Hallo!
Zuerst eine Begebenheit aus meinem Betrieb, geschehen 1989: Mein ältester Ingenieur war damals Mitte 50. Das war ein Mann, der aufgrund seines Überblicks und seiner langen Erfahrung wertvoll war. Sein klares Frauenbild, das sich in gelegentlichen Sprüchen äußerte, führte schon mal zum Anecken. Dann kam eine Kollegin ins Team, eine Ingenieurin, 30 Jahre jünger als der alte Platzhirsch, zudem eine Spitzenkraft, fachlich topfit und mit viel Power in ihr Arbeitsgebiet eingearbeitet. Im Verlaufe von Monaten gab es einige Male deutliche Worte zwischen den beiden. Weil mir aber zunächst gar nicht klar war, welchen grundsätzlichen Charakter die Sache hatte, sah ich keinen Anlaß zum Eingreifen. Eines Tages saß der alte Ing. bei offener Tür zusammen mit einem Vertreter im Besprechungszimmer. Die junge Kollegin kam vorbei und ihr wurde in barschem Befehlston durch die offene Tür beschieden, sie solle mal für Kaffee und Kekse sorgen. Schließlich sei sie dafür da. Es folgten noch ein paar Bemerkungen, die nicht druckreif allenfalls einem Volltrunkenen nachsehbar gewesen wären. Als Antwort kam von der Ingenieurin nur die Empfehlung, er solle sich selbst in die Kaffeeküche bewegen. Ich wurde aus einiger Entfernung Zeuge dieser Szene. Ähnliches kannte ich bis dahin nur von anderen Betrieben, u. a. von einer Werft, wo sich hochqualifizierte Frauen Unverschämtheiten und Herumkommandieren durch Kollegen gefallen lassen mußten. Mir waren Betriebe bekannt, in denen Frauen faktisch keine Vorgesetztenfunktionen erreichen könnten, weil sich Männer in ihrer Ehre angegriffen fühlten, wenn sie sich von einer Frau etwas sagen lassen mußten oder mit einer Frau auf gleicher Augenhöhe umzugehen hatten. In meinem Betrieb wollte ich derartige Allüren nicht dulden, die fähigen, hochmotivierten Frauen das Leben zur Hölle machten. Der erwähnte Vertreter hatte kaum das Haus verlassen, als der ältere Kollege wutschnaubend bei mir im Büro erschien und sich bitterlich beschwerte. Ich wollte es bis dahin bei einer Abmahnung belassen und ihm nur dringend nahe legen, sein Verhältnis zu Kolleginnen übergangslos verträglich zu gestalten und sich für die Entgleisung zu entschuldigen, aber es kam anders. Der Kollege wußte nicht, daß ich den Vorfall mitbekommen hatte und erzählte mir seine Version von einer freundlichen Bitte um Unterstützung bei der Betreuung eines Besuchers. Schließlich kam noch die Bemerkung, daß Frauen ein Ingenieurstudium nur machen sollten, um einen Ingenieur zu heiraten, aber nicht, um sich als Mannweiber aufzuspielen und ich möge mich entscheiden, die Ingenieurin oder er - einer müsse gehen. Das war dann zum Entsetzen und zur grenzenlosen Verblüffung dieses Kollegen sein letzter Arbeitstag. Soziale Gesichtspunkte und das Alter des Kollegen hin oder her und auch ganz unabhängig davon, daß sich niemand derartige Ultimaten gefallen läßt, werde ich mich doch niemals von einem Mitarbeiter trennen, damit ein anderer Mitarbeiter seine seltsamen Vorstellungen ausleben kann.
Solche Probleme gab es früher nicht. Frauen waren Arbeiterinnen, Krankenschwestern oder Schreibkräfte, ansonsten Hausfrauen und Mütter. In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik war die sich ändernde Rollenverteilung der Geschlechter in der Arbeitswelt eine schwer zu verdauende Pille für viele Männer. Etliche Zeitgenossen kommen damit bis heute nicht zurecht. Das Problem ist je nach familiärer Prägung in einigen Bevölkerungsschichten immer noch akut, insbesondere in vom Patriarchat geprägten Kreisen. Wir waren über Jahrhunderten ein solcher Kulturkreis, Veränderungen sind erst jüngeren Datums. In vielen Familien, zumal in Familien mit südosteuropäischer Herkunft, ist von Veränderung noch nicht viel zu merken. Sieht man sich dazu das Bild in vielen Schulklassen an, wo die Jungs durch Männlichkeitsgehabe und Verblödung auffallen und Mädchen die Leistungsträger sind, kann man sich unschwer vorstellen, was man mit solchen männlichen Schulabgängern in einem Betrieb womöglich erleben kann. Manches Problem läßt sich später kaum gerichtsfest formulieren, so daß man derart unverträgliche Mitarbeiter nur schwer wieder los wird.
Leute mit übertriebenem Machogehabe tragen (nicht nur) gegenüber Frauen ständig ein unangenehmes Klima in einen Betrieb und sobald ruchbar wird, der eine oder andere Kollege ist womöglich schwul, kann aus einem Betrieb die Hölle werden. Die Giftspritzerei pflegt dabei stets von Leuten mit dem gleichen psychischen Strickmuster auszugehen. Ähnliche fatale Effekte gibt es, sobald Religiöses oder Ideologie welcher Art auch immer an den Arbeitsplatz getragen werden. Mitarbeiter sucht man sich deshalb tunlichst handverlesen, mit Sensibilität und Fingerspitzengefühl aus. Jede Nachlässigkeit auf diesem Gebiet wird man an der Fluktuation, am Krankenstand, am Rückzug von Leistungsträgern und letztlich am Unternehmenserfolg ablesen können.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß man sich vor einer Einstellung von der fachlichen Eignung eines Bewerbers überzeugt. Selbstverständlich ist außerdem, daß man über gesundheitliche Einschränkungen und z. B. Allergien eines Bewerbers informiert ist. Die dritte Säule, die passen muß und zum „Go“ oder „No go“ führt, ist die soziale Verträglichkeit des Bewerbers. Dabei hat soziale Verträglichkeit viele Facetten. Von Tendenzunternehmen abgesehen, will sich niemand Zecken in den Pelz setzen, die auf Menschen anderen Geschlechts, anderer Nationalität, Hautfarbe, Religion oder sexueller Ausrichtung unverträglich reagieren. Damit wird der Betriebsfrieden gefährdet und in der Folge die Leistungsfähigkeit u. U. des ganzen Unternehmens in Frage gestellt. Im Interesse des Unternehmens und aller Mitarbeiter muß man jedem neuen Kollegen möglichst gründlich auf den Zahn fühlen. Ein einziger grober Fehlgriff kann ein Team kaputt machen. Versäumnisse und Nachlässigkeiten an dieser Stelle können das Klima in einem Unternehmen nachhaltig vergiften, können zum Verlust von Leistungsträgern und sogar zum Ruin führen. Keiner kann sich leisten, die Hälfte der Bevölkerung mit vielen hochqualifizierten Menschen auszuschließen oder zu vergraulen, damit sich ein paar Machos wohl fühlen. Zudem zeigt die allgemeine Lebenserfahrung, daß man mit Leuten, die ihr Selbstwertgefühl z. B. aus ihrem Geschlecht, aus der Marke ihrer Turnschuhe, ihres Mobiltelefons oder ihres Autos beziehen, Nieten zieht. Jedenfalls hat man beste Chancen, sich mit derartigen Leuten eine Negativauswahl in den Betrieb zu holen.
Vor diesem Hintergrund wirst Du befremdlich erscheinende Fragen im Bewerbungsgespräch vielleicht anders einordnen. Dabei muß man damit leben, daß mit bestimmten Äußerlichkeiten ein bestimmter Generalverdacht einher geht. Wenn jemand an 2 Krücken mühsam keuchend zum Gespräch erscheint, ist die Vermutung nahe liegend, daß dieser Mensch vielleicht körperlich nicht geeignet ist, die freie Stelle auszufüllen. Kommt jemand mit Springerstiefeln, Tätowierungen bis zum Hals oder in allen Regenbogenfarben gefärbten Hahnenkamm zur Vorstellung, sind bestimmte Vorurteile wenigstens nicht ganz abwegig. Es ist vielleicht nicht politisch korrekt, aber bei Bewerbern, deren Namen oder Aussehen an den Mittelmeerraum erinnern, spricht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, sich einen Menschen mit z. B. einem hierzulande sozial unverträglichen Frauenbild ins Haus zu holen. Jedenfalls muß dieser Punkt eindeutig abgeklärt werden, bevor man riskiert, eine blockierende Schaufel Sand ins Getriebe des Unternehmens zu werfen. Würdest Du als Personalverantwortlicher anders handeln?
Gruß
Wolfgang