Hallo, Philosophen!
Im Text eines auf dem Geschichtebrett mitgeteilten Link lese
ich:
„‚Es ist wahrscheinlich, dass etwas Unwahrscheinliches
passiert‘, hatte Aristoteles zu einer Zeit gesagt, als […]“.
Kann mir jemand langes Suchen ersparen und mitteilen, wo man
diesen Satz bei Aristoteles findet?
Dank&Gruß!
hannes
Poetik 1. Buch
Hi.
„‚Es ist wahrscheinlich, dass etwas Unwahrscheinliches
passiert‘, hatte Aristoteles zu einer Zeit gesagt, als […]“.
Die Stelle findet sich im ersten Buch seiner „Poetik“.
Gruß
Die Stelle findet sich im ersten Buch seiner „Poetik“.
Dank für den Hinweis!
Ich habe die Stelle jetzt doch nachgeschlagen, denn die Sache kam mir nicht ganz geheuer vor.
Es heißt (c. 18) tatsächlich nicht, dass wahrscheinlich „etwas Unwahrscheinliches“ geschieht, sondern
eikòs gàr gínesthai pollà kaì parà tò eikós:
„Es ist wahrscheinlich, dass Vieles auch entgegen der Wahrscheinlichkeit geschieht“.
Das kommt mir nicht ganz als das Gleiche vor.
Gruß!
Hannes
möglich, aber nicht wahrscheinlich
Hi.
Ich habe die Stelle jetzt doch nachgeschlagen, denn die Sache
kam mir nicht ganz geheuer vor.
Tja, manchmal werden Textstellen verzerrend zitiert, das wäre nicht das erste Mal.
Es heißt (c. 18) tatsächlich nicht, dass wahrscheinlich „etwas
Unwahrscheinliches“ geschieht, sondern
eikòs gàr gínesthai pollà kaì parà tò eikós:
„Es ist wahrscheinlich, dass Vieles auch entgegen der
Wahrscheinlichkeit geschieht“.
Das kommt mir nicht ganz als das Gleiche vor.
Da gebe ich dir recht. Im Grunde ist der Satz sogar fragwürdig: dass Vieles entgegen der Wahrscheinlichkeit geschieht, ist ein empirisches Faktum. Dieses Faktum kann man als Hypothese setzen und sagen: wenn etwas geschieht, dann ist es möglich, dass es entgegen der Wahrscheinlichkeit geschieht. Mehr nicht. Es ist „möglich“, aber nicht „wahrscheinlich“.
(Ich gehe von der Korrektheit deiner Übersetzung aus)
Gruß
Das kommt mir nicht ganz als das Gleiche vor.
Da gebe ich dir recht. Im Grunde ist der Satz sogar
fragwürdig: dass Vieles entgegen der Wahrscheinlichkeit
geschieht, ist ein empirisches Faktum.
Das ist ja auch der Kontext: Aristoteles untersucht die Peripetie in der Tragödie und sagt, es gehe dabei um den Zusammenfall des Tragischen mit dem Menschlichen, und bringt dann als Beispiele:
(16) ἔστιν δὲ τοῦτο, ὅταν ὁ σοφὸς μὲν μετὰ πονηρίας ἐξαπατηθῇ, ὥσπερ Σίσυφος, καὶ ὁ ἀνδρεῖος μὲν ἄδικος δὲ ἡττηθῇ.
„Das ergibt sich dann, wenn ein kluger, aber mit Schlechtigkeit behafteter Mensch hereingelegt wird, wie Sisyphos, und wenn der Tapfere, aber Ungerechte den kürzeren zieht.“
Dann zitiert er den Tragödiendichter Agathon (das ist der, in dessen Haus Platon das SYMPOSION stattfinden lässt), welcher der Meinung ist, dass dies der Wahrscheinlichkeit entspricht, und fügt dann, dies begründend, den schon besprochenen Satz an: „Denn es ist wahrscheinlich, dass Vieles auch entgegen der Wahrscheinlichkeit geschieht.“
(Ich gehe von der Korrektheit deiner Übersetzung aus)
Irgendetwas darf doch auch ich können.
Gruß!
Hannes
Abwehrmechanismen als Ursache des Tragischen?
Hi Hannes.
Aristoteles untersucht die
Peripetie in der Tragödie und sagt, es gehe dabei um den
Zusammenfall des Tragischen mit dem Menschlichen…
„Das ergibt sich dann, wenn ein kluger, aber mit
Schlechtigkeit behafteter Mensch hereingelegt wird, wie
Sisyphos, und wenn der Tapfere, aber Ungerechte den kürzeren
zieht.“
Eine Definition der Tragödie lautet wie folgt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Trag%C3%B6die
„Die griechische Tragödie behandelt die schicksalhafte Verstrickung des Protagonisten, der in eine so ausweglose Lage geraten ist, daß er durch jedwedes Handeln nur schuldig werden kann. Der tragische Charakter wird auch mit dem Attribut „schuldlos schuldig“ beschrieben.“
Zitat ENDE.
Das ist und bleibt ein echtes Dilemma. Die „Realität“, in der wir leben, ist so komplex, dass Harmonie nicht wirklich jemals wird realisiert werden können. Allzu viele äußerliche und innerliche Faktoren determieren die Entscheidungen der Menschen, die keinen Überblick über Ursachen und Konsequenzen dieser Entscheidungen haben.
Die von Freud entdeckten psychologischen Abwehrmechanismen leisten, wie ich vermute, einen wesentlichen Beitrag zur zwischenmenschlichen Problematik des Tragischen. Im einzelnen sind diese:
http://de.wikipedia.org/wiki/Abwehrmechanismus
"Nach Anna Freud:
* Repression/Verdrängung: Unerwünschte Es-Impulse, die ein Gefühl von Schuld, Scham oder das Herabsetzen des Selbstwertgefühls hervorrufen, werden durch Ich und Über-Ich in das Unbewusste verdrängt…
* Reaktionsbildung: Gefühle oder Motive werden durch entgegengesetzte Gefühle/Motive niedergehalten (z. B. Mitleid statt aggressiver Impulse oder Hassgefühle, wenn Liebesgefühle gefährlich erscheinen)…
* Regression: Es erfolgt ein unbewusster Rückzug auf eine frühere Entwicklungsstufe der Ich-Funktion, in der ein niedrigeres organisiertes Verhalten noch funktioniert hat (Trotzverhalten, Fresslust, Suche nach Versorgung)…
* Verleugnung: Im Unterschied zur Verdrängung wird nicht ein konfliktreicher innerer Wunsch abgewehrt, sondern ein äußerer Realitätsausschnitt verleugnet, also nicht anerkannt…
* Vermeidung: Triebregungen werden umgangen, indem Schlüsselreize vermieden werden.
* Verschiebung: Phantasien und Impulse werden von einer Person, der sie ursprünglich gelten, auf eine andere verschoben, so dass die ursprünglich gemeinte Person unberührt bleibt…
* Spaltung: Inkompatible Inhalte werden auf mehrere Objekte verteilt. Sowohl die Objekte als auch das Selbst wird in „Gut“ und „Böse“ aufgeteilt…
* Ungeschehenmachen: Einsatz faktisch unwirksamer Handlungen und Rituale (z. B. auf Holz klopfen), denen eine symbolische Kraft zugeschrieben wird, mit dem Ziel, Strafe bei Verbots- und Gebotsübertretungen abzuwenden.
* Projektion: Eigene psychische Inhalte und Selbstanteile (v. a. Affekte, Stimmungen, Absichten und Bewertungen etc.) werden anderen Personen zugeschrieben…
o Projektive Identifizierung: Kombination von innerpsychischen und interpersonellen Vorgängen, bei dem das Gegenüber (unbewusst) so beeinflusst wird, dass es bestimmte Erwartungen erfüllt…
* Introjektion und Identifikation: Bestimmtes Verhalten, Anschauungen, Normen oder Werte einer anderen Person werden in die eigene Persönlichkeit verinnerlicht.
o Identifikation mit dem Aggressor: Bei einem gewaltsamen Übergriff bzw. einer psychischen Grenzüberschreitung wird die Verantwortung für das Geschehen sich selbst zugeschrieben und/oder die Einstellung oder das Verhalten eines Angreifers übernommen…"
Zitat ENDE.
Die Liste ist aber noch länger.
(Ich gehe von der Korrektheit deiner Übersetzung aus)
Irgendetwas darf doch auch ich können.
Tut mir light, aber ich bemerkte das nur der Vollständigkeit halber, nichts gegen dich. Ich war im Forum mal einer fälschlichen Übersetzung aufgesessen und erntete dafür Prügel von den Fachleuten, seitdem sichere ich mich lieber ab.
Gruß
Horst