Hallo Michael!
Buchhaltung ist denn doch noch etwas umfänglicher. Chronologisches Abheften mit fortlaufender Nummerierung von Belegen gehört zu den Vorbereitungen für die Buchhaltung. Wenn man dann noch eine Excel-Tabelle anlegt, die Belege mit Nummer und Datum in die Zeilen einträgt, alle Ausgaben in einer Spalte, alle Einnahmen in einer anderen Spalte, muss man die Zahlen der beiden Spalten nur noch mit der Σ-Funktion addieren und erhält so die Summen von Einnahmen und Ausgaben. Diese Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) genügt den Anforderungen des Finanzamts. Natürlich kann man die Sache auch ohne Excel per Hand erledigen. Man braucht keine Buchhaltungssoftware und schon gar keinen Berater, denn die Anforderungen gehen über einfaches Addieren und Subtrahieren nicht hinaus.
Beim Ausfüllen der Formulare fürs Finanzamt wird man bemerken, dass es sinnvoll ist, die Spalten mit den Einnahmen und Ausgaben der Excel-Tabelle nach verschiedenen Kriterien aufzudröseln, weil die Ausgaben für z. B. Materialeinkäufe, geringwertige Wirtschaftsgüter, Miete etc. separat einzutragen sind. Beim Ausfüllen der Formulare bemerkt man selbst, was man anstellen muss, um nur durch Abschreiben einzelner Ergebnisse der Excel-Spalten zurecht zu kommen. Ist aber nur Kinderkram, keine schwarze Kunst, keine Geheimnisse. Fertig ist die Buchhaltung. Es gibt wirklich keinen Grund, damit jahrelang zu warten und womöglich Steuerberaterhonorar zu bezahlen.
Wer Umsatzsteuer ausweist, braucht wenige zusätzliche Spalten, um Nettobeträge, in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer und bezahlte Vorsteuer aufzuführen. Dabei ist aber sehr zeitnahe eigene Buchführung wichtig, denn sobald man Überschüsse aus Inlandsumsätzen erzielt, damit mehr Umsatzsteuer einnimmt als Vorsteuer bezahlt wurde, will das Finanzamt die Differenz haben. Wer damit lange wartet und womöglich unbemerkt eine hohe Umsatzsteuerschuld entstehen lässt, die (wg. nicht zeitnaher Buchhaltung nicht bemerkt) nicht bezahlt werden kann, wird beim Finanzamt auf wenig Entgegenkommen stoßen.
Prioritäten wurden halsbrecherisch falsch gesetzt.
Ja, aber nur für Selbständige, die vorwiegend von Privatkundschaft leben, die nicht investieren, nichts einkaufen und für ihre Tätigkeit ohne Auto auskommen. Wie schon beschrieben, wer Familienhunde ausführt oder oder Karten legt, ist mit der Kleinunternehmerregelung besser bedient. Alle anderen zahlen kräftig drauf. An der Tanke zahlst Du 1,19 € für den Liter Benzin. Wer aber vorsteuerabzugsberechtigt ist, also die Kleinunternehmerregelung nicht in Anspruch nimmt, verrechnet die auf dem Tankbeleg ausgewiesene Mehrwertsteuer als Vorsteuer mit eingenommener Umsatzsteuer. Er legt zwar im Moment auch 1,19 € auf den Tresen, zahlt aber nach der Verrechnung letztlich nur 1 €. Die Mehrwertsteuer ist eine Steuer auf privaten Konsum. Selbständige werden damit nicht belastet, es sei denn, sie lassen sich per Kleinunternehmerregelung bei der Umsatzsteuer wie Privatmenschen behandeln. Zuweilen wird die Entlastung von Bürokram als Vorteil der Kleinunternehmerregelung aufgeführt. Aber das ist ein Scheinargument, denn der zu treibende Aufwand für den korrekten Umgang mit der Umsatzsteuer ist im Verhältnis zur heftigen Einsparung lächerlich gering.
Gerade am Anfang kann sich keiner leisten, Geld sinnlos zu verblasen und vermeidbare Steuerlast zu tragen. Wer Privatkunden Umsatzsteuer in Rechnung stellen muss, ist gegenüber Konkurrenten im Nachteil, die unter der Kleinunternehmerregelung agieren. Aber Deine Kundschaft im Bereich Messen/Events sind Gewerbetreibende, die von ausgewiesener Umsatzsteuer nur kurzfristig in der Liquidität berührt, aber letzten Endes nicht belastet werden.
Steuerliche Gestaltung ist ein anderes Kapitel, setzt einige Sachkunde voraus und kann auch einen Berater erforderlich machen. So müsste ein Berater mit Kenntnis des Geschäftszweiges seines Mandanten in Deinem Fall sofort von der Kleinunternehmerregelung abraten, weil es hier von Beginn an die ungünstige Variante ist.
An dieser Stelle scheint mir Grundsätzliches fällig. Egal ob jemand Gehirne operiert, Autos repariert oder Events organisiert, bekommt der Selbständige kein Geld, weil der Monat zu Ende ist, sondern weil er Gewinn erwirtschaftete. Deshalb ist die kaufmännische Kompetenz unabhängig von der Art der selbständigen Tätigkeit eine entscheidende Komponente für den wirtschaftlichen Erfolg. Mit kaufmännischer Inkompetenz kann man fachlich noch so gut sein und läuft dennoch in die Pleite. Um Brötchen über den Tresen zu reichen und Torte in Stücke zu schneiden, absolvieren junge Leute eine Lehre. Dabei lernen sie auch, dass man nicht über den Kuchen hustet , wie man Ware präsentiert, wie man mit der Registrierkasse umgeht und welche Temperatur in der Kühltruhe herrschen muss. Beliebige von der Straße gegriffene Leute würden ohne Ausbildung trotz der vermeintlich simplen Tätigkeit viele inakzeptable Fehler machen.
Seltsamerweise glauben manche Leute, dass sie ohne die Spur einschlägiger Ausbildung und Kenntnisse kaufmännisch tätig sein können. Ist aber ein Irrtum, wie die Erfahrung lehrt. Man kann die Learning-by-Doing-Methode nutzen, die wunderbar funktioniert, wenn man das misslungene Ergebnis ohne größeren Schaden einfach wegwerfen kann. Ohne wenigstens elementare kaufmännische Grundkenntnisse die eigene Existenz mit der Learning-by-Doing-Methode auf die Füße stellen zu wollen, endet oft im Wegwerfen des misslungenen Ergebnisses, hier der wirtschaftlichen Existenz – dummerweise nicht ohne größeren Schaden, sondern mit jahrelang bitterer Wirkung. Weil das so ist und sich täglich ungezählte Male wiederholt, halte ich den schon in meiner ersten Antwort empfohlenen VHS-Kurs in Buchhaltung für ein unverzichtbares Minimum an Vorbereitung. Das gilt auch für Leute, die ihre Buchführung von Angestellten oder außer Haus erledigen lassen. Nicht nur der Formalismus der Buchhaltung, auch viele in der alltäglichen Praxis wichtigen Begrifflichkeiten und Zusammenhänge werden dabei gelernt. Wer dann auch noch einen Jahresabschluss-Kurs absolviert, bekommt einen Einblick, wo und wie man steuerlich gestalten kann. Es ist wie beim Autofahren. Ohne eigene Kenntnisse für jeden Handgriff und vor der fälligen Vollbremsung erst einen Berater fragen zu müssen, ist eine mit Gewissheit zum Crash führende Methode.
Es gingen doch Antworten mit zielführender Vorgehensweise ein.
-
Verhandeln, persönlich und vis-a-vis mit dem Sachbearbeiter/der Sachbearbeiterin der KK. Die Verhandlungsposition ist aber schwach, wenn Dinge, auf denen die Entscheidungen der KK beruhen, nämlich Einkommensteuerbescheide vom Finanzamt, nicht vorgelegt werden können. Dann hilft vorhersehbar auch eine Beschwerdestelle nicht weiter, weil die KK-Entscheidung formal richtig ist. Vielleicht wäre etwas zu erreichen, wenn der Steuerberater die Belege hat, Jahresabschlüsse erstellt und beim FA einreicht, das aber etliche Wochen, eher Monate bis zum Steuerbescheid braucht. Die Zeit hast Du nicht. Damit die Vollstreckungsstelle der KK trotz fehlender Bescheide den Griff vom Konto lässt und wieder Versicherungsschutz gewährt wird, müsste sich jemand vorschriftswidrig und nur auf die blauen Augen hin aus dem Fenster lehnen – Ansinnen mit schlechter Erfolgsaussicht.
-
Wenn Nr. 1 (vorhersehbar) nicht funktioniert, muss Plan B her (ach nee, heißt ja jetzt Plan A2). Plan A2 sieht Geldbeschaffung vor, z. B. Auto verkaufen. Klar, Du brauchst ein Auto, aber dann muss es eben erstmal eine ganz billige Gurke tun. Mit dem schleunigst realisierten Verkaufserlös ergibt sich eine bessere Verhandlungsposition. Vielleicht lässt sich die Schuld aus dem Verkaufserlös komplett bezahlen und falls nicht, macht eine nennenswerte Anzahlung verhandlungsbereiter, dem Abstottern des Rests zuzustimmen.
-
Plan A3: Das vorhandene Auto ist nichts wert, anderweitig ist kein Geld aufzutreiben und auch ein gut bezahlter sozialversicherungspflichtiger Angestelltenjob ist kurzfristig nicht in Sicht. Dann hilft nur die Insolvenz und möglicherweise auch der Gang zum Sozialamt/Jobcenter. Bei der Insolvenz handelt es sich um ein Regelverfahren, also keine Verbraucherinsolvenz mit langwierigem Herumeiern irgendwelcher Beratungsstellen. Der Betroffene besorgt sich vom Amtsgericht den Formularsatz und gibt ihn ausgefüllt nebst Anlagen wieder ab. Ein Exemplar nimmt er mit dem Eingangsstempel des Amtsgerichts versehen wieder mit. Außerdem beantragt er vorläufigen Vollstreckungsschutz, damit sich der bereits vollstreckende Gläubiger nicht zu Lasten anderer Gläubiger bedient (der Antrag beschleunigt erfahrungsgemäß die Verfahrenseröffnung und dann gilt ein Vollstreckungsverbot). Wird das alles sorgfältig und vollständig gemacht, wird das Amtsgericht alsbald einen Gutachter bestellen, der zumeist hinterher auch Insolvenzverwalter/Treuhänder sein wird. Das muss keineswegs das Ende des Unternehmens sein. Der Insolvenzverwalter entscheidet, ob der Selbständige sein Unternehmen fortführen darf oder ob mit Weiterführung finanzielle Risiken einher gehen, denen Gläubigerinteressen entgegen stehen. Viele Selbständige, vom Aalräucherer bis zum Zahnarzt, üben ihre Tätigkeit unter Kontrolle eines Insolvenzverwalters aus.
Rein vorsichtshalber: Komme nicht auf die Idee, Hilfe von irgendwelchen Kreditvermittlern zu erwarten. Diese Leute greifen Dein letztes Geld ab, aber Kredit wird es nicht geben.
Einen Weg, der ohne Schrammen aus der Situation führt, sehe ich nicht. Aber aufgrund hoffentlich eintretenden Lerneffekts eröffnet sich ein zukünftig besserer Weg. Der bessere Weg eröffnet sich aber erst nach Erlangung belastbarer kaufmännischer Kenntnisse und nach veränderter Prioritätensetzung, nämlich Kaufmännisches hat Vorrang. Kaufmännisches ist nicht nur Buchhaltung, sondern deutlich breiter. Controlling, also Steuerung aufgrund aktueller Zahlen gehört dazu, auch Betriebsorganisation mit geregelten Abläufen u. v. m. Außerdem gehört dazu, dass Außerhausbringen von Buchhaltungsbelegen mit sofortiger Vierteilung und mindestens Erschießen geahndet wird. Ein einmal im Haus befindlicher Beleg verlässt dasselbe nicht vor Ablauf von 10 Jahren, ist spätestens am Ende der Folgewoche seines Eintreffens gebucht und Bestandteil von Buchführung, Ertragsvorschau sowie in den automatisch entstehenden Aufstellungen mit den mit einzelnen Kunden und Lieferanten realisierten Umsätzen. Das kann man alles mit Excel erledigen, aber sobald es nennenswert über eine EÜR hinaus geht, ist es einfacher, sich für einen Hunderter eine Buchführungssoftware zu gönnen. Dann hast Du Silvester zu tun, musst nämlich auf den Knopf drücken und den fix und fertigen Jahresabschluss erzeugen, der den Damen und Herren vom FA zur Bearbeitung vorliegt, sobald sie wieder nüchtern sind. Aber Vorsicht: Entgegen mancherorts zu hörender Meinung ersetzt Software keinen Sachverstand. Wer damit ohne Buchführungskenntnisse umgeht, produziert unbrauchbaren Mist und scheitert schon an der Terminologie (der erwähnte VHS-Kurs schafft Abhilfe).
Gruß
Wolfgang