Arbeitszeitverkürzung

Hallo Sigi,

hast Du Dir schon mal überlegt, was passiert, wenn man die Arbeitsbedingungen in Großunternehmen nochmals verbessert ?

Die kleinen Unternehmen werden ganz schön das Nachsehen haben, da sie für Arbeitnehmer sehr uninteressant werden.

Bei uns in Stuttgart ist das schon an der Tagesordnung. Da die „Großen“ (DaimlerChrysler, Porsche, Bosch…) ca. 20% über dem Normalniveau bezahlen (das in BaWü sowieso schon hoch ist), suchen kleinere Firmen verzweifelt nach Mitarbeitern…
… und verlieren Aufträge, weil sie keine guten Mitarbeiter mehr beschäftigen können.

Gruß

Sven

Hallo Jungs und Mädels :o)

Mir stellt sich - als selbstständiger
Unternehmer - grundsätzlich die Frage
über
die Sinnhaftigkeit der
Verteilungsdiskussion.

Ich habe hier 25 Angestellte und Arbeit
für diese Angestellten. Aufgrund meiner
Kalkulationen kann ich einerseits diese
Angestellten bezahlen und andererseits
selbst auch Gewinn machen … logisch,
sonst wär ich ja ziemlich schnell pleite.

Mein Gewinn ist auch höher als ein
Einkommen, das ich als Angestellter
verdienen könnte. Dafür bin ich auch
ziemlich massiv verschuldet °grins° und
trage das gesamte Risiko mit persönlicher
Haftung.

So weit, so gut.

Es geht um die Verteilung der Arbeit
zwischen Arbeitsplatzbesitzern und
-nichtbesitzern.

Nach Sigis Ansicht sollte ich jetzt die
Arbeitszeit (38,5 Stunden) auf sagen wir
mal 30 Stunden reduzieren und zusätzlich
7
Arbeitnehmer einstellen - die Arbeit muß
ja getan werden.

Ich hätte dann - bei vollem Lohnausgleich

  • etwa 30 % mehr Lohnkosten zu tragen.

Nicht umsonst wurde und wird
Arbeitszeitverkürzung primär im
industriellen Bereich gefordert und
umgesetzt. Wie kommts eigentlich, daß sich
jeder Kleinunternehmer gleich an die Brust
kloppft und die Argumentation der
Grossindustrie übernimmt, wenn man
Kapitalismuskritik übt?

Dazu sind gesellschaftliche Anstrengungen
nötig, die die Arbeitgeber finanziell
mittragen sollen. Deshalb müssen
Unternehmensgewinne zugunsten der
besseren
Verteilung von vorhandener Arbeit
umverteilt werden.

Ok, ich verzichte also auf meinen Gewinn
und stelle mehr Angestellte ein.

Wozu mache ich mich dann selbstständig ?
Wo ist der Anreiz, etwas eigenes zu
schaffen ?

Angenommen, die Frage würde sich bei dir
tatsächlich stellen: Ist die Kohle
wirklich dein einziger Anreiz?

Na klar, du nimmst ja auch den Urlaub und
die Gehaltserhöhung, die die
Gewerkschaften für dich ausgehandelt
haben
mit.

Falsch, lieber Sigi, ich habe nur dann
Urlaub wenn ich hier wegkann. Der letzte
war 1995 … und Gehaltserhöhung ? Wenn
ein Jahr schlechter ausfällt dann gibt´s
eben weniger Gewinn und wenn´s besser ist
dann darf ich jetzt schon an meine Rente
denken …

Du kannst dir sicher vorstellen, daß ich
nicht von Selbständigen spreche, sondern
von Leuten, die abhängig beschäftigt sind,
die Gewerkschaften kritisieren und dann
aber trotzdem die Errungenschaften
mitnehmen.

Auch hier gilt: Entscheidend ist nur die
Produktivität! Die Kosten dürfen ruhig
hoch sein, wenn die erzeugten Werte
ausreichend sind, um genügend grosse
Gewinne sicherzusstellen.

Es gibt eine Obergrenze für Preise,
welche
durch das Konkurrenzprinzip festgelegt
werden. Die Untergrenze wird durch die
Fix- und variablen Kosten definiert.
Dazwischen liegen Investitionen und
Gewinn.

Wenn ich also die Kosten erhöhe, muß ich
den Gewinn verringern, da ich ja
investieren muß und auch nicht teurer
werden darf, sonst gehen die Kunden zur
Konkurrenz.

Der Arbeitgeber ist somit der Blöde, der
zahlen darf …

??? Das ist es ja eben. Die Gewinne
sollten nur dort angetastet werden, wo sie
in ausreichendem Umfang vorhanden sind.
Und das ist in der Grossindustrie der
Fall.
Da wir einen Problem mit dem
Gleichheitsgrundsatz bekämen, wenn wir bei
allen mit dem Rasenmäher drübergehen,
würde ich vorschlagen:
Arbeitszeitverkürzung für alle, denn die
Arbeit muss gesellschaftlich besser
verteilt werden.
Um Nachteile der kleinen bis mittleren
Unternehmen auszugleichen würde ich eine
steuerliche Lösung vorschlagen, die
hauptsächlich kleine Betriebe, die die
Arbeitszeit verkürzen, entlastet und
grosse belastet.

Wer allerding, so wie du das Kapital zum
religiösen Dogma erhebt, der hat nicht
begriffen, daß ohne gesellschaftliche
Gerechtigkeit und Stabilität auch das
Kapital selbst kaputtgeht (zumindest
seine
Besitzer).
Gesellschaftliche Stabilität kann es aber
auf Dauer nur geben, wenn die Verteilung
des gesellschaftlichen Einkommens
ausgewogen ist.

Wenn ich sowieso aufgrund meiner
Ausbildung überall das gleiche verdiene,
wozu dann das Risiko sich selbstständig
zu
machen und Arbeitsplätze zu schaffen ???

Das meinte ich nicht! Es geht um die
gesellschaftliche Verteilung von Vermögen.
Es kann nicht sein, daß 10% der
Bevölkerung 90% der Reichtumes besitzen
(nur als Beispiel). Eine solche
Konstellation würde nicht zuletzt auch die
Existenz des Kapitals selbst bedrohen.

Ich bin das Risiko eingegangen und habe
dadurch 25 Arbeitsplätze geschaffen bzw.
erhalten und jetzt ? Bekomm ich nochmals
7
an Bord ?

Schön wärs, oder ? :smile:)

Was im Sinne einer Umverteilung auch
völlig richtig ist, denn es geht auch um
die Relation von Einkommen aus
selbständiger Arbeit zu den Einkommen aus
unselbständiger Arbeit.

Ja, die sollten gleich sein, nicht wahr ?
Sehr gut, dann such ich mir einen Job in
der Industrie und sperr hier zu und es
gibt 25 Arbeitsplätze weniger. Ist das
die
Lösung ?

Nochmal, ich meinte nicht, daß alle das
gleiche verdienen müssen!
Je besser der gesellschaftliche REichtum
verteilt ist, desto grösser ist die
stabilisierende Mittelschicht und darauf
kommt es an.

Ciao Sigi