Hallo,
zunächst zu den Äußerlichkeiten. Das Zeugnis muß…
- auf offiziellem Firmenpapier geschrieben sein
- darf nur geknickt sein wenn man es kopieren kann ohne daß die Knicke auf den Duplikaten sichtbar sind
- das Adressfeld darf nicht, wie bei einem Brief, ausgefüllt sein
- das Datum SOLLTE (ist aber nicht einklagbar) auf den Tag des Ausscheidens aus dem Unternehmen datiert sein (nicht etwa auf das Datum, an dem der Text geschrieben wurde)
- die Unterschrift muß von einem hochrangigen Vertreter der Firma (Chef, Leiter Personalabteilung, …) persönlich geleistet worden sein. „I. A. Müller, Sekretärin des Abteilungsleiters“ reicht nicht
- unter der Unterschrift müssen Name und Funktion des Unterzeichnenden nochmal in Maschinenschrift stehen.
Herr xx war vom…bis… als Sachbearbeiter in unserem Haus
beschäftigt.
Grundsätzlich OK. Aber müßte es nicht „Hause“ heißen? Rechtschreibexperten vor…
Herr xx war mit folgenden Aufgaben während seiner Tätigkeit
bei uns betraut:
- Auffälligkeit. Der Satzbau ist falsch, es heißt nämlich „war während seiner Tätigkeit bei uns mit folgenden Aufgaben betraut“. Außerdem wäre es nicht ganz schlecht wenn da stehen würde „während seiner Tätigkeit als Industriekaufmann…“.
Auftragsabwicklung
Lagerüberwachung
Inlandsverladung
Fakturierung
Rechnugskontrolle
Allgemeine Büroarbeiten
Ist das denn vollständig? Falls ja: OK. Falls nein: unbedingt ergänzen lassen!
Ich weiß nicht was Du genau gemacht hast, ich würde da aber, wenn Du das Zeugnis sowieso reklamierst, Punkte wie „Zusammenarbeit/Koordination mit anderen Fachabteilungen im Hause“ und „Kundenberatung“ (oder so ähnlich formuliert, je nachdem was Dir passend erscheint) ergänzen. Das sind zwar „Allerweltsaufgaben“, aber es macht die Liste zumindest optisch schon mal länger - und das sieht besser aus als wenn da nur ein paar wenige Sachen stehen 
„Allgemeine Büroarbeiten“ ist OK, besser klingt aber „administrative Tätigkeiten“.
Herr xx hat alle ihm übertragenen Aufgaben nach kurzer
Einarbeitung selbstständig und stets zu unserer vollsten
Zufriedenheit erledigt.
Hier ist ein Wiederspruch enthalten. „übertragene Aufgaben“ benutzt man entweder wenn man sich nicht auskennt oder weil man sagen will daß jemand wenig Eigeninitiative zeigte und meist zum Arbeiten aufgefordert werden mußte. Zugleich attestiert man Dir aber selbstständiges Arbeiten. Das deutet dann eher auf amateurhafte Kenntnisse über Zeugnisformulierungen hin.
„Stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ ist eine glatte 1. Das paßt aber auch nicht zum ansonsten mittelprächtigen Ton des Zeugnisses und macht auch logisch keinen Sinn, denn einen so guten Mitarbeiter würde man wohl kaum kündigen. Auch hier ist das Zeugnis also wiedersprüchlich bzw. die Formulierung/die dadurch transportierte Note unglaubwürdig.
Er war pünktlich, ehrlich und
zuverläassig.
Das sind „Allerweltstugenden“, die man als Grundvorraussetzungen von jedem Mitarbeiter erwartet. Steht nicht mehr in einem Zeugnis, keine herausragenderen Leistungen, legt man das so aus als könne man keine besonderen Leistungen benennen und schreibt dann solche Selbstverständlichkeiten hin. Aussagen zu Deinen spezielllen Qualifikationen, Leistungen, zu Deiner Motivation fehlen ganz. Das ist eindeutig zu wenig! Selbst wenn Du nur kurz in der Firma gewesen wärst - das ist in jedem Fall zu mager.
Sein Verhalten und seine Zusammenarbeit mit Vorgesetzen und
Kollegen war immer korrekt und einwandfrei.
OK, aber hier wurden die Kunden vergessen! Die Reihenfolge stimmt wenn Vorgesetzte - Mitarbeiter - Kunden benannt werden, so gesehen ist es OK, aber wenn Kunden nicht erwähnt werden heißt daß entweder
- Ein Amateur-Zeugnistexter hat sie schlicht vergessen oder
- es ist „beredtes Schweigen“, also man schweigt über ein Thema, wo man nichts Gutes über dich sagen kann.
Jedenfalls ist das Fehlen einer Aussage über Dein Verhalten gegenüber Kunden ein schwerer Fauxpas. „Immer korrekt und einwandfrei“ ist gut!
Herr xx verlässt unser Unternehmen zum xx. Für seinen weiteren
persönlichen und beruflichen Werdegang wünschen wir ihm alles
Gute.
Hier fehlen:
- eine Begründung warum Du gehst
- Dank für die geleistete Arbeit
- „alles Gute und Weiterhin viel Erfolg“.
Daß eine Begründung für Dein Ausscheiden fehlt ist OK wenn es, wie Du vermutest, an zu häufiger Krankheit liegt. Besser kein Grund als ein schlechter… so gesehen kann man das wohl so hinnehmen.
Daß der Dank fehlt ist ein Mangel, den Du beheben lassen solltest, ebenso der fehlende Erfolgswunsch. Daß diese beiden Bereiche fehlen legt man negativ aus.
Das Zeugnis ist recht kurz. -> negativ?
Nicht nur negativ, sondern ganz klar zu kurz. Das mußt und solltest Du so nicht hinnehmen. Du hast Anspruch auf ein detailliertes Zeugnis und mußt nicht akzeptieren daß man Dir ein schnell und lustlos hingeschmiertes Schreiben präsentiert, in dem Dinge in einem Nebensatz abgehandelt werden und wo Du auch noch schlecht wegkommst.
Als Kündigungsgreund wurde mir im Gespräch
„Umstrukturierungsmaßnahmen“ genannt. (Wirklicher Grund ist
wahrscheinlich, dass ich zu oft krank war). Im Zeugnis steht
nun gar kein Grund (Firma hat nur 8 Mitarbeiter). Wird da von
Personalchefs nicht auch eher was negatives vermutet?
Ja - siehe oben. „Umstrukturierungsmaßnahmen“ sind ein „guter“ Grund, ich würde das ins Zeugnis aufnehmen lassen, denn es ist zwar nichtssagend, aber besser als wenn gar nichts gesagt wird. Es sieht damit in jedem Fall eher so aus bzw. läßt offen daß Dein Ausscheiden in Gründen der Firma zu suchen ist und nicht allein an Deiner „Unfähigkeit“, was als Interpretationsmöglichkeit im Raum stehen bleibt wenn kein anderer Grund genannt wird.
Alles in allem würde ich sagen: auch wenn ich hier jede Formulierung auf die Goldwaage gelegt habe zeigen die Mängel Deines Zeugnisses daß nicht allein Du unfähig warst, sondern der Schreiber auch nicht wußte wie man ein gutes (im Sinne von korrektes und vollständiges) Zeugnis schreibt. Das relativiert manche Aussagen zu Deinen Gunsten, denn man kann annehmen daß Dinge nicht so negativ gemeint sind wie ich sie jetzt absichtlich ausgelegt habe.
Trotzdem würde ich an Deiner Stelle einen Gegenvorschlag ausarbeiten und einreichen. Ausführlicher, unmißverständlicher, mit weniger Interpretationsspielraum zu Deinen Ungunsten.
Sag Deinem Ex-Arbeitgeber daß auch er besser dasteht wenn Du bei zukünftigen Bewerbungen ein schon äußerlich erkennbar gut gestaltetes Zeugnis aus seinem Hause vorlegen kannst und nicht so ein „Armutszeugnis“, das auch den Schreiber eher schlecht dastehen läßt („Die wissen nicht wie man ein ordentliches Zeugnis verfaßt“).
Arbeitsgerichte sehen normale Mitarbeiter im Bereich einer 3. Will man ein besseres Zeugnis bzw. schreibt der AG ein schlechteres muß das beweisbar sein, wobei Gerichte aber extrem arbeitnehmerfreundlich sind.
Wenn der Ag also nicht nachweisen kann daß Du ein deutlich unterdurchschnittlicher Mitarbeiter warst steht Dir in jedem Fall ein ordentliches Zeugnis zu, also sinngemäßim Bereich einer 3. Ich würde auch nicht versuchen mehr zu erreichen weil eine 3 völlig in Ordnung geht und bessere Noten schnell unwahrscheinlich werden wenn es keinen wirklich guten Grund für das Ausscheiden des Mitarbeiters gibt - einen überdurchschnittlichen Mitarbeiter würde man wohl kaum „einfach so“ gehen lassen.
Laß Dein Zeugnis also ausführlicher werden, weniger mißverständlich und widersprüchlich, und ergänzt um meine Anmerkungen. Es spricht nichts dagegen einen eigenen Vorschlag zu schreiben und dem AG vorzulegen - das erspart demjenigen Arbeit (es muß dann nur auf Firmenpapier abgetippt werden) und Du hast den Text, den Du wolltest.
Lies auch mal bei www.arbeitszeugnis.de nach, da findest Du viele nützliche Hilfen.
Gruß,
MecFleih