Hallo,
ich habe vorgestern mein Arbeitszeugnis bekommen. Erst fand
ich´s ganz okay, aber nach einigen Recherchen im Internet bin
ich jetzt total verunsichert, was es wirklich aussagt.
Insbesondere die Auslassungen (z.B. „ehrlich“ bei „pünktlich
und einsatzbereit“) oder auch der Schlusssatz (kein Bedauern)
bereiten mir Kopfzerbrechen.
Es haben sich gewisse Standard-Phraseologien gebildet, die man gezielt bestimmten Noten zuordnet. In Deinem Zeugnis tauchen nun teilweise derartige Formulierungen auf, teilweise aber auch nicht.
Das macht es insgesamt etwas schwierig einzuschätzen wie das Zeugnis gemeint ist. Man könnte es positiv sehen und sagen daß es insgesamt kein schlechtes Zeugnis ist und nur teilweise etwas ungeschickt ausgedrückt wurde, mit Formulierungen, deren Sinn der Schreiber nicht wirklich kannte.
Man könnte aber jetzt auch sagen daß bestimmte Formulierungen fehlen und man das als bewußte Auslassungen und damit Kritik an Deinen Leistungen werten müsse.
Könnt Ihr mir sagen, ob das wirklich so schlecht ist, wie ich
jetzt denke?
Wie müsste ich dagegen vorgehen, wenn es wirklich so schlecht
ist?
Zunächst zu den Äußerlichkeiten. Das Zeugnis muß
- auf offiziellem Firmenpapier geschrieben sein
- darf nur geknickt sein wenn man es kopieren kann ohne daß die Knicke auf den Duplikaten sichtbar sind
- das Adressfeld darf nicht, wie bei einem Brief, ausgefüllt sein
- das Datum SOLLTE (ist aber nicht einklagbar) auf den Tag des Ausscheidens aus dem Unternehmen datiert sein
- die Unterschrift muß von einem hochrangigen Vertreter der Firma (Chef, Leiter Personalabteilung, …) persönlich geleistet worden sein. „I. A. Müller, Sekretärin des Abteilungsleiters“ reicht nicht
- unter der Unterschrift müssen Name und Funktion des Unterzeichnenden nochmal in Maschinenschrift stehen.
Wenn Du das Zeugnis vorgestern bekommen hast würde ich schon mal kontrollieren auf welches Datum das Schreiben ausgestellt ist. Steht da jetzt 24. Februar? Das wäre nicht gut, denn das sieht so aus als seist Du „mitten im Monat“ ausgeschieden. Sowas könnte theoretisch so gewertet werden als hätte man Dich fristlos an die Luft gesetzt. Wenn das Arbeitsverhältnis offiziell am 28. Februar endet sollte das Zeugnis auch auf diesen Tag datiert sein.
Die Unterschriften durch Pflegedirektion und Stationsleitung gehen in Ordnung weil das ausreichend hochrangige Disziplinarvorgesetzte für Krankenschwestern sind.
Frau Mustermann, Geburtsdatum, wohnhaft …, war vom … bis
… als Krankenschwester auf der … Station … tätig.
Wo Du wohnst gehört nicht ins Zeugnis weil es keinerlei Relevanz im Bezug auf die Arbeitsleistung hat. Es schadet zwar auch nicht, zeigt aber daß hier offensichtlich jemand am Werk war, der sich nur bedingt mit den Regeln für Zeugnisse auskennt.
Wenn Du dich entschließt das Zeugnis zu akzeptieren wird es nicht zu Deinem Nachteil ausgelegt, wirst Du eine Revision beantragen würde ich die Angabe „wohnhaft…“ streichen lassen.
Ihr Einsatz erfolgte im Dreischichtsystem auf einer … Betten
umfassenden Station. Ihr Aufgaben- und Verantwortungsbereich
umfasste schwerpunktmäßig:
…es folgt eine Aufgabenbeschreibung…
OK, allerdings solltest Du die Aufgabenbeschreibung für die Beurteilung eines Zeugnisses immer mit angeben.
Im Folgenden fällt auf daß da munter zwischen der Beurteilung Deiner fachlichen Leistungen und der „Führung“, also dem Sozialverhalten, hin- und hergesprungen wird. Normalerweise folgt nach der Aufgabenbeschreibung zunächst ein Block „fachliche Leistung“ und dann der Bereich „Sozialverhalten“.
Auch das kann man nicht als Aussage über Dich sehen, sondern ist ein weiterer Hinweis daß das Zeugnis nicht von einem Profi geschrieben wurde. Man hat es also nicht unbedingt schlecht mit Dir gemeint, nur nicht ganz perfekt gemacht - was aber nicht zu Deinen Lasten ausgelegt werden wird.
Frau Mustermann war stets pünktlich und einsatzbereit und
zeichnete sich durch einen fürsorglichen und liebevollen
Umgang mit den Patienten und deren Angehörigen aus.
„Stets“, „immer“, „jederzeit“ sind positiv verstärkende Worte. „Stets pünktlich“ ist also wohlmeinend, allerdings würde man es in einem Profi-Zeugnis sehr abwertend finden daß eine Selbstverständlichkeit wie Pünktlichkeit so hervorgehoben wird (sowohl durch das „stets“ wie auch durch die Erwähnung an erster Stelle). Normalerweise nutzt man sowas nur wenn man sonst nichts Gutes schreiben kann und sagen will daß das einzig Positive war daß jemand zumindest pünktlich zur Arbeit erschienen ist.
„Einsatzbereit“ ist alles und nichts. Darunter können sich Dritte wenig vorstellen. Normalerweise sollte hier eine genauere Beschreibung Deiner Motivation erfolgen und „Arbeitserfolge“ erwähnt werden, also z. B. „Frau Mustermann war stets motiviert und trug zu einer schnellen Genesung der Patienten bei“. Auch die Fortbildungen gehören an dieser Stelle erwähnt.
„Fürsorglicher und liebevoller Umgang mit den Patienten und deren Angehörigen“ ist gut, würde aber in den Block „Sozialverhalten“ gehören - dazu unten mehr.
Die ihr übertragenen Aufgaben erfüllte sie stets zur vollen
Zufriedenheit.
„übertragene Aufgaben“ muß immer herhalten wenn zum Ausdruck gebracht werden soll daß jemand nur mäßig motiviert war und nur das tat, was ihm befohlen wurde. Besser wäre also „Sie erfüllte alle Aufgaben stets zu unserer (das Wort fehlt auch im Original) vollen Zufriedenheit.“
„Volle Zufriedenheit“ entspricht übrigens einer glatten 3.
Man unterstellt daß ein positiv mitarbeitender Angestellter im Bereich einer 3 liegt. Insofern geht „volle Zufriedenheit“ in Ordnung und spricht nicht gegen Dich wenn Du nicht eindeutig wesentlich bessere, überdurchschnittlichere Leistungen gebracht hast wie Deine Kolleginnen, sondern genauso gut oder schlecht wie alle anderen warst. Eine 3 ist also nichts Schlechtes, für eine 2 muß man schon deutlicher „Überflieger“ sein.
Zu Vorgesetzten und Teammitgliedern war sie
freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit.
Hier fehlt mir ein „jederzeit“ - man könnte sonst, wenn man es negativ auslegt, unterstellen daß Du ab und zu etwas krabitzig gewesen wärst.
An diese Stelle gehört auch das oben erwähnte „fürsorglicher und liebevoller Umgang mit den Patienten und deren Angehörigen“, wobei die Reihenfolge der Aufzählung immer Vorgesetzte - Mitarbeiter - Kunden/Patienten sein muß. Die Reihenfolge stimmt hier also wenn man Patienten/Angehörige noch anfügt.
In der Praxis wird ihr eine überlegte Arbeitsweise,
Gewissenhaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein bescheinigt.
Unklare und unglückliche Formulierung. Es ist immer doof wenn passiv formuliert wird („wird bescheinigt“) weil das distanziert klingt. Besser wäre „wir bescheinigen…“.
„Überlegte Arbeitsweise“ und „Gewissenhaftigkeit“ könnte man als Umschreibungen für „langsam und bedächtig“ auslegen - wobei ich nicht denke daß das so gemeint ist. Es ist wieder mal so eine Formulierung, wo man es vermutlich gut meinte, aber eine etwas ungünstige Formulierung benutzt hat
Sie arbeitete stets korrekt und pflichtbewusst.
Gut, aber gehört in den Leistungsteil.
An Fortbildungsveranstaltungen nahm sie teil.
„…mit Erfolg teil“ wäre besser. Sonst klingt es als hättest Du da nur schlafenderweise Deine Zeit abgesessen. Abgesehen davon gehört es in den Leistungsteil.
Das Arbeitsverhältnis endet durch einen befristeten
Arbeitsvertrag, da keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
besteht.
Das ist gut, denn es klärt daß Du nicht wegen Differenzen gehen mußtest, sondern nur aufgrund der Befristung nicht bleiben konntest.
Für die gute Zusammenarbeit möchten wir ihr Dank sagen und für
die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünschen.
Wie Du selber schon gemerkt hast: eine Formel des Bedauerns fehlt. Ein gutes Zeugnis endet außerdem immer mit guten Wünschen „für die private und berufliche Zukunft“, nicht nur „für die Zukunft“.
Bezüglich des Erfolgs sollte es immer heißen „weiterhin viel Erfolg“, denn man könnte sonst interpretieren daß Du bisher keinen Erfolg hattest. Das paßt inhaltlich nicht zu dem weiter oben Gesagten, denn da bescheinigt man Dir ja durchaus eine gute Mitarbeit, also warst Du ja auch schon erfolgreich. So wie es jetzt dasteht klingt es als wärst Du bisher glücklos gewesen und als würde man Dir wünschen daß Du irgendwann auch noch mal auf einen grünen Zweig kommst.
Ein guter Schlußsatz wäre: „Wir bedauern daß wir das befristete Arbeitsverhältnis mit Frau Mustermann mangels Weiterbeschäftigungsmöglichkeit beenden müssen und wünschen ihr für die berufliche und private Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg.“
Unterschrift Unterschrift
Pflegedirektion Stationsleitung
OK
Was meint Ihr dazu?
Tja… ich denke daß es gut gemeint ist und man Dir ein vernünftiges, gutes Zeugnis schreiben wollte.
Mangels Kenntnissen ist es nicht gut gelungen wenn man es ganz pingelig nach den Maßstäben für Profi-Zeugnisse auseinandernimmt.
Jetzt mußt Du überlegen ob Du es einfach so hinnimmst, denn man merkt daß es gut gemeint ist und Du nicht in die Pfanne gehauen werden sollst, sondern man mit Dir zufrieden war.
Oder Du kommst zu dem Entschluß daß es ganz und klar wasserdicht sein soll und nach allen Regeln der Kunst perfekt formuliert sein sollte. Dann kannst Du es nur reklamieren.
Vielleicht kannst Du einfach einen „Gegenvorschlag“ formulieren und darum bitten ob dieser seitens des Krankenhauses auch akzeptiert wird. Letztlich liegt es bei Dir was Du nun tun willst, ich kann mich selber nicht durchringen zu empfehlen „muß auf jeden Fall geändert werden“ oder zu sagen „laß es wie es ist“.
Frage vielleicht mal auf http://www.arbeitszeugnis.de/forum_1/viewforum.php?f=1 nach was die Fachleute dort sagen.
LG,
MecFleih