Arbeitszeugnis mal wieder

Hallo!

Das Arbeitszeugnis soll eine Eins darstellen. Welche Formulierungen sind falsch, wo ist der Aufbau schlecht, was ist zu viel, was fehlt? Ich danke für jeden Hinweis!

Mevius

Arbeitszeugnis

Herr X, geboren am 01.01.1980 in Musterstadt, war vom 01.03.2010 bis zum 30.07.2010 in meiner Rechtsanwaltskanzlei als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.

Die Kanzlei bietet Rechtsberatung und Rechtsvertretung auf allen Gebieten des allgemeinen Zivilrechts, des Straf- und des Verwaltungsrechts. Besondere Schwerpunkte setzt sie in den Bereichen Presse- und Medienrecht, Recht der neuen Informationstechnologien und Internetrecht sowie Pferderecht.

Herr X war vornehmlich mit zivilrechtlichen, aber auch mit verwaltungs- und strafrechtlichen Angelegenheiten betraut. Sein Aufgabengebiet umfasste folgende Tätigkeiten:

• Klärung vielfältiger und komplexer juristischer Fragen
• Beratung und Betreuung von Mandanten
• Gutachterliche Bearbeitung von Rechtsfällen
• Entwicklung von Lösungsstrategien für die Zielsetzungen der Mandanten
• Anfertigung außergerichtlicher und gerichtlicher Schriftsätze aller Art
• Entwurf von Vertragswerken
• Entwicklung eines Angebots für die Online-Beratung

Herr X identifizierte sich in sehr hohem Maße mit allen vorgenannten Aufgaben und bewies bei deren Bearbeitung eine überaus gute Auffassungsgabe. Sogar abgelegene Rechtsgebiete und komplizierte Rechtsabläufe erfasste er vollständig und sehr schnell. Mit seiner exzellenten juristischen Qualifikation, der sehr sicheren Anwendung seines stets aktuellen Fachwissens und seinen hervorragenden analytischen Fähigkeiten führte Herr X selbst schwierigste Aufgaben rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Lösungen zu. Dabei war er beständig sehr flexibel, uneingeschränkt leistungsbereit und motiviert und äußerst zuverlässig. Neben bemerkenswertem Planungs- und Organisationsgeschick zeichnete er sich auch durch ausgezeichnete Sprachkompetenz und EDV-Kenntnisse aus.

Die ihm übertragenen Arbeiten führte Herr X sehr strukturiert und methodisch und stets zu meiner vollsten Zufriedenheit aus. Er war ein außergewöhnlich belastbarer und ausdauernder Mitarbeiter, der auch unter schwierigsten Bedingungen alle Aufgaben sehr zügig und exakt erfüllte. Dabei ging er stets sehr zielorientiert, effizient und selbstständig mit größter Sorgfalt und Genauigkeit vor. Er genoss mein uneingeschränktes Vertrauen.

Gern bescheinige ich Herrn X, dass er äußert sicher und bestimmt in seinem Auftreten war und hervorragende Umfangsformen bewies. Die Zusammenarbeit mit ihm gestaltete sich zu jeder Zeit außerordentlich angenehm. Von mir und von den Kollegen und Mandanten wurde Herr X als freundlicher und fleißiger Mitarbeiter mit höflichem und gewandtem Auftreten sehr geschätzt.

Herr X verlässt meine Kanzlei zum 30.06.2010 aus betriebsbedingten Gründen in bestem Einvernehmen. Ich bedaure den Weggang und danke Herrn X für die stets sehr guten Leistungen und die außerordentlich angenehme Zusammenarbeit. Für seine berufliche und private Zukunft wünsche ich ihm alles Gute und weiterhin viel Erfolg.

Musterstadt, 30.06.2010

Meyer
Rechtsanwalt

Auch hallo

Das Arbeitszeugnis soll eine Eins darstellen.

Dazu scheint einiges zu fehlen (kann ja sein, dass bei Juristen anders gewichtet wird als in der freien Wirtschaft):
-Zeitraum ist relativ knapp
-keine konkreten Erfolge
-Allgemeinplätze:

ausgezeichnete Sprachkompetenz und EDV-Kenntnisse aus.

Sächsich, Bayrisch,…? Beim Computer reicht es zum Ausschalten ?

aus betriebsbedingten Gründen

Würde man sich freiwillig von (sehr) guten Mitarbeitern trennen ? Eben… „Auf eigenen Wunsch“ *könnte* besser sein.

mfg M.L.

Servus,

hierzu:

„Auf eigenen Wunsch“ *könnte* besser sein.

gebe ich zu bedenken, daß ein Einser-Mann mit dreißig bereits die ersten Sporen verdient hat, so daß ein Ausscheiden auf eigenen Wunsch aus einem Dienstverhältnis, das ungefähr so lange wie ein Praktikum gedauert hat, den Glanz leicht ein wenig trüben kann. Je nachdem, was vorher und nachher im CV steht.

Schöne Grüße

MM

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Das Arbeitszeugnis soll eine Eins darstellen.

Dazu scheint einiges zu fehlen (kann ja sein, dass bei
Juristen anders gewichtet wird als in der freien Wirtschaft):

Ob da anders gewichtet wird, weiß ich leider auch nicht. Zu den einzelnen Punkten:

-Zeitraum ist relativ knapp

Richtig, aber das lässt sich ja nicht ändern. Das Zeugnis soll trotzdem (sehr) gut sein.

-keine konkreten Erfolge

Darauf wäre ich so gar nicht gekommen. Es ist auch sehr schwer, das bei einem wissenschaftlichen Mitarbeiter zu bemessen. Er arbeitet dem Anwalt zu. Mir fiele durchaus etwas ein, wo man einen konkreten Erfolg vor Gericht, mit dem kaum noch zu rechnen war, dem X zuschreiben muss. Ich wüsste aber nicht recht, wie ich das formulieren soll. Und: Es könnte dann im Umkehrschluss klingen, als sei alles andere Mist gewesen. Oder?

-Allgemeinplätze:

ausgezeichnete Sprachkompetenz und EDV-Kenntnisse aus.

Sächsich, Bayrisch,…? Beim Computer reicht es zum
Ausschalten ?

Hm. Sprache spielt in der Juristerei eine sehr große Rolle. Es geht hier schon um Deutsch, aber die Ausdrucksfähigkeit des X ist hier eben doch weit überdurchschnittlich und soll entsprechend gewürdigt werden. Das mit dem Computer verstehe ich als ein Einwand wohl, aber mehr Konkretisierung verbietet sich hier eigentlich. Dann lieber weglassen, ja?

aus betriebsbedingten Gründen

Würde man sich freiwillig von (sehr) guten Mitarbeitern
trennen ? Eben… „Auf eigenen Wunsch“ *könnte* besser sein.

Ja, man trennt sich freiwillig von sehr guten Mitarbeitern, wenn die Auftragslage die Beschäftigung einfach nicht hergibt. Genau so hat es sich hier verhalten. Mit dem Sommer kam ein Sommerloch, die Mandate blieben aus, der Mitarbeiter musste gehen.

Hallo Mevius,

ich möchte mich M.L.s Einwänden voll anschliessen und ergänzen, dass eine „eins mit Sternchen“ für einen Mitarbeiter der nichtmal ein halbes Jahr dabei war und dann betriebsbedingt gekündigt wurde schlicht und ergreifend unglaubwürdig ist. Sprich, ich glaube, dem Herrn X wäre mit einer „soliden zwei“ als Gesamtnote für seine weitere Karriere erheblich besser gedient.

schwer, das bei einem wissenschaftlichen Mitarbeiter zu
bemessen. Er arbeitet dem Anwalt zu.

Ach so, und ich hatte mich schon gewundert, was der eigentlich tut :wink: Aber, steht das wirklich genau so im Arbeitsvertrag vom Herrn X? Und ist das in Anwaltskreisen eine übliche Jobbezeichnung? (Sorry, da kenne ich mich so gar nicht aus)

ein, wo man einen konkreten Erfolg vor Gericht, mit dem kaum
noch zu rechnen war, dem X zuschreiben muss.

Dann sollte das rein. „So hat er beispielsweise durch seine herausragenden Kenntnisse im Gebiet x sowie sein hohes Engagement den Massenmörder Kuno K. heilig sprechen lassen.“

Sprache spielt in der Juristerei eine sehr große Rolle. Es
geht hier schon um Deutsch, aber die Ausdrucksfähigkeit des X
ist hier eben doch weit überdurchschnittlich und soll
entsprechend gewürdigt werden.

Ja, das schon, und eben weil man davon ausgeht, dass ein Jurist hervorragend mit der Sprache umgehen kann, ist das hier merkwürdig das zu erwähnen. So wie wenn man „Sauberkeit“ bei einer Putzfrau reinschreibt :wink: Und so wie’s da jetzt drin steht, könnte man durchaus als „ist uns allen mit seinem endlosen dummen Gelabere auf die Nerven gegangen“ interpretieren.

ich als ein Einwand wohl, aber mehr Konkretisierung verbietet
sich hier eigentlich. Dann lieber weglassen, ja?

Oder konkretisieren. „So war ihm der sichere Umgang mit Anwalt 1.0, Gericht 8.4 und Gesetz 4.2 selbstverständlich.“

*wink*

Petzi

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Hallo, und auch dir besten Dank.

ich möchte mich M.L.s Einwänden voll anschliessen und
ergänzen, dass eine „eins mit Sternchen“ für einen Mitarbeiter
der nichtmal ein halbes Jahr dabei war und dann
betriebsbedingt gekündigt wurde schlicht und ergreifend
unglaubwürdig ist.

Das Problem ist nur: So war es wirklich. Wenn ich dich richtig verstehe, sollte man hier die Wahrheit unterdrücken (Kündigung aus betriebesbedingten Gründen + sehr gute Leistungen), weil die Unwahrheit (nur gute Leistungen) glaubhafter ist. Richtig so? Da müsste ich, glaube ich, erst einmal drüber nachdenken. Es kommt erschwerend hinzu, dass der Anwalt den wissenschaftlichen Mitarbeiter schon im Referendariat gehabt hat, und da hat er ihm auch ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt (allerdings gelten hierfür nicht dieselben Codes und so weiter, so dass das Zeugnis aus der Ausbildungsphase nicht herangezogen werden kann.)

Ach so, und ich hatte mich schon gewundert, was der eigentlich
tut :wink: Aber, steht das wirklich genau so im Arbeitsvertrag
vom Herrn X? Und ist das in Anwaltskreisen eine übliche
Jobbezeichnung? (Sorry, da kenne ich mich so gar nicht aus)

Ja, das ist die übliche Bezeichnung. Der wissenschaftliche Mitarbeiter ist ein Volljurist ohne Anwaltszulassung (die Versicherungspflicht nach sich zieht und darum „teuer“ ist), er kann nicht selbst die Schriftsätze unterschreiben und nur am Amtsgericht, nicht darüber vor Gericht auftreten. Darum ist es faktisch in erster Linie Zuarbeit.

Dann sollte das rein. „So hat er beispielsweise durch seine
herausragenden Kenntnisse im Gebiet x sowie sein hohes
Engagement den Massenmörder Kuno K. heilig sprechen lassen.“

Na gut, dann wird es hineingenommen. Das ist doch schon mal ein guter Tipp.

Sprache spielt in der Juristerei eine sehr große Rolle. Es
geht hier schon um Deutsch, aber die Ausdrucksfähigkeit des X
ist hier eben doch weit überdurchschnittlich und soll
entsprechend gewürdigt werden.

Ja, das schon, und eben weil man davon ausgeht, dass ein
Jurist hervorragend mit der Sprache umgehen kann, ist das hier
merkwürdig das zu erwähnen. So wie wenn man „Sauberkeit“ bei
einer Putzfrau reinschreibt :wink: Und so wie’s da jetzt drin
steht, könnte man durchaus als „ist uns allen mit seinem
endlosen dummen Gelabere auf die Nerven gegangen“
interpretieren.

Da bin ich jetzt verunsichert. Mir leuchtet ein, dass man das so verstehen kann. Aber man kann eben nicht davon ausgehen, dass alle Juristen hervorragend mit Sprache umgehen können. Ich sehe aber schon, das Risiko ist hier wohl größer als der Nutzen. Also raus damit.

Oder konkretisieren. „So war ihm der sichere Umgang mit Anwalt
1.0, Gericht 8.4 und Gesetz 4.2 selbstverständlich.“

Auch eine gute Idee. Konkretisieren, jawohl.

Danke noch einmal!