

So… ich hoffe ich hab dich net gelangweilt… es macht jedenfalls viel Spaß und ich geh jeden Tag gern zur Arbeit!! :smile:
Nachteil: die Zeit verfliegt und ich geh so langsam auf die 30 zu haha…

Also - in diesem Sinne: viel Spaß und Erfolg beim Studium!!!

Salu,
Christian